Wirkfaktoren in der Anthroposophischen Medizin

Wie wirkt Medizin?

Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?

Die Wirksamkeit der Anthroposophischen Medizin setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen:

  • Stoffliche Qualität

Schwefel wirkt anders als Phosphor oder anderes. Dieses Enzym hat diese Wirkung und ein anderes Hormon eine andere. Wenn ich ein bestimmtes Mittel gebe, muss ich das berücksichtigen. Das ist die rein stoffliche Wirkung.

  • Pharmazeutisch-moralische Qualität

Es gibt verschiedene Stufen der ethisch-moralischen Zusatzwirkung. Wenn ein Pharmazeut seine Produkte mit Liebe herstellt, ist der Stoff nicht nur Träger seiner Eigenwirkung, sondern die positive Absicht, helfen zu wollen, überträgt sich vom Pharmazeuten auf das Produkt. Das ist eine pharmazeutische Qualität, die er moralisch beeinflussen kann. Das hat nicht nur mit Produktreinheit zu tun, ob unsauber oder sauber gearbeitet wird, sondern mit der moralischen Integrität dessen, der das Produkt herstellt.

  • Ärztliche Qualität

Ärztliche Qualität entsteht, wenn ein Arzt ein Medikament aufgrund guter Überlegungen mit seinen eigenen Gedanken durchsetzt, mit seiner Liebe zum Patienten, mit seinem Willen, ihm zu helfen. Wenn er das Rezept aus dieser Gesinnung heraus dem Patienten gibt, geht diese innere Einstellung auf den Patienten über. Die Schulmedizin nennt das ‚Placebo-Effekt’, die ‚Droge Arzt’. Aber es gibt keinen Placebo-Effekt, es gibt nur Wirkungen, die man nicht versteht! Der Begriff des Placebo ist ein unwissenschaftlicher Lückenbüßer, den man auch so kennzeichnen müsste. Man muss verstehen, warum welches Placebo wie wirkt! Gute Gedanken sind wirksam:

Ist es nichts, wenn einer einem anderen „alles Gute“ wünscht?

Es macht einen Unterschied, wenn jemand lügt und dem anderen in Wirklichkeit nicht alles Gute wünscht! Wenn ich jemandem Gutes wünsche bzw. wenn ich als protestantischer Christ die Fürbitten mache oder als Katholik bete, hat das doch eine Wirkung! Ich mache das doch nicht zur Selbstbefriedigung, um mir zu zeigen, wie moralisch einwandfrei ich bin oder um dem Pfarrer zu gefallen! Ich mache es, weil ich davon überzeugt bin, dass Gedanken wirksam sind (vgl. Gedankenkraft: Ätheraura der Erde kräftigen).

Es gibt destruktive Gedanken und positive Gedanken, die nicht nur auf mein Immunsystem, sondern auch auf die Immunsysteme meiner Mitwelt wirken. Hass auf andere Leute ist destruktiv, nicht nur für mich, sondern auch für die Anderen. Das sind astrale Attacken, die Verletzungen seelischer Art erzeugen können. Auch wenn sie unbewusst sind, wirken sie. Sensible Leute spüren genau, wenn Menschen sie hassen oder sie vernichten, betrügen oder mobben wollen. Es braucht nicht real zu passieren, man spürt bereits die Intention als etwas Destruktives. Solche Wirkungen sind kein Placebo-Effekt, sondern geistig-seelisch genau zu beschreiben und kommen entweder aus dem Denken, dem Fühlen oder der Intention von Menschen.

Ärztliche Intention als Zusatzwirkung

Als Arzt gebe ich meine Intention dem Medikament mit. Rudolf Steiner sagt, der Arzt müsse seinem Arzneimittel eine „Aura“ mitgeben, eine Widmung. Wenn ich zum Beispiel Schwefel oder Phosphor oder Arnika verordne, denke ich in diesem Moment an diesen Menschen, an seine Lebenssituation und widme die Wirkung des betreffenden Mittels dieser Situation. Es ist eine weiter imponderable Zusatzwirkung zur normalen Arnika-Essenz im Fläschchen, wenn ich es einem älteren Menschen, der auf der Intensivstation liegt, als Umschlag verordne. Für diesen Menschen habe ich ganz andere Gedanken als für jemand anderen. Meine Gedanken sind Teil dieser individuellen Therapie. Auch eine Standardtherapie verordne ich individuell, weil jeder Mensch anders ist. Es gibt keine zwei gleichen Situationen, auch wenn ich vielfach dieselben bewährten Arzneimittel verwendet habe. Das ist die ärztliche Wirkkomponente.

