Anspruch und Aufgabe der Anthroposophischen Medizin

Welchen Anspruch hat die Anthroposophische Medizin?

Worin sieht sie ihre Aufgabe?

Die Anthroposophische Medizin ist ein Kind des 20. Jahrhunderts. Sie hat den Anspruch, naturwissenschaftliche, philosophische und spirituelle Erkenntnisse und deren therapeutische Anwendungen in ein ganzheitliches Konzept zu integrieren.

Bemühen um mehr Menschlichkeit

Als eigenständige medizinische Bewegung hat sie jedoch erst gut 80 Jahre Entwicklung hinter sich (vgl. Anthroposophische Medizin: Ita Wegmann und die Entwicklung der Anthroposophischen Medizin), weswegen sie noch nicht so breit im allgemeinen Bewusstsein verankert ist wie beispielsweise die Homöopathie. Darüber hinaus ist die Bezeichnung „Anthroposophische Medizin“ etwas schwer verständlich. Der Begriff „Homöopathie“ hat sich aus dem prinzipiellen Gegensatz zur gängigen „Allopathie“ gebildet. Er orientiert sich am Simile-Prinzip. „Anthroposophisch" heißt hingegen in der schlichtesten Übersetzung aus dem Griechischen einfach nur „menschlich". Entsprechend hat sich die Anthroposophische Medizin zur Aufgabe gesetzt, im Umgang mit Krankheit und Gesundheit in Theorie und Praxis das Bewusstsein und die Entwicklung von mehr Menschlichkeit (vgl. Ideale: Die Ur-Ideale – Wahrheit, Liebe und Freiheit) ins Zentrum allen Bemühens zu stellen.

Damit weiß sie sich mit vielen Bestrebungen insbesondere der letzten Jahrzehnte im Konsens. So schreibt der berühmte amerikanische Kardiologe Bernard Lown im Vorwort seines Medizin-Bestsellers „Die verlorene Kunst des Heilens"1:

„Dieses Buch möge als ein Kompass dienen (...), indem es eine Medizin beschreibt, in welcher der Mensch im Mittelpunkt aller wissenschaftlichen Dienstleistungen steht – nämlich ein modernes Gesundheitswesen mit einem menschlichen Gesicht."

Lown nennt die heutigen großen Probleme beim Namen: Die ungerechte Weltordnung, die bewirkt, dass sich auch im neuen Jahrhundert die Kluft zwischen den armen Entwicklungsländern und den reichen Industrienationen immer schneller vertieft und viel zu viele der sieben Milliarden Menschen auf der Welt in einer quälenden, erbarmungslosen und erniedrigenden Armut leben. Er fordert von den Ärzten, aktiv beim Aufarbeiten der sozialen Missstände sowie bei der Heilung unseres erkrankten Planeten mitzuwirken (vgl. Bewusstseins(sseelenzeitalter: Bewusster Umgang mit Not und Zerstörung). Das Wort des deutschen Pathologen Rudolf Virchow ist ihm Vorbild, dass Politik eine „Medizin im Großen" ist.

Wie aber wird eine medizinische Denkweise und Methode erarbeitet, die solches leisten kann?

Letztlich kann doch nur ein neues Denken über die alten, unerbittlich wachsenden Probleme dazu führen, diese nachhaltig zu lösen. Anthroposophische Medizin möchte in aller Konsequenz dazu beitragen.

Vgl. Einleitung „Anthroposophische Arzneitherapie für Ärzte und Apotheker“, Loseblattsammlung mit 4. Aktualisierungslieferung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2012

  1. Bernard Lown, Die verlorene Kunst des Heilens. Berlin 2002.