Kleinkindpädagogik wie in der Familie

Was macht einen guten Waldorfkindergarten aus?

Ein gut geführter Waldorfkindergarten ist im Grunde nichts anderes als die Nachahmung einer kinderreichen Familie. So gesehen haben wir in den letzten Jahrzehnten die Kleinkindpädagogik zu Hause in der Familie entwickelt – das habe ich selbst in meiner Familie und mit den Kindern der Nachbarschaft erlebt. Wir lernten all die Sing- und Reigenspiele, die man sich heute in der Ausbildung zum Erzieher mühsam aneignen muss, von etwas älteren Kindern auf der Straße. Wir spielten stundenlang draußen und gingen singend in Ketten aufeinander zu. Die erste Reihe sang:

Vierzehn Engel fahren, fahren, fahren, Vierzehn Engel fahren, ditsche, datsche, dutsch...

Dann die zweite gegenüber aufgestellte Reihe, ebenfalls vor- und rückwärts gehend:

Wohin wollt ihr denn fahren, fahren, fahren? Wohin wollt ihr denn fahren, ditsche, datsche, dutsch?

Dann kamen wieder die ersten:

Zur Hochzeit woll'n wir fahren, fahren, fahren ...

Dann wieder die zweiten:

Wen wollet ihr denn heiraten, heiraten, heiraten? ... Die Sabine woll'n wir heiraten, heiraten, heiraten ... Die Sabine geben wir nicht her ... usw.

So ging das immer hin und her. Es waren die lustigsten Texte und Melodien, und natürlich hat keiner geprüft, ob das pentatonisch war. Meine Mutter gab uns nicht in den Kindergarten, hatten wir doch alles, was wir brauchten. Wir fühlten ihren Blick aus der Küche oder dem Wohnzimmerfenster – das war genug für den ganzen Vormittag. Aus dem Familienleben kamen dann die anderen kulturellen Einflüsse, die für Kinder wichtig sind: Märchen, Gedichte, Gebete, Lieder zu den Jahresfesten, Ausflüge, wundervolle Arbeitsabläufe und sich wiederholende Tätigkeiten (vgl. Lebensrhythmen: Pflege von Lebensrhythmen1 in der Kindheit).

Je individueller und optimaler Anthroposophie in die Lebenspraxis als Familienkultur umgesetzt wird, umso besser für Familie und Kindergarten bzw. Kinderkrippe.

Es wäre wunderbar, wenn wir eine Elternschule angliedern könnten, in der Mütter, die sich für das Muttersein als Beruf interessieren, die Möglichkeit haben, diesen Beruf zu erlernen (vgl. Muttersein: Muttersein als Beruf ), während Mütter, die sich für einen anderen Beruf entschieden haben, ihm guten Gewissens nachgehen können, weil sie ihr Kind zu uns in die Krippe bringen. Diesen Müttern sollen wir vermitteln, dass wir unsere Arbeit gerne machen. Was das Wochenende betrifft, sollten wir die Eltern bitten, einige der guten Ideen und Gewohnheiten beizubehalten, damit für das Kind eine gewisse Kontinuität und Geborgenheit auch an den Tagen erhalten bleibt, an denen es nicht in der Krippe ist (vgl. Selbstbewusstsein: Selbstbewusstsein durch Kontinuität und Wiederholung). Man vermittelt ihnen dann jeweils so viel, wie sie umsetzen können – nicht zu viel und nicht zu wenig und so taktvoll, aber auch so ehrlich wie möglich.

Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, 2. Vortrag, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft**