Der physische Leib als Quelle von Mut

Worauf gründet Mut im Physischen?

Physische Voraussetzungen von Mut

  • Abgeschlossenheit

Die in sich abgeschlossene Gestalt unseres Körpers gibt uns die Möglichkeit des Individuell-Seins und vermittelt ein Gefühl der inneren Geschlossenheit. Wir verschwimmen nicht mit der Umgebung, sondern sind klar von ihr abgegrenzt, bekleidet und geschützt. Unser Selbstbewusstsein gründet sich auf diesen physischen Leib – auf das Bewusstsein, ein individueller Mensch zu sein. Wo ich stehe, kann im selben Moment kein anderer stehen – entweder du oder ich. Dieses Erleben liegt auch dem Egoismus zugrunde.

Die Qualität der Abgeschlossenheit kann aber auch das Gefühl des Eingeschlossenseins, des Gefangenseins im Körper, hervorrufen – z.B. bei Krankheiten, die mit Schmerzen oder sonstigem Unwohlsein einhergehen, oder aber in Situationen, in denen man überwältigt wird und sich nicht wehren kann. Mit der Verletzlichkeit des physischen Leibes ist das elementare Gefühl von Enge und Angst verbunden.

  • Erleben von Kraft

Es gibt noch eine weitere Qualität des Physischen, die für das Entwickeln von Mut entscheidend ist: das Krafterleben. Der gesunde Leib kann Kraft entfalten. Diese Kraft erwächst uns aus der Ernährung, der Stoffumwandlung, der Atmung und bildet die Grundlage für Mut.

Es hängt stark von der Erziehung ab, ob und wie dieses Krafterleben am physischen Leib im Laufe der Kindheit gefördert und gepflegt wird. Eine große Rolle spielt dabei die Sinnespflege (vgl. Sinne(spflege): Zwölf Sinnestätigkeiten - Sinnespflege): Es ist wesentlich und äußerst wichtig, dass Kinder ungehindert ihrem Bewegungs-, Erfahrungs- und körperlichen Betätigungsdrang nachgehen dürfen.

Erziehung zu Mut bedeutet z.B. auch, dass Kinder erleben, dass ihre Eltern keine Angst haben, wenn sie einen Abhang „hinunterrasen“, dass sie nicht dauernd ermahnt werden, doch bitte aufzupassen. Welch ein Triumph, wenn ein an sich ängstlicher Junge eines Tages doch den Mut aufbringt, eine große alte Tanne zu besteigen, die fast doppelt so hoch ist wie das Haus, in dem er wohnt, und den erstaunten Eltern zuzurufen, dass er oben ist. Seinen Mut zu bestätigen durch Lob und nicht zu ersticken in einem Schwall von – „Hast du mir aber eine Angst eingejagt, weißt du denn nicht, dass die Äste auch brechen können. Das darfst du auf keinen Fall noch einmal machen!“ – etc., etc., ist entscheidend. Ausreichende Bewegung, gesunde Ernährung und vertrauensvolle Eltern sind die wichtigsten Bedingungen, dass Kinder im Physischen Mut entwickeln.

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 5. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997