Corona-Standortbestimmung Januar 22

Der Staat selbst ist niemals Zweck, er ist nur wichtig als eine Bedingung, unter welcher der Zweck der Menschheit erfüllt werden kann, und dieser Zweck der Menschheit ist kein anderer als die Ausbildung aller Kräfte des Menschen, Fortschreitung.
Friedrich Schiller

Wo stehen wir jetzt in der Corona-Pandemie?

Was hilft, konstruktiv mit ihren Folgen zu leben?

Vorbemerkung

Im Verlaufe der Corona-Pandemie ist bereits so viel zum Thema erschienen, dass die Frage nur zu berechtigt ist:

Was sollte denn jetzt noch geschrieben werden?

Wem könnte es dienen? Wem helfen?

Wen mag es in der Flut der verschiedenen Ansichten und Interpretationen von Zahlen, Fakten, Statistiken interessieren?

Hinzu kommt, dass das Pandemiegeschehen die Gesellschaft derartig polarisiert hat, dass viele inzwischen das Thema tabuisiert haben, um den sozialen Frieden nicht noch mehr zu gefährden. So ist es nur zu begreiflich, dass Verunsicherung, Ängste und Orientierungslosigkeit die Folge sind - trotz der politischen und medialen Einheitlichkeit in der Kommunikation, der strategischen Ziele und der daraus abgeleiteten Maßnahmen.

Jedenfalls waren es die Sprachlosigkeit und das Ohnmachtserleben, die mir in vielen Gesprächen zum Thema begegnet sind, die mich letztlich motiviert haben, diesen Beitrag zu schreiben. Zumal die Krise ja chronisch zu werden droht und der Ruf nach der Impfpflicht mit unbekannt vielen Folgeimpfungen im Gegensatz zu den Hoffnungen steht, dass die Pandemie doch in absehbarer Zeit in eine Endemie einmünden und damit enden könnte. Wirklich klar ist jedenfalls inzwischen nur eines: Das Auftreten der Omikron-Variante, die sich schneller und umfassender unter Geimpften und Ungeimpften ausbreitet macht deutlich, dass wir mit dem Virus und seinen Mutationen leben lernen müssen. Zudem hat sich im Laufe der Pandemie deutlich gezeigt, dass sie auf drei verschiedenen Ebenen Diskussionsstoff bietet: auf der Ebene persönlicher Betroffenheit im Krankheitsfall oder in der Sorge um Freunde und Bekannte, auf der Ebene der verschiedenen Länder mit ihren teils unterschiedlichen Vorgehensweisen und schließlich auf der globalen wirtschaftspolitischen Ebene. Für diese drei Diskussionsebenen konstruktive Zukunftsperspektiven aufzuzeigen ist mein Anliegen – ebenso die Kraftquellen zu charakterisieren, die angesichts der Sorgen und Ängste zur inneren Stabilisierung beitragen können.

Die drei Diskussionsebenen der Pandemie

1. Die Globale Ebene

Die Pandemie war und ist ein globales Ereignis, was kaum einen Menschen unberührt gelassen hat. Global erlebbar war auch der Gleichklang in der strategischen Grundorientierung, mit der die internationale Staatengemeinschaft sich bemüht hat, die Pandemie zu bewältigen. Der wirtschaftspolitische Kontext zeigt klare Entwicklungsperspektiven auf. Sie sind geprägt durch die Technisierung und Digitalisierung aller Arbeitsbereiche, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich entwickelt und weltweit etabliert haben. Damit verbunden ist auch der globale Aufbau elektronischer Kontroll- und Überwachungssysteme im Dienste von Sicherheit und Gesundheit, der im Kontext der Pandemie vorangetrieben wurde und wo er schon existierte, wie in China, perfektioniert worden ist. Aufgrund der verbreiteten Ängste vor Terror, schwerer Krankheit und Tod kann und konnte man diesbezüglich zwar mit großer sozialer Akzeptanz rechnen.

Es sind jedoch auch viele Menschen dafür sensibilisiert worden, dass diese Entwicklung für die demokratisch-westliche Welt eine große Herausforderung darstellt. Das hat mich daran erinnert, dass der amerikanische Computerspezialist Josef Weizenbaum bereits 1984 in einem in Deutschland gegebenen Interview auf die Frage von Journalisten, ob der Computer den Überwachungsstaat bringen wird, klar mit Ja geantwortet hat. Selbstverständlich sei dies der Fall – darauf sei doch von Anfang an hingearbeitet worden. Wenn er aber kommen würde, dieser Überwachungsstaat, dann wäre nicht der Computer daran schuld, sondern die Menschen, die ihre Freiheit nicht verteidigen.1

Heute sind Bücher wie „Covid-19: Der große Umbruch“ von Klaus Schwab und Thierry Malleret2 oder „Chronik einer angekündigten Krise“ von Paul Schreyer, sowie die Aufklärungsbücher und Videos von Ernst Wolff zum globalen Finanzmanagement und seiner Zukunft, 33 schon klassische Augenöffner geworden, indem sie die Diskussion zu diesem Thema mit markanten Fakten aus Wirtschaft und Politik untermauern.

Dass China aufgrund seines kommunistischen Sozial-verständnisses der große Vorreiter mit Bezug auf die Einführung der Überwachungstechnologie ist und auch bereits an der digitalen Landeswährung arbeitet als Vorbild für die Welt, liegt ebenfalls offen zutage. Auch dass in Pandemiezeiten schon aus Angst um Leib und Leben die Menschen mehrheitlich Sicherheit über Freiheit stellen und soziale Erfordernisse über persönliche Bedürfnisse, erscheint inzwischen fast selbstverständlich. Die Angst vor dem Virus legitimiert nicht nur die Verlagerung vieler Arbeitsbereiche in den virtuellen Raum, sondern rechtfertigt auch den enormen Digitalisierungsschub im Bildungswesen und die Etablierung der Kontrollsysteme zur Überwachung von An-steckungsketten, Test-, Impf- und Genesenen-Status im öffentlichen Raum.

Dabei vollzieht sich diese Entwicklung unter dem Druck der Ereignisse so unausweichlich schnell, dass sie sich demokratischer Kontrolle entzieht, indem wenigen Fachleuten und Verantwortungsträgern die Entscheidung überlassen wird. Zudem trägt die Gefahr der Unterwanderung friedlicher Demonstrationen durch gewaltbereite rechte Gruppierungen und die mediale Diskriminierung Andersdenkender auch nicht zur Motivation bei, diese Entwicklungen kritisch zu kommentieren und zu hinterfragen. Zu groß ist die Sorge in die Ecke von Verschwörungstheoretikern und Coronaleugnen geschoben und nicht mehr ernst genommen zu werden.

Bei meinem Versuch, diese globale Situation besser zu verstehen, hat mir das in den Tagesthemen am 14. April 2020 ausgestrahlte Interview mit Bill Gates im deutschen Fernsehen sehr geholfen. Seine klare Beschreibung der pandemischen Lage und was er der globalen Staatengemeinschaft empfiehlt, machte mir deutlich, warum weltweit bisher nur ein Weg aus der Krise aufgezeigt und realisiert wurde - nämlich der der Impfung. 4 Ich fasse seine Aussagen hier kurz zusammen, es lohnt sich aber, dieses programmatische Interview in seiner Gänze zu hören. Denn hier wendet sich einer der mächtigsten und reichsten Männer der Welt unmittelbar an die Bevölkerung und macht dadurch transparent und verständlich, was wir alle seit bald zwei Jahren erleben.

Es handelt sich dabei um die Darstellung klar konzipierter strategischer Ziele, die nicht nur festliegen, sondern offenbar auch den Konsens von knapp 200 Staaten weltweit haben - was für sich genommen schon ein Wunder ist, wenn man sich vor Augen hält, wie schwierig es sonst bei wichtigen Fragen ist, zu einem irgendwie gearteten Konsens zu kommen.

