Überwindung der Trennung von Kunst, Wissenschaft und Religion

Wie kann die Trennung von Kunst, Wissenschaft und Religion wieder aufgehoben werden?

Warum ist diese Entwicklung überhaupt nötig?

Notwendige Neuverbindung

Heute stehen wir an einer Schwelle und erleben deutlich, dass diese Trennung wieder überwunden werden muss. Rudolf Steiner stellte sich in Anknüpfung an Goethe und den Deutschen Idealismus die Aufgabe, für die „gottlos" gewordene Wissenschaft einen Erkenntnisweg zu finden, der ihr Denken wieder an die geistige Welt und ihre Wesen – die Verstorbenen, die hierarchischen Engelwesen und den göttlichen Urgrund der Welt im Sinne der Trinität – anschließt (vgl. Anthroposophie: Erkenntniswissenschaftliche Grundlagen der Anthroposophie ). So kann heute jeder durch Selbsterziehung und Schulung des Denkens zur Realität des Geistes gelangen.

Zur Erfüllung seines Zieles baute Rudolf Steiner das Goetheanum als internationales Zentrum zum Studium der von ihm begründeten Geisteswissenschaft. Es war und ist die Aufgabe dieses Goetheanum, an der Wiedervereinigung von Wissenschaft, Kunst und Religion zu arbeiten. Rudolf Steiner

  • gab wesentliche Anregungen zur Spiritualisierung der Wissenschaft,
  • setzte neue Impulse für das künstlerische Schaffen
  • und regte die religiöse Erneuerung des kirchlichen Lebens an.

Denken als Bindeglied

Diese drei Gebiete können sich nur vereinigen, wenn das Denken selbst einen Zugang zum Geist und damit zu dem bekommt, was Inhalt aller Religionen ist (vgl. Denken: Denken als Brücke zwischen der Sinneswelt und der Welt des Geistigen). Dann kann auch der sich zwischen Wissenschaft und Religion befindliche Bereich der Kunst einen neuen Einschlag erhalten. Das künstlerische Schaffen kann in Verbindung mit der Wissenschaft zum Erkenntnisweg werden in der Weise, wie Goethe es meisterlich vorgelebt hat. Auf der anderen Seite kann das künstlerische Umgehen mit den Vorgängen der Welt zum Verständnis des Wesens dieser Vorgänge führen und damit dem religiösen Ansatz nahekommen, dem es immer um das Real-Wesenhafte und um die Wesensbegegnung geht.

Die Anthroposophie will demnach ein Weg sein, das Denken wieder an die geistige Wirklichkeit anzuschließen. Das ist zunächst ein rein wissenschaftliches Anliegen und hat mit Religion nichts zu tun. Wenn der Mensch im Denken den Anschluss an die geistige Wirklichkeit gefunden hat, kann er selbst den Weg zum Religiösen, das heißt zur Pflege der Beziehung zum Geistigen einschlagen. Dabei bleibt offen, ob die Pflege des Religiösen dann auch zur Gemeinschaftsbildung führt oder als Privatsache angesehen wird. Es bleibt auch offen, welche Religionsform man wählt, wenn man sich einer Gemeinschaft anschließen will. Denn die Geisterkenntnis durch das Denken eröffnet uns die Möglichkeit, den Sinn- und Wesensgehalt jeder Religion zu erfahren.

Vgl. „Welchen Auftrag hat die Religion in Erziehung und Heilkunst?“ aus „Die Heilkraft der Religion“, Stuttgart 1997