Die Zwienatur des Menschen in der Apokalypse

Die Bücher der Offenbarung sind für den erwachten, sich selbst reflektierenden Men-schengeist geschrieben worden, um ihm bei der Verwandlung des Stoffes, des Physisch-Körperlichen, durch geistige Arbeit zu helfen, damit etwas ganz Neues aus der alten Welt hervor¬gehen kann (vgl. Apokalypse: Die Apokalypse als Entfaltungsgeschichte).

Der Sinn des Erdenlebens ist in diesem Kontext: zu erkennen, wer wir sind. Denn wir sind zwar als Wesen erschaffen worden, wissen aber nicht, was das wirklich heißt. Das individuelle Bewusstsein unserer selbst erringen wir uns durch die Inkarnation, durch wiederholte Erdenleben, in denen wir uns mal in männlichen, mal in weiblichen Körpern in verschiedenen Gegenden der Erde verkörpern. Dadurch wird unsere Erkenntnis darüber, was der Mensch seinem Wesen nach ist, immer runder, immer bewusster.

Der mittelalterliche Mystiker Meister Eckehart prägte diesen Satz: „Wäre ich ein König und wüsste es nicht, ich wäre kein König.“ Es genügt nicht, ein wunderbares, von Gott geschaffenes Menschen-Ich zu sein, wenn ich mich nicht als Ich erfassen kann. Um jedoch mein Ich in seiner Wesenhaftigkeit erfassen zu können, muss ich das Eingeschlossen-Sein in einen ganz individuellen Leib, den ich mir selber bilde, erleben. Erst wenn ich mich durch das Eingebunden-Sein in die Naturgesetze selbst gebildet habe, kann das Geistige frei vom Naturgesetz werden und das Ich in der Freiheit des Denkens erwachen. Dann kann ich mit derselben Lebenskraft, die der „alten Schöpfung“ der Natur zugrunde liegt, an der neuen Schöpfung im reinen, freien Denken arbeiten – diesmal befreit vom Gesetz der Natur.

Stoffwechselbetonte und erkenntnisgestützte Zwienatur

Die Siegel bilden Entwicklungsschritte, Auseinandersetzungsfelder und Zukunftsbilder für Entwicklung ab. Sie zeigen alle auf unterschiedliche Weise die Zwienatur des Menschen. Das erste Siegel zeigt das zweischneidige Schwert, das aus dem Munde der grandiosen Lichtgestalt hervorkommt.

Diese Zwienatur macht sich dem Menschen auf seelisch-geistiger Ebene ständig bemerkbar (vgl. Identität und Ich: Die Ich-Natur des Menschen-ein zweischneidiges Schwert): Er muss zwischen seinen Interessen und denen seiner Umwelt das zweischneidige Schwert des Ich führen, muss mit den Kräften des Verbindens und des Trennens umgehen lernen, muss lernen sich zu verbinden und sich zu trennen.

Der Mensch ist auch als denkender Mensch und als körperliches, stoffwechselbetontes Wesen eine Zwienatur – da kommt der medizinische Aspekt zum Tragen:

  • Den körperlich-stoffwechselbetonten Aspekt nennen wir das unbewusste Körperleben.

  • Den erkenntnisgestützten Aspekt nennen wir Geistesleben oder Gedankenleben, das bewusste Körperleben.

Es gehört zu den wichtigsten Forschungsergebnissen Rudolf Steiners, den Zusammenhang zwischen dem unbewussten Stoffwechsel, zu dem auch die Fähigkeit zur Regeneration gehört, und der bewussten Gedankentätigkeit entdeckt und beschrieben zu haben.

  • Wenn der Mensch verdaut, nimmt er die Stoffe ganz in sich hinein, absorbiert sie und verwandelt sie in sich selbst.

  • Wenn der Mensch nachdenkt, ist er nicht bei sich, sondern „ganz bei der Sache“, wie wir so schön sagen. Er konzentriert sich und wird von dem Thema, das zu durchdenken, völlig absorbiert. Wenn ich „zwei plus zwei ist vier“ denke, bin ich in meinem Bewusstsein bei den Zahlen und nicht bei mir und meinen persönlichen Angelegenheiten.

Denken versus Verdauung

Gedankenarbeit und Erkenntnisarbeit verlaufen also polar zur Verdauungstätigkeit (vgl. Doppelnatur des Ätherischen: Denktätigkeit und Lebenstätigkeit im Kontext von Krankheit und Gesundheit): Im Verdauen wird die Welt Mensch, beim Erkennen wird der Mensch Welt. Je mehr ich bei der Sache bin, je mehr ich mein Denken zur Berührungsfläche werden lasse mit der Welt, umso stärker werde ich im Geistigen, desto mehr komme ich von mir los – dank der wunderbaren ätherischen Regenbogenbrückenkräfte. Dann bin ich gesund.

Wenn bestimmte Ziele jedoch nicht angestrebt und deshalb auch nicht erreicht werden, wenn es so ist, wie es in der Apokalypse heißt, dass die Menschen sich nicht ändern, dass sie in ihrer Entwicklung stehen bleiben, dass sie nichts tun und nicht vom Fleck kommen, wenn es irgendwann solche Formen annimmt, wie es symbolisiert wird durch „die Hure Babylon“, dass alle Güter der Welt im Dienst des Egos stehen, dann werden alle möglichen Leiden und Schmerzen die Folge sein.

Wir sind der alten Gesetzmäßigkeit, die uns ausführlich erklärt wird im Buch der Apokalypse, noch nicht zur Gänze entwachsen. Diese Gesetze bilden immer noch den Grundstock unserer Natur. Es wird auch deutlich gemacht, dass jeder selbst den Schlüssel in der Hand hat, um dem entgegen zu wirken.

Vgl. Zusammenstellung von Vorträgen über „Die sieben Siegel der Apokalypse“, 2007