Beziehung und Machtausübung

Was ist Macht ihrem Wesen nach?

Wie kann ein menschenfreundlicher Umgang mit Macht gelernt werden?

Macht als naturgegebene Veranlagung des Menschen

Beziehungen stehen im Zentrum jedes Menschenlebens (vgl. Begabung und Behinderung: Wer spielt das Klavier der Gene?). Sie bereichern das Leben und sind die Grundlage für beglückende Formen der Zusammenarbeit. Sie können aber auch das Gegenteil bewirken, können Lähmung verursachen, Verwirrung stiften oder Hass und Kälte ausstrahlen. Probleme und Konflikte im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen können das Leben der Betroffenen so sehr belasten, dass das zu Krankheit und Tod führen kann.

Dabei spielt die Macht, die wir übereinander haben, gegen- oder füreinander ausüben, eine zentrale Rolle. Entsprechend sind Macht- und Führungsfragen Dauerthemen im privaten und beruflichen Leben der meisten Menschen der Gegenwart.

Die Fähigkeit, etwas zu tun und damit in irgendeiner Form Macht auszuüben, ist eine naturgegebene Veranlagung des Menschen, wie auch die Möglichkeit zur Sinneswahrnehmung, zum Mitempfinden, zur Gedankenbildung und zur Ideenentwicklung. Stärke, Schönheit und Weisheit nannte man diese menschlichen Grundveranlagungen in den alten Kulturen.1 Wo immer der Mensch etwas unternimmt, verändert er die Welt und greift damit in Lebensbedingungen und Handlungsabläufe anderer Menschen ein. Er kann gar nicht handeln, ohne zu verändern, zu beeinflussen, d.h. ohne „Macht“ auszuüben. Die Frage ist nur, wie weisheitsvoll, schön bzw. konstruktiv seine Handlungen erlebt werden.

Schlüssel im Umgang mit Macht

Menschliche Beziehungen leben im Spannungsfeld von persönlichen Erwartungen und Ansprüchen und von sozialer Rücksichtnahme und der durch Leben und Arbeit geforderten Sachkompetenz. Der Umgang mit der Macht fordert demnach die Ausbildung von Fähigkeiten auf drei Gebieten:

  • Selbsterkenntnis und Selbsterziehung, d.h Machtausübung über sich selbst in Form der Selbstbeherrschung.

  • Soziale Rücksichtnahme im Umgang mit den Bedürfnissen und Intentionen der Mitmenschen.

  • Berufliche Qualifikation im Hinblick auf eine sachbezogene Lebensaufgabe, Hingabe an die „Macht einer Aufgabe“, der man sich widmen möchte.

Jeder Mensch besitzt je nach Willensvermögen und Motivationen besondere Möglichkeiten zu handeln und damit auch Macht über Vorgänge, Situationen und andere Menschen auszuüben. Andererseits sind es gerade eben diese Vorgänge, Situationen und Menschen, die ihn zu Handlungen motivieren können.

Schon in der Antike wusste man, dass ein Herrscher nur regieren kann, wenn Menschen da sind, die sich beherrschen lassen. Dasselbe gilt für jede noch so kleine Handlung:

  • Wären keine Gründe zu agieren gegeben, würde keine Handlung stattfinden.

  • Und umgekehrt: Würden die Gründe vom Handelnden nicht wahrgenommen bzw. nicht für richtig befunden, würde es ebenfalls zu keiner Handlung kommen.

Die Macht des Einzelnen

Eben dieser Tatbestand macht den bewussten Umgang mit Macht so komplex und schwierig, aber auch so anregend im Hinblick auf Selbsterkenntnis und Weltverständnis. Die Gründe zur Machtausübung

  • liegen zum einen in der Persönlichkeit, die sich zu einer Handlung entschließt.

  • Zum anderen liegen sie in den Menschen, deren Verhalten oder deren Bedürfnisse Anlass für das eigene Handeln geben.

Von ihnen hängt ab, wie sie mit den Aktionen der Mächtigen umgehen, wie sie sich dazu stellen, was sie daraus für sich machen. Sie entscheiden letztendlich darüber, ob sie in einer Situation äußerer Abhängigkeit auch innerlich unfrei werden, sodass sie tatsächlich beherrscht werden. Denn selbst wenn an äußeren Machtverhältnissen und Verhaltensweisen von „Mächtigen“ nichts zu ändern ist, kann man doch an der Art und Weise etwas ändern, wie man als Einzelner diesen Verhältnissen innerlich begegnet (vgl. Macht: „Die letzte Freiheit des Menschen“ und die Macht-/Ohnmacht-Frage).

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 1. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997

  1. Man denke in diesem Zusammenhang an die Leistungen der alten Griechen auf den Gebieten der Philosophie (Weisheit), der Plastik (Schönheit) und an die Wettkämpfe im Rahmen der Olympischen Spiele (Stärke).