Die Sixtinische Madonna als Leitbild der kindlichen Entwicklung

Gibt es Leitbilder der kindlichen Entwicklung, die uns helfen können, bestimmte Fragen aus der Praxis leichter zu beantworten?

Die Sixtinische Madonna erscheint mir ein grundlegendes Leitbild der kindlichen Entwicklung zu sein. Sie ist eine Art Ur-Madonna, wie nur Raffael sie malen konnte, von dem der deutsche Maler Dürer sagte, er habe in seinen Madonnenbildern „den Himmel auf die Erde gebracht“.

Dass sie weißhäutig ist, bedeutet nicht, dass sie nicht ebenso Urbild für farbige oder schwarze Menschen sein kann. Ich empfehle immer, dass man in farbigen Kindergärten eine farbige Madonna und daneben diese besondere Madonna von Raffael aufhängt, damit nicht das Missverständnis aufkommt, die weiße Madonna wäre „normaler” als die schwarze.

Die geistige Bedeutung der Farben

Weiß als Farbe drückt im geisteswissenschaftlichen Sinn „Gottesnähe” aus, schwarz hingegen ist Bild für das entkörperte, rein geistige Dasein in der geistigen Welt. Weiß bedeutet Gottesnähe auf Erden, Schwarz ist die esoterische Farbe des Todes, der Spiritualität. Weiß spricht vom Ideal der Reinigung der Seele auf Erden, Schwarz ist Sinnbild der Ewigkeit. Die menschlichen Hautfarben lassen sich zwischen diesen beiden Polen von inkarnierter und exkarnierter Geistigkeit einordnen.

Die Raffaelsche Madonna ist auch deshalb ein Archetyp im esoterischen Sinn, weil ihr Kind weder weiß noch schwarz ist, sondern in der Farbe des Inkarnats gemalt wurde, d.h. dem Weiß wurde etwas Schwarz und Rot beigemischt; in Schwarz und Rot wirkt die Spiritualität (der geistigen Welt) nach, gleichzeitig drückt sich aber im Weiß Erdzugewandtheit und Inkarnationswilligkeit aus. Das gilt auch für all die kleinen Kinderköpfchen ringsum. Dieses Madonnenbild ist esoterisch bedeutsam, weil unter spirituellen Aspekten jede Farbe und jede Form stimmt und das Kind so auf dem Arm der Mutter sitzt, dass es wie heraustritt aus dem Chor der ungeborenen, inkarnationswilligen Seelen. Das ist ein Umstand, der jedes kleine Kind als Aura umgibt: dass sich noch viele andere Kinder, viele andere Schicksale, im Umkreis befinden.

Ein Neugeborenes ist unendlich reich an Nachklängen aus der geistigen Welt (vgl. Die ersten drei Jahre: Gehen - Sprechen – Denken: Embryonale Leibwerdung und Bildebewegungen), an ätherischen Bindungen und hierarchischen Gedanken, aber auch an Karma und Schicksalsbeziehungen. Das wird wunderbar durch die Engel und die männliche Gestalt ausgedrückt, die sich außer der Madonna und dem Kind noch auf dem Bild befinden. Das ist der Archetyp der esoterisch-exoterischen Komposition des Inkarnationsaugenblickes.

Wenn wir mit diesem Bild vor Augen an die Arbeit in unseren Kindertagesstätten gehen, können wir daraus die richtige Haltung und Kraft schöpfen, um das Kind in guter Weise auf seinem Weg zur Erde zu führen. Denn von diesem Bild geht eine starke, im besten Sinne erzieherische, in die Senkrechte bringende, haltende Kraft aus.

Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, 2. Vortrag, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft**