Aktualität der Forschungen Rudolf Steiners
Welche von Rudolf Steiner vorausgesehenen Entwicklungen in der Medizin sind inzwischen Stand der Wissenschaft?
Von Steiner vorausgesehene medizinische Entwicklungen
In Bezug auf die Medizin kann man feststellen, dass viele Aussagen in Bezug auf zukünftige medizinische Entwicklungen und Ergebnisse, die Rudolf Steiner vorausgesehen hat, mit denen er ganz selbstverständlich umging, wenn er über Medizin sprach, heute zum Allgemeingut der Wissenschaft gehören. Ich möchte im Folgenden zu jeder Ebene der menschlichen Konstitution Beispiele nennen:
- Erbgut und Immunsystem – physische Ebene
Rudolf Steiner sprach vor Heilpädagogen, Lehrern, Ärzten davon, dass das sich inkarnierende Kind selbst mit der Auswahl von Vater und Mutter und dem damit verbundenen Erbgut zu tun hat, und dass die sich inkarnierende Individualität selbst daran beteiligt ist, das Erbgut möglichst so zu mischen, wie es zu ihrem Inkarnationswillen passt. Er sagte auch, dass die sogenannten Kinderkrankheiten und fieberhaften Infekte, die während der ersten 8 – 9 Lebensjahre normalerweise gehäuft auftreten, der Individualität die Möglichkeit geben, den ererbten Leib sukzessive umzugestalten und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.
Genau diese Zusammenhänge wurden in den letzten Jahren im Rahmen der Epigenetik erforscht (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Die fünf Ebenen des anthroposophischen Menschenbildes). Kein wissenschaftlich gebildeter Mensch glaubt mehr, dass das Erbgut ein geschlossenes System ist, das eine Marschroute vorgibt. Das Erbgut ist ein offenes System, das durch individuelle spirituelle Arbeit beeinflusst werden kann.
Das führt heute zu völlig neuen Forschungsfragen auf dem Gebiet der „Mind-Body-Medicine“. Man erforscht dort die Wirkung von Medikation auf die neuronalen Verschaltungen, auf den Kreislauf usw. und merkt, dass die Medikation auch immunstimulierend wirkt, bzw. dass das Immunsystem dadurch verändert wird. Das Immunsystem wiederum ist das Schlüsselsystem, welches das Erbgut aktiviert und dafür sorgt, dass bestimmte Gene blockiert werden und nicht mehr funktionieren bzw. neue gezündet werden und anfangen zu funktionieren.
Wir brauchen beide Ansätze, wenn wir eine wirklich humane menschliche Medizin schaffen wollen: Die Naturwissenschaft allein reicht nicht. Erst ergänzt um Erkenntnisse aus der Geisteswissenschaft wird Medizin wirklich menschengerecht. Denn es dauert viel zu lange, wenn erst jahrelang Nachweise von der Schädlichkeit einer Maßnahme erbracht werden müssen, bevor diese verboten wird, wie es der naturwissenschaftlichen Methodik entspricht. Dann kommt das Gute immer zu spät.
Rudolf Steiners Forschungsmethode der VerifizierungDie Geisteswissenschaft macht methodisch das Umgekehrte. Sie macht aufgrund tiefer gehender Einblicke und Kenntnisse der menschlichen Konstitution Angaben über zu erwartende Ergebnisse einer Maßnahme. Man ist als Arzt und Therapeut immer frei, sich für das, was man für das Richtige hält, zu entscheiden. Das bedeutet, dass man für gut und richtig erkannte Maßnahmen und Methoden anwendet, auf diesem Wege verifiziert und anschließend dokumentiert, wie der Gedanke zum Tun und letztlich zu einem guten Ergebnis führte, wobei auftauchende Probleme reflektiert werden. Man erklärt z.B. genau, warum man eine Hypothese etwas modifizierte, um das gewünschte gute Ergebnis zu erzielen.
Das war die von Rudolf Steiner praktizierte Forschungsmethode: Aus profunder Menschenkenntnis und physiologischem Verständnis heraus eine Hypothese zu bilden und anschließend in der Praxis zu verifizieren, ob der hypothetisch angenommene Erfolg tatsächlich eintritt.
Auf diesem Wege wurde in der anthroposophischen Medizin ein System für individuelle Einzelfalldokumentation auf hohem akademischem Niveau erarbeitet (vgl. Anthroposophische Medizin: Forschung und Weiterentwicklung).1 Es ist extrem viel Arbeit, diese Zusammenhänge so nachzuweisen, dass sie vor dem empirisch orientierten Denken der heutigen Zeit Bestand haben.
- Rhythmusforschung – ätherische Ebene
Ein ähnlich begeisterndes Feld ist die Rhythmusforschung auf der ätherischen Ebene. Rudolf Steiner wurde nicht müde zu sagen: „Rhythmus trägt Leben“ (vgl. Trauma – Ursachen und Behandlung: Rhythmus und Leben studieren).2 Beachtet und pflegt die Rhythmen – im meditativen Leben, in der Pädagogik, in der Medizin – und bedenkt, wann man was wie machen sollte.