Warum ging es hier wie im Handumdrehen, dass alle an einem Strang ziehen, während man sich bei anderen wichtigen Fragen wie Klima und Umwelt, Hunger und soziales Elend infolge von Kriegen und Migration, Ernährung und Bodengesundheit mit kleinsten zäh errungenen Etappenzielen zufriedengeben muss?

Mit Begeisterung setzt sich jedenfalls Bill Gates in diesem Interview für eine globale, gemeinsame Strategie zur Bekämpfung der Coronapandemie ein. Je besser alle Staaten zusammenarbeiten und unterstützen, dass weltweit an geeigneten Standorten Fabriken gebaut werden, um genügend qualitativ hochwertigen Impfstoff herzustellen, je schneller werden wir es – so Gates – schaffen, diese Pandemie zu bewältigen. Insbesondere aber werden wir dadurch auch für zukünftige Pandemien, die mit Sicherheit kommen werden, gerüstet sein. Diesem Ziel diene auch die intensive Forschung und Entwicklung von mRNA Impfstoffen, die für alle möglichen Virusinfektionskrankheiten maßgeschneidert sein werden und dann bedeutend schneller zur Verfügung stehen können, als dies bei Covid-19 der Fall war.

Denn wenn man keine Wunderheilmittel für gefährliche Viruserkrankungen findet, braucht es die Impfstoffe, um in Zukunft die Isolierungen, Schulschließungen, Lockdowns etc. vermeiden zu können. Wenn es aber gelingt, 7 Milliarden Menschen zu impfen, dann „haben wir es gemeinsam geschafft!“. Darauf könnten wir dann stolz sein und werden in einem neuen Zeitalter leben, in dem künftige Pandemien keine Schrecken mehr verbreiten können.

Die seit diesem Interview vergangenen ein dreiviertel Jahre haben gezeigt, wie die Staaten – unterstützt durch die mediale Berichterstattung – weltweit alles nur Mögliche unternommen haben, gemäß dieser strategischen Vorgaben das Pandemiemanagement umzusetzen und die dafür nötigen Gesetzesgrundlagen zu schaffen. Politiker, Wissenschaftler, Juristen, Fachleute aus der Medizin, alle zogen an einem Strang. Das hier große wirtschaftspolitische Machtfaktoren entscheidende Triebkräfte sind, um solch rasche internationale Übereinkünfte zuwege zu bringen, ist das eine.

Das andere aber ist die noch tiefer liegende Frage, welche Denkweise einer solchen Motivation zu Grunde liegt, dass sie dem damit verbundenen wirtschaftspolitischen Willen eine solche Schubkraft verleihen und die Menschen mehrheitlich überzeugen kann.

Warum konnte und kann sich diese Denkweise bis heute quasi „alternativlos“ durchsetzen?

Eine solche Strategie kann doch nur dann begeistern, wenn man ein Menschenbild hat, in dem der menschliche Organismus in Gesundheit und Krankheit ein steuerbares Objekt in einer machtvoll zu steuernden Gesellschaft darstellt. Es ist dies aber nicht nur der naturwissenschaftlich-materialistische, sondern auch der sozialdarwinistische und trans-humanistische Gedankenansatz. Bekanntermaßen liegt dieser Ansatz aber auch dem rassistischen Ideengut zugrunde, sowie den nationalsozialistischen und kommunistischen Diktaturen.

Doch jetzt, wo es um die Gesundheit geht und die Angst, schwer zu erkranken oder zu sterben, den größten Teil der Menschheit erfasst hat, wird diese Tatsache offenbar verdrängt, obgleich die in das persönliche und soziale Leben tief eingreifenden Schutzmaßnahmen eine deutlich lebensfeindliche Sprache gesprochen haben und noch immer sprechen. Dazu gehört auch, dass die Menschen, die infolge der Maßnahmen zu Schaden kamen oder infolge von Hunger, Armut, Einsamkeit gestorben sind, nicht annähernd so registriert und kommuniziert wurden wie die positiven Testergebnisse und nachgewiesenen Covid-19-Infektionen, bei denen man zudem vermisst, ebenso regelmäßig zu erfahren, wie viele Geimpfte unter den positiv Getesteten und Erkrankten sind.

Warum werden diese Unklarheiten in Kauf genommen, warum wurden die maßnahmenbedingten immensen Kollateralschäden bei Kindern und Erwachsenen bisher nicht zum Anlass genommen, das Krisenmanagement zu überdenken oder zumindest faire öffentliche Diskussionen darüber zuzulassen?

Oder wenigstens Menschen unbeschadet zu lassen, die sich Kritik erlauben?

Könnte das geschehen, müsste man sich zu einer anderen Denk- und Handlungsweise entschließen. Das erscheint jedoch derzeit nicht gewollt.

Daher wundert es mich auch nicht, dass der seit Jahrzehnten stattfindende Umbau der Krankenhäuser in wirtschaftlich rentable Unternehmen nahezu widerspruchslos über die Bühne gegangen ist und weiterhin geht. Das Vorhalten von Betten und qualifiziertem Fachpersonal – d.h. das vorsorgliche Bereitstellen von Betten, die nicht belegt sind für allfällige Notfälle - bedeutet eben Investitionen ohne Gewinn.

Und wer will das schon?

Muss dann nicht Personal wo immer möglich eingespart und überzählige Betten abgebaut werden?

Je besser belegt, vor allem auf der Intensivstation, umso rentabler ist das Krankenhaus. Dass bei solch profitorientiertem Management die Kapazitätsgrenzen schnell erreicht sind, ist selbstverständlich, auch das sich das Pandemieregime dann daran anpasst, weil es von derselben ökonomisch ausgerichteten Logik beherrscht wird. Wenn jedoch die geltenden Spielregeln des Weltmarktes auch zum Maßstab der Gesundheitsfürsorge und den Umgang mit hilfsbedürftigen Menschen werden, geht dies mit Notwendigkeit auf Kosten humaner Werte und Entwicklungsmöglichkeiten.

Eine am Menschen orientierte Denkweise kann sich nicht primär am „homo oeconomicus“ orientieren, da die damit verbundenen ethisch-moralischen Defizite allzu offensichtlich sind. Jeder weiß doch im Grunde, dass, wenn man in die Entwicklung von Menschlichkeit nicht investiert, sie schwindet. Wenn sich politisches Handeln primär an Zahlen und Statistiken orientiert und nicht an den realen Lebensverhältnissen, muss es Gefahr laufen, inhuman zu werden.

Hinzu kommt, dass äußerst kapitalkräftige Vertreter der transhumanistischen Idee nicht nur vom durch künstliche Intelligenz technisch perfektionierten Menschen träumen, sondern längst an der Realisierung dieser Visionen arbeiten. Was vor Jahrzehnten noch als Science-Fiction anmutete, wird zunehmend Realität, auch wenn dies in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht im Vordergrund steht. Die Coronapandemie mit ihren schmerzhaften Kollateralschäden hat jedoch dazu beigetragen, dass immer mehr Menschen aufwachen und neu die Frage nach dem stellen, was wirklich wesentlich ist.

Was ist denn mein Bild vom Menschen?

Wie stelle ich mir die Zukunft vor?

In welcher Gesellschaft möchte ich leben?

Welche Rolle soll die Technik in meinem Leben spielen?

Wie weit dient die sich immer mehr verselbständigende künstliche Intelligenz (KI) noch dem Zivilisationsfortschritt und dem einzelnen Menschen in seiner Entwicklung?

Wo fängt sie an, den Menschen so zu vereinnahmen und zu beherrschen, dass Selbstbestimmung und Autonomieentwicklung des Einzelnen behindert oder unmöglich gemacht werden?

