Pflege des Tagesrhythmus

Welche Bedeutung hat die Pflege des Tagesrhythmus für den Menschen?

Was kann dem kleinen Kind beim Ausbilden eines kräftigen rhythmischen Systems helfen?

Rhythmen müssen erlernt werden

Was sich beim Erwachsenen durch den Zeitgeber Sonne im 24-Stunden-Rhythmus synchronisiert hat und in schöner Regelmäßigkeit vollzieht – z.B. die Schwankungen seiner Temperaturkurve (morgens 0,50 weniger als abends), des Blutzuckerspiegels, der verschiedenen Hormone und Blutsalze und anderer Stoffwechselvorgänge – ist beim Neugeborenen noch nicht synchronisiert und rhythmisiert. Der Aufbau typischer Maxima und Minima im Wechsel von Tag und Nacht muss erst erlernt werden.

Die Art und Weise, wie dieses noch so offene und lernbereite „rhythmische System” des Säuglings durch die vielen kleinen Handlungen im Zusammenhang mit dem Essen, Pflegen, Spielen und Schlafen geprägt wird, bestimmt seinen Aufbau, seine Elastizität und seine Anpassungsbereitschaft für das ganze spätere Leben. Denn alle Organe, insbesondere die großen Stoffwechsel und Verdauungsorgane, müssen lernen, sich in ihren Funktionen aufeinander abzustimmen. Sie müssen die optimale Zusammenarbeit erst durch einen möglichst regelmäßigen Wechsel von Essenszeiten und Essenspausen, von Aktivität und Schlaf, erlernen.

Tagesablauf als Rhythmuspflege

Für die Ausbildung des 24StundenRhythmus ist es aus diesem Grunde hilfreich, wenn das Aufnehmen des Kindes am Morgen und das Zu-Bett-Bringen am Abend – möglichst zu ähnlichen Zeiten – einem bestimmten Ablauf folgen. Morgens kann ein Morgenlied gesungen und / oder gemeinsam aus dem Fenster geschaut werden, wohingegen am Abend schon von Anfang an eine Kerze angezündet, einige Töne gesungen und eventuell auf einer einfachen Kinderharfe oder Leier – möglichst in pentatonischer Stimmung1 – begleitet werden können, um dann das Gute-Nacht-Sagen mit einem kurzen Abendgebet abzuschließen.

Je klarer sich im Laufe von Wochen und Monaten eine bestimmte Tagesgestalt herausbildet – morgens in der Wohnung und bei der Hausarbeit dabei sein, nachmittags draußen im Tragetuch getragen oder im Kinderwagen gefahren werden – umso deutlicher erlebt das Kind den Tageslauf und den Unterschied von Tag und Nacht mit und kann mit seinem ganzen Organismus darauf reagieren.

Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, Ergänzungen, Persephone, Kongressband Nr. 2, Verlag am Goetheanum, Dornach

  1. Unter Pentatonik versteht man fünfstufige Tonleitern ohne Halbtöne, z. B. die Reihe d-e-g-a-h. Die Melodien haben einen leichten, offenen Charakter und können auf jedem Ton enden. In der Waldorfschul- und Heilpädagogik sind vor allem Flöten und Leiern bzw. Kinderharfen in Gebrauch.