Menschliche Eurythmie und Kehlkopf

Was bedeutet ‚menschliche Eurythmie‘?

Im ersten Vortrag des Heileurythmiekurses1 finden wir nicht nur den Begriff der ‚hygienisch-therapeutischen Eurythmie', der ‚didaktisch-pädagogischen Eurythmie' und der ‚künstlerischen Eurythmie‘, sondern auch den Begriff der ‚menschlichen Eurythmie'. Diese ‚menschliche Eurythmie’ entwickelt Rudolf Steiner am Kehlkopf. Sie ist jenseits von Kunst, Pädagogik und Therapie beheimatet – sie ist noch etwas viel Ursprünglicheres, Allgemeineres: Das rein Menschliche eurythmisiert im Kehlkopf, dem umgewendeten Hinterhaupt mit der Gehörregion.

Im Vortrag „Geisteswissenschaftliche Gesichtspunkte zur Therapie"2, der dem Heileurythmiekurs vorgelagert ist, schildert Rudolf Steiner, warum die Kehlkopf- und Gehörregion so besonders ist: Es ist genau diese Region, in der der physische Leib am allermeisten er selbst ist. Der Mensch hat sich dort ein physisches Erdeninstrument geschaffen. Die zugehörige Gehörpartie ist wie eine Erinnerung an den Saturnzustand, als der ganze Mensch noch wie ein Ohr war und seinen eigenen Herzschlag hörte. Aus dieser Tätigkeit bildete sich dann das Wärmeorgan, das auf- und absteigt und pulsiert in den Wärmeformen des alten Saturn und heute physisch verdichtet und ganz ausgestaltet ist als Herz und Zentralorgan der Menschengestalt.

Die am stärksten ausgeprägte physische Form der Hinterhauptpartie findet sich nun in umgewendeter Weise im Kehldeckel wieder, an den sich Kiefer und Sprechwerkzeuge anschließen und die dort wunderbar eingebauten Stimmbänder, mitsamt den Stellknorpeln, diesen feinen, gliedmaßenähnlichen Gebilden. Alles, was wir in Worten artikulieren, wird dort in genau umgekehrter Form, nach rückwärts, aktiv ausgeführt.

Vokalismus des Kehlkopfs

Auch hier finden wir – neben dem konsonantischen Aspekt, der sich in den feinen Bewegungen der Stellknorpel und den Spannungszuständen unserer Stimmbänder offenbart – die Vokale wunderbar archetypisch eingezeichnet, quasi in das Herz dieses ‚zweiten Menschen' eingeschrieben:

  • das A in der Form des Kehldeckels,
  • das O in den schönen Ringknorpeln um die Trachea herum, unserer Luftröhre,
  • dann die Parallelität des U im gesamten Aufbau des Kehlkopfes und seiner Anhangsorgane,
  • aber auch physiologisch-anatomisch in den kreuz- bzw. E-förmigen Muskelzügen
  • und schliesslich das I im vertikal stehenden Kehlkopf selbst.

Im Kehlkopf finden wir alle Vokale anatomisch-physiologisch eingezeichnet. Daran können wir merken: In der Eurythmie wird nur sichtbar gemacht, was uns als Körpergeometrie ‚eingestaltet’ ist.

Vgl. Vortrag „Vom Wesen der Heileurythmie als Herzorgan der Anthroposophischen Medizin“, Dornach,
1. Weltkonferenz für Heileurythmie, 30. Mai 2008

  1. Rudolf Steiner, Heileurythmiekurs. GA 315.
  2. Rudolf Steiner, Geisteswissenschaft und Medizin. GA 312, 1. Vortrag.