Ganz abgesehen davon, dass viele Bereiche, die durch KI kontrolliert und weiter entwickelt werden, inzwischen so komplex geworden sind, dass sie von Menschen ohne Unterstützung durch KI nicht mehr überschaut werden können.

Die Autoren Kissinger, Schmidt und Huttenlocher nehmen sich dieser Fragen eindringlich an, einschließlich der KI-gestützten Kontrolle modernster Waffensysteme und Sicherheitsfragen.5 Hinzu kommen die Zukunftsvisionen der Transhumanisten.

Möchte ich wirklich mein Gehirn mit KI zur Optimierung meines Bewusstseins verbinden?

Und – wenn dieses Gehirn biologisch nachlässt und der Körper verfällt – als Roboter meiner selbst ein technisch perfektes ewiges Leben haben?

Wie stehe ich zu den Zukunftsvisionen, in denen menschliche und künstliche Intelligenz zunehmend verschmelzen werden?

Wie mutet das an, wenn so gedacht und in diese Richtung konsequent gearbeitet wird: „Maschinen werden menschlich sein, auch wenn sie nicht biologisch sind?

Darin besteht der nächste Evolutionsschritt, der nächste große Paradigmenwechsel:

„Die meiste Intelligenz der Zivilisation wird letztlich nicht biologisch sein. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird sie das menschliche Denkvermögen viele Milliarden mal übersteigen.“ (Nach: Ray Kurzweil: Menschheit 2.0, S. 31).

„Der AI-Tag wird in weniger als 25 Jahren Weihnachten als den wichtigsten Feiertag ersetzen (…) Eine Sache für die menschliche Spezies ist sicher: die Geburt einer fortgeschrittenen künstlichen Intelligenz wird viel wichtiger als die Geburt Christi werden. Weihnachten, wenn es überhaupt überlebt, wird zu einem bloß gewerblichen und kulturellen Feiertag absteigen, den die Supermärkte und die großen Unternehmen aufleben lassen. Unterdessen werden vernünftige Menschen den AI-Tag als den realen Moment in der Geschichte feiern, wo der Retter der Zivilisation geboren wurde.“6

Prominente Transhumanisten wie Elon Musk, der Google Mitbegründer Larry Page und Ray Kurzweil sind große Visionäre. Mit ihren Plänen zur digitalen Transformation und deren konsequenter Umsetzung für die Schaffung einer neuen globalen wissenschaftlich und technisch fundierten Kultur haben sie einen entscheidenden Einfluss auf den Alltag jedes einzelnen gewonnen. Auch wenn sich dieser Einfluss demokratischer Kontrolle entzieht – sind wir es doch alle, die durch unsere willige Teilnahme am Digitalisierungs-hype diese Kultur mitgestalten und dadurch auch legitimieren. Edwin Hübner ist dieser Tatsache in seiner umfangreichen Recherche zur künstlichen Intelligenz und dem menschlichen Geist nachgegangen. 7

Er kontrastiert diese neue technokratische Weltanschauung aber auch eindrücklich mit der spirituell fundierten Anthroposophischen Weltsicht. Auch in der Anthroposophie geht es um Visionen für die Zukunft der Menschheit, auch hier steht die Erlangung eines umfassenden „ewigen“ Bewusstseins im Zentrum der Bemühungen – aber gebaut auf die spirituelle Kraft des Denkens und dessen Weiterentwicklung durch Konzentration und Meditation.

Selbstverständlich ist es faszinierend, sich durch Intelligenz der technischen Dienstleister bedienen zu lassen. Die feine Schwelle aber, die Abhängigkeit von Autonomie trennt, geht durch jedes menschliche Herz. Dort rumoren auch Fragen wie:

Warum nehmen wir diese globalen technischen Entwicklungen und immer perfekteren Steuerungs- und Überwachungs-instrumente noch immer nicht so ernst, dass die Zivilgesellschaft hier ihr Recht zur Mitgestaltung mit demokratischen Mitteln klar einfordert?

