Michaelsschule und Schule des Christus

Was sind die Aufgaben der Michaelschule?

Und was ist Ziel der Schule des Christus?

Inwiefern ist Raphael mit ihr verbunden?

Ringen um Selbstlosigkeit zwischen Macht und Zwang

In „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“ sagt Rudolf Steiner am Ende des 1. Kapitels: „Wie man den gesunden Menschen nur durchschauen kann, wenn man erkennt, wie sich die höheren Glieder der Menschenwesenheit des Erdenstoffes bemächtigen, um ihn in ihren Dienst zu zwingen. Und wenn man auch erkennt, wie der Erdenstoff sich wandelt, indem er in dem Bereich der Wirksamkeit der höheren Glieder der Menschennatur tritt, so kann man auch den kranken Menschen nur verstehen, wenn man einsieht, in welche Lage der gesamte Organismus oder ein Organ oder eine Organreihe kommen, wenn die Wirkungsweise der höheren Glieder in Unregelmäßigkeit verfällt.“1

Ich habe die drei Worte bemächtigen, zwingen und wandeln hervorgehoben. Sie zeigen den michaelischen Kampf der Überwindung von Macht und Zwang in der menschlichen Natur, die der Freiheit entgegenstehen, und das christlich-raphaelsche Ringen um Selbstlosigkeit zwischen Macht und Zwang.

  • Michaelische Schule der Selbstüberwindung

Michael bekämpft aktiv das zweifache Böse, das ahrimanische Machtprinzip und die luziferischen Zwangsgewalten, den „zweiköpfigen Drachen“. Er will den Menschen Wege weisen, wie er Macht und Zwang überwinden kann in der menschlichen Natur. Rudolf Steiner nennt das Goetheanum ja die Michaelschule (vgl. Anthroposophie: Aufgabe der Anthroposophischen Gesellschaft), in der wir aus freier Einsicht bestmöglich lernen sollen, wie das Geistige und das Materielle miteinander zusammenhängen (vgl. Geist und geistiges Wesen: Geisterkenntnis und Freiheit) – michaelische Kultur im Sinne einer menschlichen Kultur, die wir üben sollen und so erlernen dürfen.

  • Christlich-raphaelische Schule der Selbstlosigkeit

Rudolf Steiner hat aber auch von einer zweiten unsichtbaren Schule gesprochen: von der Schule des Christus, die Schule reinster Selbstlosigkeit.2 Die Botschaft des Christus ist Wandlung aus Freiheit durch die selbstbestimmte Möglichkeit zur Gestaltung der eigenen Entwicklung wie auch des Weltgeschehens (vgl. Bewusstsein(sseelenzeitalter: Entwicklung von Selbst- und Weltbewusstsein) – das entspricht auch der raphaelischen Gesinnung, die uns im Grunde helfen will, das Prinzip der Selbstlosigkeit (vgl. Sinne(spflege): Ringen des Ich um Selbstlosigkeit), das der ätherischen Welt eigen ist, zu verstehen:

  • wie die Substanzen sich wandeln, wie Schicksal sich wandelt, wie Menschen sich verwandeln,

  • aber auch, dass das michaelische und das raphaelische Prinzip sich gegenseitig unterstützen können.

Wenn man dieses erste Kapitel in „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“3 liest, hat man einen Schulungsweg vorliegen, über den man sich rein medizinisch anhand von Substanzbetrachtungen und Gedankenüberlegungen ganz exakt in die Welt der Selbstlosigkeit einarbeiten kann (vgl. Erzengel Raphael: Raphael als Substanzverwandler). Rudolf Steiner bezeichnete die Medizin im Jungmedizinerkurs4 als Schule der Selbstlosigkeit. Das ist unsere Schule! Das Schöne ist, dass es auch Freude macht, sich dort weiterzubilden und dass diese Schule nicht neben dem Leben herläuft, sondern voll ins Leben integriert ist.

Vgl. Vortrag „Vom Zusammenwirken der Erzengel Michael und Raphael“ an der JK 2016

  1. Rudolf Steiner und Ita Wegman, Grundlegendes zu einer Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, GA 27, Dornach 2007.
  2. Rudolf Steiner, Die Vier Christus-Opfer. Die drei Vorstufen des Mysteriums von Golgatha, gehalten in Basel, 1. Juni 1914.
  3. siehe FN 1
  4. Rudolf Steiner, Jungmedizinerkurs, GA 316.