Jedes Wesensglied hat seinen eigenen Rhythmus:
- Die Ich-Organisation folgt dem 24-Stunden-Rhythmus
- der Astralleib dem Wochenrhythmus
- der Ätherleib dem Monatsrhythmus
- der physische Leib dem Jahresrhythmus
- Bindungs- und Beziehungsforschung – astrale Ebene
Auf seelischem Gebiet ist die Bindungs- und Beziehungsforschung angesiedelt. Heute ist klar nachgewiesen, was Rudolf Steiner immer wieder im paracelsischen Sinne betonte: dass die einzig wahre Arznei die Liebe ist. Was in der Arzt-Patienten-Beziehung als professionelle Liebe, als Hingabe an den Patienten wirkt, entspricht der Liebesqualität, die auch Lehrer- und Schülerseelen verbindet. Die Frage Steiners – „Kinder, habt ihr eure Lehrer lieb?“ – war keine rhetorische Frage. Steiner scheute nicht davor zurück, ein Kind in die Parallelklasse zu schicken, wenn es seinen Lehrer nicht lieben konnte.
Das findet in der heutigen Bindungsforschung seine Bestätigung: Eine Beziehung wirkt gesundend,
- wenn sie ehrlich ist,
- wenn sie von liebvollem Interesse für den anderen geprägt ist,
- wenn sie von Respekt vor der Autonomie des anderen getragen ist.
Das sind die drei christlichen Grundwerte – Wahrheit, Liebe, Freiheit – von denen wir in der Esoterik nicht müde werden zu sprechen (vgl. Ideale: Die Ur-Ideale – Wahrheit, Liebe und Freiheit). Alle esoterischen Übungen dienen der Entwicklung dieser Art von Menschlichkeit: dass es wahrhaftiger, liebvoller, freilassender, respektvoller wird im sozialen Miteinander. Dass das gegenseitige Verstehen gefördert wird, das Erwachen aneinander, das zum Verständnis führt. Nichts anderes wird helfen angesichts der Not und des Elends auf der Welt.
- Traumatherapie – geistige Ebene
Auch auf geistigem Felde gibt es spannende Erkenntnisse. Es gibt heute sehr viele Verfahren, insbesondere auf dem Gebiet der Traumatherapie, die erkannt haben, dass ein schweres Trauma, ein schwerer Angriff auf Leib und Seele, nur als Initiation aufgefasst sinnstiftend verarbeitet werden kann (vgl. Trauma – Ursachen und Behandlung: Traumatherapie als moderner Weg zur wahren Identität). Es gibt keinen anderen Weg, der wirklich greift (vgl. Krise als Chance: Krisen sind Aufgaben). Man kann gewisse Symptome zwar mit psychisch wirksamen Drogen dämpfen. Das ist aber keine Heilung.
Ein schweres Trauma zu verarbeiten, ist ein langwieriger Prozess. Der erste Schritt besteht darin, das Trauma als Schwellenerlebnis in Bezug auf die geistige Welt zu erkennen. In der Folge gilt es dieses Erlebnis fruchtbar zu machen, indem man die Kräfte durchschauen lernt, die einen bedrücken und sie als luziferische und ahrimanische Gewalten unterscheiden lernt (vgl. Das Böse - Widersachermächte: Wirksamkeit von Luzifer und Ahriman). Das gelingt erst vollends, wenn man auch die guten menschlichen Kräfte aufzufinden vermag.
Ich möchte an dieser Stelle eine schlichte Herzmeditation vorlesen. In Rudolf Steiners Notizbuch stehen undatiert folgende Worte:
Ich denke an mein Herz.
Es belebet mich.
Es erwärmet mich.
Ich vertraue fest auf das ewige Selbst,
das in mir wirket,
das mich trägt.
Diese Tragekraft an der Schwelle zu erkennen, ist für die eigene Identitätsfindung unerlässlich: dass man in sich die Instanz aufspürt, die angesichts der Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit des Leibes, unvergänglich und unzerbrechlich ist und einen über alle Abgründe des Lebens hinwegträgt.
Der Initiationsweg ist für die anthroposophische Psychotherapie etwas Selbstverständliches (vgl. Anthroposophische Medizin: Anthroposophische Psychotherapie). Wir können gar nicht über Entwicklung sprechen, wenn wir uns nicht auch mit all den Mühen auseinandersetzen, die der Entwicklung entgegenstehen. Deswegen fordert Rudolf Steiner in seinem Buch „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“ im 1. Kapitel,3 dass wir zwei Bücher studieren: Wenn wir das ernst nehmen, dürften wir gar nicht weiterlesen, ohne diese beiden Bücher studiert zu haben. Das eine ist „Wie erlangt man Erkenntnisse der Höheren Welten?“,4 das andere die „Geheimwissenschaft im Umriss“ 5 – die Weltentwicklung und der Mensch. Ohne ein Wissen über die dort geschilderten Zusammenhänge und Entwicklungszyklen ist Anthroposophische Medizin nicht vollständig.
Wenn man also bei uns in die Werkstatt blickt, sieht es sehr tätig und sehr optimistisch aus.
Vgl. Vortrag auf der Welterziehertagung, Dornach 2012
- Im „Freiburger Institut für angewandte Erkenntnistheorie und medizinische Methodologie“ wird derzeit an den praktischen Konsequenzen für ein neues Studiendesign gearbeitet, das sich auf hohem akademischem Niveau auf die individuelle Einzelfallanalyse stützt. Diese Methode wird in dem Werk von Helmut Keine beschrieben, Komplementäre Methodenlehre der klinischen Forschung: Cognition-based Medicine, Heidelberg – Berlin 2001.
- https://www.drhauschka.de/kosmos/werte/im-rhythmus/
- Rudolf Steiner, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst. GA 27.
- Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? GA 10.
- Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss. GA 13.