Offenbar hält die Mehrheit der Menschen diese Entwicklungen bisher für die moderne unausweichliche Zukunftsperspektive für das 21. Jahrhundert. Andere hingegen machen sich Sorgen und fragen:

Was muss denn noch alles geschehen, wann ist sozusagen die Schmerzgrenze erreicht für Umwelt und Mensch, so dass ein Umdenken auch in eine lebensgemäße und ökologisch heilsame politische Willensbildung einmünden kann?

Oder:

Wann kommt der sogenannte Kipppunkt, dass nicht nur das ökologische Gleichgewicht irreversibel aus den Fugen gerät – sondern auch der Mensch selbst sich so von seinen eigenen spirituellen Entwicklungsmöglichkeiten entfremdet und das menschenfeindliche und destruktive dieser ökonomisch-technisch orientierten Denkweise sich überall zu zeigen beginnt?

Selbstverständlich können solche Fragen nicht im Sinne eines Entweder-oder mit Bezug auf „fortschrittlich-technisch“ oder „rückwärtsgewandt-technikfeindlich“ beantwortet werden.

Vielmehr geht es darum, wie jeder einzelne von uns um seine ganz individuelle Antwort ringt. Wie man für sich die Frage beantwortet, wo und wie man sich im digitalen Zeitalter persönlich und sozial positionieren und engagieren möchte. Goethe lässt in seinem „Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie“ den Alten mit der Lampe sagen: Ein Einzelner hilft nicht, sondern, wer sich mit vielen zur rechten Stunde vereinigt. Unter diesem Motto hat sich auch die europäische Allianz von Initiativen angewandter Anthroposophie begründet – als Beitrag zum Umdenken und zur Unterstützung von an humanen Werten orientierten Kulturinitiativen.8

Technik funktioniert intelligent – ist aber selber tote Gegenständlichkeit. Leben hingegen ist ein umfassender komplexer Zusammenhang, aus dem sich im gesunden Zustand nichts isoliert, sondern jedes Teil dem Ganzen dient und zugleich seine klare eigene funktionale Identität hat. Um Leben zu verstehen und dem Leben zu dienen, braucht es eine an den Lebensverhältnissen orientierte Denkweise. Diese kann nicht linear oder kausal sein – sie braucht Komplexität und Multiperspektivität.

Der russische Dichter und Philosoph Leo Tolstoi (1828-1910) hat in seinem Buch „Leben“ dieses Erfordernis eindrucksvoll anhand vieler Beispiele charakterisiert. Besonders berührend ist, wie er auch den Tod in das Leben integriert und sein eigenes Erleben von der Postexistenz nach dem Tod beschreibt:

„Mein Bruder ist gestorben, sein Kokon, es ist wahr, ist leer geworden, ich sehe ihn nicht mehr in der Form in der ich ihn bisher gesehen, aber sein Entschwinden aus meinen Blicken hat meine Beziehung zu ihm nicht vernichtet. Mir ist, wie wir sagen, die Erinnerung an ihn geblieben. (…) Und diese Erinnerung ist umso lebhafter, je übereinstimmender das Leben meines Freundes, meines Bruders mit dem Gesetze der Vernunft war, je mehr es sich in der Liebe offenbart hat. Diese Erinnerung ist nicht bloß eine Vorstellung, sondern diese Erinnerung ist etwas, das auf mich einwirkt, und zwar ebenso einwirkt, wie das Leben meines Bruders auf mich während der Zeit seines irdischen Daseins eingewirkt hat. Diese Erinnerung ist dieselbe unsichtbare immaterielle Atmosphäre, die sein Leben umgeben und während seines leiblichen Daseins auf mich und auf andere eingewirkt hat, ebenso wie sie auch nach seinem Tode auf mich einwirkt. (…) Mehr als das: diese Erinnerung wird für mich nach seinem Tode viel bindender, als sie es bei seinen Lebzeiten war. Jene Kraft des Lebens die in meinem Bruder gewesen ist, ist nicht nur nicht verschwunden und nicht geringer geworden, sie ist auch nicht dieselbe geblieben, sie ist sogar größer geworden und wirkt auf mich stärker als früher. Die Kraft seines Lebens wirkt nach seinem leiblichen Tode ebenso oder noch stärker als vor dem Tode, und wirkt wie alles wahrhaft Lebende. (…) Dieses mir unsichtbare Leben meines Bruders wirkt nicht bloß auf mich, sondern es dringt in mich ein. (…) Der Mensch ist gestorben, aber sein Verhältnis zur Welt wirkt fort auf die Menschen, und nicht nur so wie im Leben, sondern um ein bedeutendes stärker, und die Wirkung steigert sich in dem Maße der Vernünftigkeit und der Liebe und wächst wie alles Lebende, ohne je aufzuhören und ohne Unterbrechungen zu kennen. Sein besonderes lebendes Ich, sein Verhältnis zur Welt wird das meinige.“ 9

