Kraftquelle Rhythmus für Erwachsene

Was können wir als Erwachsene tun, um uns im Alltag Kraftquellen zu erschließen?

Welche Bedeutung hat die Pflege innerer Rhythmen?

Pflege innerer Rhythmen durch Meditation

Der Erwachsene bezieht seine Kraft und Sicherheit im Leben aus der geistigen Orientierung und seinem seelischen Engagement und immer weniger aus den körperlichen Kraftreserven und der helfenden äußeren Stärke. Daher ist beim Erwachsenen – anders als bei Kindern, bei denen die Pflege der äußeren Lebensrhythmen, wie Essens- und Schlafenszeiten, eine zentrale Rolle spielt – die Pflege innerer Rhythmen von entscheidender Bedeutung.

Das Mindeste, was man in dieser Hinsicht tun kann, ist, sich jeden Tag fünf Minuten „aus dem Verkehr“, aus der Arbeit und dem normalen Trott herauszuziehen (vgl. Meditation auf anthroposophischer Grundlage: Die fünf Minuten-Meditation). In diesen fünf Minuten kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes erholen, d.h. wieder hereinholen, indem man sich für einen Augenblick ganz und gar mit Gedanken und Gefühlen identifiziert, die einem im Leben wichtig oder sogar als „das Wesentlichste" erscheinen. Hat man einen Text, so kann man ihn zunächst lesen, nach einigen Tagen kennt man ihn vielleicht auswendig, pflegt ihn noch eine Weile, und wenn man ihn verinnerlicht hat, nimmt man sich etwas anderes vor. Rudolf Steiner hat viele Meditationsübungen gegeben wie den folgenden:

In den reinen Strahlen des Lichtes
Erglänzt die Gottheit der Welt.
In der reinen Liebe zu allen Wesen
Erstrahlt die Göttlichkeit meiner Seele.
Ich ruhe in der Gottheit der Welt.
Ich werde mich selbst finden in der Gottheit der Welt. 1

Wenn man Worte und Gedanken wie diese mitdenkt und die Ruhe und Kraft, die sie anregen, in der Seele entstehen und wirken lässt, geht man danach erfrischt und gestärkt wieder an die Arbeit. Wer in seinem Tagesablauf überhaupt keine Zeit erübrigen kann, sollte sich zumindest diese fünf Minuten nehmen. Aber auch hier gilt „einmal ist kein Mal". Es muss regelmäßig zu einer bestimmten Zeit geschehen, um wirksame Veränderungen hervorrufen zu können.

Aller guten Dinge sind drei

Schafft man es, diese fünf Minuten dreimal am Tag einzurichten, hat das eine enorm zentrierende und stabilisierende Wirkung.

Man kann z.B. morgens nach dem Aufstehen die ersten fünf Minuten damit verbringen, sich einen wesentlichen Gedanken zu vergegenwärtigen, ein Morgengebet oder einen Spruch, und anschließend kurz auf den Tag zu blicken, der vor einem liegt. Hat man etwas mehr Zeit zur Verfügung, ist ein Morgenspaziergang zu empfehlen. Manchen Menschen fällt es sogar leichter, im Gehen nachzudenken. So kann der Morgenbesinnung auch noch eine Naturbeobachtung folgen. Im Übrigen tut der Spaziergang allen Organen gut. Dabei muss es sich gerade nicht um Jogging handeln – rhythmisch-beschwingtes lockeres Gehen, das nicht unbedingt schnell sein muss, ist viel effizienter: Je entspannter und ruhiger der Gang, je lockerer und beweglicher Kopf, Arme, Rumpf und Beine sich um die vertikale Achse leicht drehend und schwingend mitbewegen, umso besser wird der ganze Organismus durchatmet, werden die verschiedenen Organfunktionen in ihrem Zusammenwirken angeregt. Durch das Mit- und Durchbewegt-Werden beim Gehen, vertieft sich die Atmung und die periphere Durchblutung wird angeregt – was sich positiv auf alle Lebensfunktionen, besonders auch auf das Immunsystem, auswirkt.

Die zweiten „fünf Minuten" können dann in der Tagesmitte als Auszeit genommen werden.

Abends bietet sich wieder ein kleiner Rundgang an, bei dem man die Eindrücke des Tages vom momentanen Abendmoment rückwärts bis zum Morgen durchläuft und kurz rekapituliert, wie der morgendliche Vorblick auf den Tag sich zum real durchlebten Tag verhält. Rudolf Steiner empfiehlt, diesen Rückblick möglichst distanziert zu machen, als stünde man sich wie ein fremder Beobachter gegenüber.2 Hat man sich am Tag über etwas sehr geärgert und kommt nun in der Rückschau wieder an diesen Punkt, besteht die Gefahr, dass man sich sofort wieder ärgert. Bleibt man aber auf Distanz, lernt man ein anderes Mal auch im Leben „distanzierter" und selbstbewusster zu reagieren. Hinzu kommt, dass Emotionen den Menschen am Schlafen hindern. Denken und Meditieren hingegen sind gute „Schlafmittel“.

Die Kraft der Selbstbestimmung erfahren

Durch eine Gliederung des Tages erfährt man die Kraft der Selbstbestimmung, die Möglichkeit, dem Tag einen Anfang und ein Ende zu geben, Ja und Nein zu sagen. Viele Menschen sind heute, ohne es selbst zu merken, fremdbestimmt. Sie haben die Verantwortung für sich abgegeben und funktionieren nur noch so, wie die Umgebung es von ihnen erwartet. Das letzte, was von ihrem Ich übrig ist, ist die Freude an der Anerkennung der anderen. Das führt auf Dauer in die totale Erschöpfung.

Eine der wichtigsten ersten Übungen, die Steiner in dem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?"3 gegeben hat, heißt: „Schaffe Dir Augenblicke innerer Ruhe und lerne in diesen Augenblicken das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden".

Dabei ist es eine große Hilfe, wenn man sich mit einer solchen Wortmeditation überhaupt erst in eine Verfassung bringt, in der einem das Wesentliche wieder zugänglich ist. In der dann einkehrenden Ruhe kann man sich überlegen, was einem bis zum Abend oder Morgen oder in einem größeren Bogen wirklich wichtig ist. Das herauszufinden, setzt wieder Kräfte frei, denn im Alltag wirkt alles meist gleich wichtig und das führt zu Zerreißproben, in denen man nicht mehr ordnen, strukturieren und gewichten kann – mit dem Ergebnis, dass man förmlich hin und her zappelt.

Entsprechend kann man auch Übungen für die Pflege von Wochen- und Monatsrhythmus vornehmen und so an der Stabilisierung seines rhythmischen Systems arbeiten (vgl. Lebensrhythmen: Innere Pflege von Wochen-, Monats- und Jahresrhythmus).

Vgl. „Kraftquelle Rhythmus“, gesundheit aktiv, 2. Auflage, Bad Liebenzell 2008

  1. Rudolf Steiner, Seelenübungen, GA 267.
  2. Rudolf Steiner, Anweisungen für eine esoterische Schulung, 1. Aufl. GA 245, Dornach 1979, S. 26 ff.
  3. Vgl. Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, GA 10.