Pflege des Ich-Sinnes durch Handlungen

Welche Bedeutung haben die kultischen Schulhandlungen für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen?

Was macht sie so einzigartig im Rahmen des Schulbetriebs?

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, warum wir uns seitens der Schulärzte schon seit vielen Jahren so warmherzig für die kultischen Schulhandlungen einsetzen und zudem seit Anfang der Neunzigerjahre regelmäßig hier in Dornach am Goetheanum im Rahmen der Schulärztetagungen an den im Holzhaus gehaltenen kultischen Handlungen teilnehmen: Wir wollen an den Schulen aus eigener Erfahrung darüber sprechen können (vgl. Religion: Die Bedeutung kultischen Geschehens).

Die Schulärzte organisieren seit 1959 im Gedenken an Eugen Kolisko regelmäßig gemeinsam mit Lehrern an verschiedenen Orten sogenannte Kolisko-Tagungen, um den Impuls der Zusammenarbeit zwischen Medizin und Pädagogik zu stärken. Die 2. Kolisko-Tagung war den Sinnen gewidmet. Damals hatte Heinz Zimmermann die Pädagogische Sektion neu übernommen. Wir fragten ihn, ob er nach Michael-Hall mitkäme, wo wir die Tagung abhalten wollten. Er sagte erfreulicherweise zu und hielt die Opferfeier für die gesamte Tagungsgemeinschaft.

Stimulation des Ich-Sinns

In der Vorbereitung hatten wir den 8. Vortrag der „Allgemeinen Menschenkunde“ 1 gelesen und uns überlegt, wie man den Ich-Sinn am besten stimulieren kann bei den Schülern. Rudolf Steiner behandelt dort alle 12 Sinne streng von oben nach unten (vgl. Sinne(spflege): Zwölf Sinnestätigkeiten – Sinnespflege) – anders als üblich beginnend mit dem Ich-Sinn – der Tastsinn wird unter „ferner liefen“ quasi noch mitbehandelt. Die Hauptausführungen macht er zu Ich-Sinn, Gedankensinn, Wortsinn und Hören (vgl. Sinne(spflege): Erkenntnisorientierte Sinne). Danach fasst er sich relativ kurz.

Das Ideal im Hinblick auf das Unterrichten an sich ist laut Rudolf Steiner, dass der Lehrer ganz selbstlos dem Weltengeiste dient und offenbart, was ihm der Geist eingibt. Das ist der Traum, den wir alle teilen, wenn wir uns ernsthaft darüber austauschen. Als wir das lasen, war uns klar, dass das nur über die kultischen Handlungen geht. Nur in den Handlungen ist der Lehrer kraft seiner Vorbereitung ganz und gar gestimmt, das wahre Höhere Selbst – soweit es irgend geht – mitsprechen und durchleuchten zu lassen. Das hängt mit den ganz besonderen Bedingungen der rituellen kultischen Handlungen zusammen, weil sich der Lehrer in der Vorbereitung ganz und gar darauf besinnt: „Ich will hier Diener des Wortes und des Geistes sein, ich will Helfer sein. Ich möchte mich möglichst auslöschen mit meinem niederen Ich, sodass das Höhere durch mich sprechen kann.“

Geisterkenntnis durchleuchten lassen

Insofern hat der Ich-Sinn eine echte Chance, den Kraftanschluss des Lehrers, den der Schüler aus dem Alltag kennt, zu erleben: Plötzlich erscheint der Lehrer ihm wie ein anderer, egal, ob am Sonntag oder in der freiwilligen Religionsstunde. Einer der Gründe, warum ich als Kind und Jugendliche sonntags immer so gerne in die Handlungen ging, war, dass da die Lehrer so freundlich waren. Ich war als Lehrerkind nicht immer so nett, denn ich hatte manchmal Stress mit dieser Rolle und provozierte oft (unnötigerweise), um nicht zu brav zu erscheinen. Ich hatte es also mit dem einen oder anderen Lehrer schwer. Doch am Sonntag begrüßten unsere Lehrer uns so freundlich, als wären wir immer lieb und nett gewesen. Ich fand diese Harmonie, diese Freundlichkeit, das Besondere zwischen der Herzlichkeit, Freudigkeit und Freundlichkeit beim Begrüßen und Verabschieden und dem Ernst am Altar, so schön. Man merkte, die Person mit ihren Vorlieben und Stimmungen war vollkommen unwichtig geworden, weil der Ernst der Geisterkenntnis durchleuchtete.

Wir Schulärzte interessierten uns zunehmend für die kultischen Handlungen, weil uns war klar, dass der Ich-Sinn der Schüler durch das Bemühen der Lehrer, Anschluss an das Höhere Ich, das Christus-Ich, zu finden, genährt wird. Dieses Bemühen, diese Suche, stellt die Kinder aller Altersstufen vollkommen zufrieden. ).

Vgl. Vortrag „Die salutogenetische Wirkung von Kinderhandlung, Jugendfeier und Opferfeier“, für Religionslehrer 2012

  1. Rudolf Steiner, Allgemeine Menschenkunde, GA 293.