Dass Tolstoi so schreiben kann, von tiefster innerer Gewissheit durchdrungen, ist Folge seiner intensiven lebenslangen Suche nach dem Sinn der menschlichen Existenz, nach seiner eigenen spirituellen Identität, die ihn dann im Alter von 49 Jahren so in eine innere Christusbegegnung hereinführt, dass er sich ab da erst wirklich als Mensch erlebt. Die für das sinnliche Auge nicht wahrnehmbaren Gedanken und Gefühle werden für ihn reales seelisches und geistiges Leben, wie der komplexe Zusammenhang seines körperlichen Lebens in der natürlichen und sozialen Umwelt seine biologische Grundlage hat.

Fazit: Unsere Zukunft in globaler Perspektive wird von der Art und Weise abhängen, welche Antwort wir Menschen auf die Frage geben, „was Ziel und Zweck“ eines menschlichen Lebens auf der Erde ist. Friedrich Schiller hat darauf bereits die zukunftweisende Antwort gegeben, die ich daher diesem Beitrag als Motto vorangestellt habe. Eins scheint jedenfalls gewiss: Halten sich die transhumanistischen Menschengruppierungen und die auf spirituellen Wegen ihre Weiterentwicklung Suchenden die Waage, so wird es interessant und konstruktiv weitergehen. Werden die letzteren lächerlich gemacht, diskriminiert, verunglimpft und womöglich ausgeschaltet, stehen unangenehme Zeiten bevor.

3. Regional-nationale Ebene

Hier geht es um die Situation der Gesundheitssysteme in den verschiedenen Ländern und die Art und Weise, wie dort mit entsprechenden Maßnahmen auf statistische Voraussagen und Empfehlungen von meinungsführenden Wissenschaftlern und Medizinern reagiert wurde und wird. Dabei ist interessant, dass der Pandemieverlauf in den verschiedenen Ländern zeigt, dass die Vor- und Nachteile strengerer oder lockerer Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen sich durchaus die Waage halten. Ein gutes Beispiel dafür ist der Vergleich von England und Deutschland.10

Auch der bekannteste Virologe in Deutschland, Professor Drosten, hat bestätigt und zudem ehrlich klargestellt, dass eine Viruspandemie mit ihren Mutationen erst endet, wenn die Bevölkerung durchimmunisiert ist – durch einen Mix aus Durchimpfung und Durchseuchung der Bevölkerung. Warum haben Schweden und England keine vierte Welle mit einschneidenden Maßnahmen zur Eindämmung, sondern ein annähernd normales Leben? Weil sie neben ihrer hohen Impfquote bedeutend mehr Genesene haben als dies für Deutschland der Fall ist.

