Auf dem Weg zu einer neuen Mysterienkultur

Wie kam es zu einer neuen Mysterienkultur rund um Rudolf Steiner?

Wer bzw. was gab den Ausschlag dazu?

Pionierinnen einer neuen Mysterienkultur

Da wir mit unseren Ansätzen zur Verwirklichung einer neuen Mysterienkultur immer wieder am Anfang stehen und sowohl individuell als auch sozial noch viel Mühe haben zu verstehen, worum es dabei geht, brauchen wir Orientierung. So ist es hilfreich, zu studieren, welche Persönlichkeiten diese Impulse bereits verstanden, aufgegriffen und soweit wie möglich, verwirklicht haben. Neben Rudolf Steiner waren die ersten Persönlichkeiten dieser Art seine engsten Mitarbeiterinnen Marie Steiner, Edith Maryon und Ita Wegman.

Marie Steiner stellte bereits am Anfang des Jahrhunderts die Frage nach dem spezifischen christlich-esoterischen Schulungsweg des Abendlandes. So wurde sie zur Mitbegründerin und Pflegerin der gesamten anthroposophischen Arbeit als dem Fundament eines christlichen Mysterienwesens.

Edith Maryon hatte in herausragender Weise Haltung und Charakter einer Schülerin und Mitarbeiterin dieses Mysterienwesens auf dem Gebiet der bildenden Kunst und in sozialer Hinsicht.

Ita Wegman hingegen stellte ganz konkret die Frage nach der Erneuerung der Mysterien für die Medizin (vgl. Mysterien und Initiation: Frage nach einer erneuerten Mysterienmedizin). Das war das entscheidende Moment, das Rudolf Steiner veranlasste, an Weihnachten 1923/24 die Neubegründung der Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft als öffentliche esoterische, d.h. als Mysterien-Schule, vorzunehmen. Wegman empfand, dass das neue Mysterium das Mysterium der individuellen Tat ist und sah klar, dass eine menschenwürdige Medizin nur auf solchem Mysterienboden entwickelt werden kann.

Wie kann ich die Zukunft gestalten?

Zu den Medizinstudenten hatte Ita Wegman 1932 auf deren Frage: Was kann uns die Zukunft noch geben? geantwortet: „Man kann die Frage auch anders stellen, man kann fragen: Wie kann ich die Zukunft gestalten?“

Mit diesem Wort, dass wir nicht fragen sollen, was die Zukunft uns noch geben wird, sondern vielmehr, wie wir die Zukunft gestalten können, zeigte sich Ita Wegman als vollbewusst im Willensstrom des durch das Christentum erneuerten Mysterienwesens weiterwirkend, auch nach Rudolf Steiners Tod. Sie steht vor uns als ein Mensch, der in sich die Umwendung vom alten zum neuen Mysterienwesen aus tiefer innerer Einsicht vollzogen hat und dann in ihrem weiteren Leben demgemäß leben und handeln konnte (vgl. Anthroposophische Medizin: Ita Wegmann und die Entwicklung der Anthroposophischen Medizin).

Es kann heute nicht primär die Aufgabe sein, immer noch nach mehr und nach „neuem Wissen“ zu verlangen, obwohl es willkommen ist, wenn durch Fleiß und genaue Untersuchungen neues Wissen zu Tage tritt. Was vielmehr gebraucht wird, Kultur werden muss und im Sinne der neuen Mysterien nottut, ist, dass man dasjenige, was man weiß, auch tut. „Weiß“ doch die gegenwärtige Menschheit bereits viel mehr, als sie pflegen und umsetzen kann.

Die große Aufgabe besteht darin, nur ein Weniges von dem, was an Einsicht und Wissen in Bezug auf die Welt- und Lebensverhältnisse bereits vorliegt, tatsächlich zu verwirklichen und fruchtbar zu machen für die weitere Entwicklung von Mensch und Erde (vgl. Religion: Religion und Wille). Im Tun, im Verwirklichen der Weisheit, die individuell erkannt und herzlich gefühlt wird und dann in liebevolles Tun übergeht, liegt das Wesen dieser neuen Mysterien. Entsprechend führt Rudolf Steiner das auch in seinen Vorträgen zur Apokalypse des Johannes für unsere Epoche aus.

Vgl. „Raphael und die Mysterien von Krankheit und Heilung“, Medizinische Sektion am Goetheanum 2015