Die drei größten biographischen Wendepunkte
Welche Wendepunkte haben menschliche Biographien gemeinsam?
Wichtige Wendepunkte in der Biographie
Unser Leben hat drei große Wendepunkte.
- 1. Die Geburt in Liebe
Wenn der Mensch geboren wird, reißen die Fäden zum vorgeburtlichen Leben in der geistigen Welt ab – nicht tatsächlich, aber für sein Bewusstsein: Er vergisst, was vorher war. Sein Bewusstsein verdunkelt sich. Das geistige Sein erlischt und er erwacht als Kind im Sinnlichen. Es bedeutet dann eine riesige Umstellung, sich an das äußere sinnliche Leben anzupassen.
- 2. Eigenverantwortung übernehmen in Wahrheit
Dieser zentrale Wendepunkt kann zu jedem Zeitpunkt an unterschiedlichen Stellen in der Biografie zwischen der Pubertät und den letzten Lebenstagen auftreten. Man kann ihn noch am vorletzten Lebenstag erreichen.
Normalerweise kommt man zwischen 20 und 40 an diese Punkt: Man entschließt sich eines Tages, durch welchen Anlass auch immer, Verantwortung für die eigene Entwicklung zu übernehmen und nicht mehr andere dafür verantwortlich zu machen. Mit anderen Worten: Man beginnt den eigenen inneren Weg bewusst ernst zu nehmen. Unbewusst geht jeder einen inneren Weg. Aber es ist ein Riesenschritt, wenn man beginnt, sich damit zu identifizieren, wenn man „ja“ sagen kann dazu, dass man es tut. Weil das ein so besonderer Moment ist, nennt man ihn den Anfang des Initiationsweges, den Anfang der Anfänge.
Diesen Moment vergisst man nie. Und es ist auch sehr wichtig, denn Initiation hat mit Wahrhaftigkeit zu tun (vgl. Mysterien und Initiation: Initiation durch das Leben). Jeder Augenblick, in dem man das Gefühl hat, man erlebt etwas Wahrhaftiges, hat initiatorischen Charakter. Der Sinn des inneren Weges besteht darin, immer mehr von der Wahrheit zu erkennen – über sich selbst, über die Welt, über Gott, über Christus, über das Leben, über alles (vgl. Beziehung(sfähigkeit): Wahrheit als Wirklichkeit in der Beziehung).
- 3. Der Tod in Freiheit
Am Lebensende lässt der Mensch seinen physischen Körper wie eine Nachgeburt zurück und gebärt seinen Ätherleib, seinen Astralleib und sein Ich aus diesem Körper heraus und vollzieht dabei die Geistgeburt (vgl. Sterben und Tod: Tod als Geistgeburt begriffen). Je autonomer und freier ein Mensch am Lebensende ist, desto leichter stirbt er.
Die beste Vorbereitung aufs Sterben besteht deshalb darin, an der eigenen Autonomie zu arbeiten (vgl. Ethische Fragen: An der Todesschwelle). Warum? Weil Sterben ein Vorgang ist, bei dem alle Fäden zu unserem Sinnesleben abreißen. Wir werden vollkommen frei vom Physischen, vom Sinnlichen und müssen uns „eine Oktave höher“ plötzlich im Geistigen ganz neu finden.
Liebe, Freiheit und Wahrheit als Lebensideale
Freiheit ist die Fähigkeit, auf den eigenen Füßen stehen zu können, unabhängig von äußeren Autoritäten, von Zwängen, von allem, was mich binden könnte. Freiheit zu üben ist immer schmerzlich, es ist ein Sterbeprozess.
Deswegen kommt jedes Freiheitsmoment einem kleinen Tod gleich und geht einher mit Einsamkeit und Loslassen-Müssen. Dafür bekommt man etwas Neues an die Hand: geistige Verbindlichkeit. Wenn ich etwas loslasse, habe ich die Hände frei, selbst zu bestimmen, womit ich mich neu verbinde.
Durch die Liebe verbinden wir uns mit etwas – so auch durch die Geburt mit dem Leben auf Erden.
Indem wir unsere Freiheit in Anspruch nehmen, trennen wir uns von allem, was uns binden könnte, so auch vom Körper beim Sterben.
Dazwischen liegt unsere Biografie, in deren Verlauf wir lernen, Freiheit und Liebe in Balance zu bringen. Denn wir brauchen beides, um die Wahrheit über uns selbst und die Welt finden zu können.
Vgl. Ausführungen vom IPMT in Santiago di Chile 2010