Lebensqualität und Muttersein

Was ist Ausschlag gebend für die Lebensqualität von Müttern?

Welchen Beitrag können Betreuungseinrichtungen dabei leisten?

Die eigene Rolle als Mutter finden

In der Kindersprechstunde habe ich oft mit Müttern zu tun gehabt, die hochidealistisch waren und eigentlich „alles richtig machen” wollten, jedoch mit ihrem Schicksal, ein Kind zu haben, nicht wirklich fertig wurden (vgl. Muttersein: Den Mutterberuf bejahen lernen). Sie wurden von Gewissenskonflikten und Schuldgefühlen bis hin zu Depressionen geplagt, weil sie für sich selbst eine andere Lebens- und Arbeitsperspektive wünschten. Sie hatten sich schon einmal ein Kind gewünscht – aber nicht gerade jetzt!

Es kann aber auch vorkommen, dass eine Mutter sieht, wie wir mit ihrem Kind in der Kinderkrippe arbeiten (vgl. Erziehung: Tieferer Sinn der Krippenarbeit) und wie sinngebend und befriedigend das ist. Möglicherweise wird sie eines Tages zur Krippenleitung sagen: „Ich habe bei euch gelernt, wie schön das Muttersein ist; ich nehme jetzt meinen Kleinen nach Hause und sorge ab morgen selber für ihn.“ Über solch eine Wendung sollten wir uns mit ihr freuen.

Es kann sogar sein, dass die „Supermutter“ von nebenan, die immer hochmütig auf die anderen Mütter heruntergeschaut hat, die ihre Kinder in die Krippe brachten, eines Tages selbst mit ihrem Kind kommt mit der Bitte, es aufzunehmen, weil sie inzwischen erkannt hat, dass es auch ein Akt der Selbstlosigkeit sein kann, das eigene Kind in professionelle Hände zu geben, wenn man für sein eigenes Leben eine andere berufliche Orientierung sucht. Auch in diesem Fall sollten wir uns freuen und uns bemühen, das Kind so zu betreuen, wie es den Vorstellungen dieser Mutter am besten entspricht.

Hauptsache zufrieden und ausgeglichen

Hier zeigt sich ein wunderbarer Zug der Anthroposophie: Man kann aus der Anthroposophie heraus auf der einen Seite sagen, dass es für das Kind ideal wäre, wenn es in den ersten drei Jahren zu Hause bei der Mutter bleiben könnte, weil es sich da am wohlsten fühlt. Genauso kann man auf der anderen Seite auch diesen verzweifelten Müttern tiefen Trost spenden und vermitteln, dass es für das Kind wichtiger ist, am Morgen und am Abend, an den Wochenenden und in den Ferien eine zufriedene, glückliche, engagierte, wenn auch vielleicht etwas gestresste Mutter zu haben, als den ganzen Tag eine mit sich und ihrem Schicksal hadernde, letztlich unzufriedene, alles perfekt machen wollende Hausfrau. Denn wenn zu Hause kein frohes, liebevolles, lebensbejahendes Klima herrscht, in dem das Kind oft angelächelt wird, dann ist es viel besser, dass es in eine Kinderkrippe geht, wo es motiviert und professionell versorgt wird.

Je individueller und optimaler Anthroposophie in die Lebenspraxis, z.B. in Form von Familienkultur, umgesetzt wird, umso besser für Familie und Kinderkrippe. Es wäre wunderbar, wenn wir an die Krippen Elternschulen angliedern könnten, in denen Mütter, die sich für das Muttersein als Beruf interessieren, die Möglichkeit haben, diesen Beruf zu erlernen, während Mütter, die sich für einen anderen Beruf entschieden haben, ihm guten Gewissens nachgehen können, weil sie ihr Kind in eine gut geführte Krippe bringen. Diesen Müttern sollen wir vermitteln, dass wir diese Arbeit gerne machen. Was das Wochenende betrifft, sollten wir sie bitten, einige der guten Ideen und Gewohnheiten beizubehalten, damit für das Kind eine gewisse Kontinuität und Geborgenheit auch an den Tagen erhalten bleibt, an denen es nicht in der Krippe ist (vgl. Selbstbewusstsein: Selbstbewusstsein durch Kontinuität und Wiederholung). Man sagt den Müttern dann jeweils so viel, wie sie umsetzen können – nicht zu viel und nicht zu wenig und so taktvoll, aber auch so ehrlich wie möglich.

Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, 2. Vortrag, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft