Wärme als Grundlage von allem

Inwiefern ist Wärme essentiell für die Entstehung und Erhaltung von Leben?

Wärme als Träger aller Entwicklung

Die berühmte Zusammenarbeit zwischen Rudolf Steiner und seiner Schülerin Ita Wegmann begann bereits im Jahre 1911 in Prag (vgl. Anthroposophische Medizin: Ita Wegmann und die Entwicklung der Anthroposophischen Medizin). Ita Wegmann, damals noch Medizinstudentin, regte Ausführungen über eine okkulte Physiologie1 an. Diese Vortragsreihe kulminiert in einer Passage am Ende des letzten Vortrags, in dem Rudolf Steiner die Rolle der Wärme als Träger aller Entwicklung erläutert. In seinem ersten Vortrag über die Anthroposophische Medizin auf dem Gebiet der Physiologie2 weist Rudolf Steiner uns zudem darauf hin, dass Metabolismus im Grunde die Transformation der Erdsubstanz durch Wärme ist.

Der Zustand der Materie hängt ganz und gar vom Wärmeausmaß ab, dem sie aktuell ausgesetzt ist (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen der Ich-Organisation). Je nachdem, wieviel Wärme man zuführt, ergeben sich unterschiedliche Aggregatszustände. Wenn ich meinen Ehering nehmen würde und 1500 Grad Wärme zuführen, würde er schmelzen. Noch weitere 1000 Grad dazu und er verdampft, löst sich auf, wird zu einem Gas. Bei einer Million Grade verwandelt er sich zu einem plasmaartigen Gebilde, das elektromagnetisch wirkt, aber keine Materie ist. All das hängt mit der Wärme zusammen. Wärme regiert die gesamte Evolution. Das betrifft auch unsere physiologische Konstitution: Drei Grade mehr und man kippt um. Zehn Grade unter Null und man ist erfroren.

Das Ziel der Erdentwicklung

Rudolf Steiner stellt gegen Ende seiner Vorträge die Frage nach dem Ziel der gesamten Erdentwicklung (vgl. Menschheitsentwicklung: Der göttliche Weltenplan): Jedes Wesen – egal ob Pflanze, Tier oder Mensch, entwickelt sich – und immer ist es die Wärme, die dazu beiträgt. Er sagt sinngemäß Folgendes darüber:

Der irdische Entwicklungsprozess wäre vollendet, wenn der Mensch als physikalisches Wesen an diesem Prozess beteiligt und in ihn eingebunden ist. Im Laufe der Erdentwicklung werde die Wärme in Seelenwärme, herzliches Mitgefühl und lebendiges Interesse am anderen verwandelt. Es ist eine Tatsache, dass alle irdischen physikalischen Prozesse einem Kreislauf unterworfen sind, und dass sie sich im menschlichen Körper wie in einem Mikrokosmos wiederfinden. Er spricht davon, dass der Mensch sich öffnen wird wie eine erblühende Blume. Die irdischen Prozesse sollen im Menschen transformiert werden – ausgedrückt durch das Bild der Blume.

Seelische und geistige Betätigung braucht Wärme: Ohne Wärme ist es nicht möglich, Gefühle und sehr persönliche tiefinnere Seelenregungen zu haben und auszudrücken. Nicht die kleinste menschliche Regung ist möglich ohne Wärme, auf keiner Ebene: weder auf der körperlichen, noch auf der seelischen, noch auf der geistigen Ebene. Deswegen sagt Rudolf Steiner, es wäre die Aufgabe der Menschen, die Erdsubstanz zu transformieren, bis am Ende dieser Entwicklung das Miteinander von einer liebevollen und freundschaftlichen Qualität bestimmt wird. Die Erde soll in einen Planeten der Liebe, der Wärme und des Mitgefühls verwandelt werden – eine grandiose Imagination der Erden- und Menschheitsentwicklung.

Vgl. „Meditativer Zugang zur Wärme“, Vortrag an der französischen Ärztetagung am Goetheanum, 13.03.2008

  1. Rudolf Steiner, Eine okkulte Physiologie, Prag 1911, GA 128.
  2. Rudolf Steiner, Vorträge über Medizin, Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft, GA 314.