  • Der Wille zur Gesundung

Die vierte Komponente betrifft den Eigenanteil des Patienten. Patienten wollen heute genau wissen: „Wofür ist das?“, „Wogegen ist das?“ Wenn sie dann den Beipackzettel lesen, bekommen sie oft Angst. Inzwischen gibt es auch anthroposophische Beipackzettel, auf denen beispielsweise steht: An Kindern nicht erprobt, bitte nicht unter 12 Jahren anwenden. Da bekommen Eltern Angst vor Arnika D6, weil es nicht erprobt ist, und halten es für gefährlich. Dadurch kann sich die positive Wirkung des Arzneimittels nicht voll entfalten. Oder die Mittel wirken nicht recht, weil der Patient eigentlich nicht wirklich gesund werden will. In diesem Fall braucht und will er seine Krankheit. Ein Patient, der nicht gesund werden will, muss erst einmal lernen, wieder gesund werden zu wollen. Er sucht noch die Flucht in die Krankheit, weil er diesen Schutzraum offenbar braucht. Das ist im Moment seine Identität. Ein Patient, der nicht gesund werden will, für den die Krankheit seine aktuell aushaltbare Gesundheit ist, verkraftet das Leben nicht. Er braucht eine andere Behandlung, als „auf Teufel-komm-raus“ gesund gemacht zu werden.

Viele Ärzte haben keine Zeit für eine gründliche Anamnese. Sie behandeln oft auch Menschen, die von Arzt zu Arzt gehen und in Wirklichkeit gar nicht gesund werden wollen. Man hätte schon in der Erstbegegnung eine Biografiearbeit dazwischenschalten oder sagen müssen: „Ich glaube, Sie sind wirklich krank. In ihrer jetzigen Situation würde ich ihnen raten, dass Sie sich für den Prozess des Gesundwerdens genügend Zeit nehmen. Lassen Sie sich im Moment von Ihrem Job beurlauben. Ich gebe Ihnen ein Zeugnis und wir nehmen uns einen ganz langsamen Weg zur Gesundheit vor, damit Sie so werden, wie Sie werden wollen.“

Das ist ein anderes therapeutisches Ziel, als jemanden so schnell wie möglich symptomfrei zu bekommen, damit er wieder funktioniert. Wirkliche Heilung kann erst erfolgen, wenn der „Gesund-mache-Wille“ des Arztes sich mit dem „Gesund-werde-Willen“ des Kranken verbinden kann.

  • Gnade

Das fünfte Therapieprinzip heißt schlicht Gnade. Man kann nicht gegen das Schicksal angehen. Manchmal ist das Schicksal des Kranken so, dass man trotz aller erdenklichen Mühe nicht helfen kann. Das fünfte Prinzip wurzelt in der Überzeugung, dass das Leben nicht in der ärztlichen Kompetenz, sondern in der Hand Gottes liegt. Wenn der Krebs erneut ausbricht, gehe ich mit dem Patienten anders um als zu Beginn einer Krebserkrankung. Jetzt ist größtmögliche Ehrlichkeit gefragt. z.B. das Eingeständnis: „Wenn nicht ein Wunder geschieht, könnte es diesmal der Anfang vom Ende sein. Überlege, ob Du Deinem Leben eine vollkommen andere Wendung geben willst und kannst. Jetzt hast Du nichts mehr zu verlieren, Du kannst nur noch gewinnen. Schau mal, ob Du Dich von allem, was Dich zwingt, freimachen kannst und frage Dich, was Du mit deinem letzten Lebensabschnitt wirklich machen willst. Folge nur Dir selbst!“ Dann passieren manchmal ungeahnte Wunder. Manchmal braucht es diese Todesnähe, bis ein Patient wirklich zu sich kommt und weiß, was für ihn im Leben zählt.

Beispiel einer terminalen Krebserkrankung

Ich hörte von einem Patienten mit terminalem Krebs. Der Arzt hatte ihm maximal drei Monate gegeben. Er trennte sich daraufhin von all seinem Hab und Gut, verkaufte sein Haus und ging auf Weltreise. Er wollte nun endlich umsetzen, wofür er sich sein Leben lang keine Zeit genommen hatte. Nach seiner Heimkehr wollte er den Rest seines Geldes verschenken und sich auf das Sterben vorbereiten. Als er zurückkam, war der Krebs jedoch weg.

Die Geschichte hat mir ein Kollege erzählt, der meinte, so etwas wäre eigentlich nicht möglich. Ebenso sah es die Uni-Klinik, in der er behandelt wurde. In der Schulmedizin nennt man das ‚Spontanheilung’. ‚Placebo-Effekt’ und ‚Spontanheilungen’ sind Begriffe, die zeigen, dass man sich in der Schulmedizin nicht mit Wirkfaktoren auseinandersetzen möchte, die etwas differenzierter sind und Spiritualität mit einbeziehen.

Vgl. Arbeitsgruppe zum Arztberuf und zur Anthroposophischen Medizin, Sommerakademie Witten 2010