In einem Interview mit der Wochenschrift „Die Zeit“ vom 11. November 2021 resumiert Drosten: „Bevor die Virusvarianten auftauchten, konnten wir hoffen, dass nach der Impfung auch ein monatelanger Übertragungsschutz besteht. Damals haben wir zu Recht über einen möglichen Herdenschutz diskutiert: man impft 70 %, und der Rest infiziert sich nach und nach in den nächsten Monaten bis Jahren. Nach eineinhalb Jahren wären die meisten durch, die Intensivstationen wären über lange Zeit ausgelastet, aber nicht überlastet. Dann hätte man keine weiteren Kontrollmaßnahmen gebraucht. (…) jetzt können wir auf diesen Effekt nicht mehr hoffen. Das Delta-Virus verbreitet sich bei einer erheblichen Fraktion der Geimpften weiter. (…) die Viruslast – und ich meine die isolierbare infektiöse Viruslast – ist in den ersten paar Tagen der Infektion durchaus vergleichbar. Dann sinkt sie bei Geimpften schneller. Das Dumme ist, diese Infektion wird gleich am Anfang übertragen.“

Auf die Frage: Wie blicken Sie auf das nächste Jahr? antwortet Drosten: „Das Virus wird endemisch werden. Wir können es auf keinen Fall wegimpfen, weil wir nicht die ganze Weltbevölkerung impfen können. Und bald kommen auch Immun Escape Varianten, gegen die die Impfung nicht mehr wirkt. Darum müssen wir bewusst in die endemische Phase eintreten.“

Und auf die Frage, wie die denn aussehen könnte verweist Drosten auf England: „Das können Sie in England beobachten. England hat ungefähr eine so hohe Impfquote wie wir und leider doppelt so viele Tote pro Einwohner. England ist nun in einer Nachdurchseuchungsphase, die seit dem Spätsommer anhält. Diese natürlichen Infektionen bauen den Gemeinschaftsschutz auf (kursive Hervorhebungen durch die Verfasserin). Bei uns geht das noch nicht, denn es gibt weniger Genesene, und die Alten sind schlechter geimpft. Bei uns würde eine unkontrollierte Nachdurchseuchung mindestens noch einmal 100.000 Tote bedeuten, wenn wir nicht die Impflücken vorher schließen.“

Und auf die Frage, ob sich denn dann jeder im Rahmen dieser Nachdurchseuchung anstecken wird, bemerkt er: „Ich halte das für unausweichlich. Wir werden uns alle - hoffentlich auf dem Fundament einer vollständigen Impfimmunisierung – irgendwann anstecken müssen, schon damit wir eine relevante Immunisierung kriegen.“

Offenbar reicht die Immunisierung durch Impfung nicht aus, weswegen Drosten nachsetzt und sagt: „Die Impf-immunisierung wirkt systemisch, sie schützt die Lunge, man erleidet keinen schwereren Verlauf mehr. Aber die Grundimmunität schwindet allmählich, und die Schleimhaut in Nase und Rachen ist wieder ungeschützt. Das ist bei allen anderen Coronaviren auch so. Alle eineinhalb Jahre holen wir uns jedes dieser vier Coronaviren, ob wir daran erkranken oder nicht. Dadurch wird unsere Immunität immer wieder upgedatet. Bei diesem Coronavirus müssen wir auch in diesen Modus kommen“ (Hervorhebung durch die Verfasserin).

Diese Einschätzung des weiteren Pandemieverlaufs könnte auch zu wesentlich differenzierteren und humaneren Bewältigungsstrategien der Pandemie Anlass geben und das immer gleiche wiederholen des Paradigmas „impfen, impfen, impfen als der einzige Ausweg aus der Krise“ relativieren.

Das Interview schließt dann damit ab, dass in den kommenden Jahren das Virus dann harmlos werden wird, wie ein normales Erkältungsvirus und wir schlussendlich als Gesellschaft dagegen immun sein werden. Auf die Frage, ob dann nicht neue Viren mit pandemischem Charakter auftreten können, verweist Drosten auf die schlechten Lebensbedingungen in vielen Teilen der Welt und den brutalen Umgang mit den Tieren, die das Entstehen von Pandemien eindeutig fördern.

Bedauerlich ist jedoch, wie konsequent einseitig in fast allen Ländern die mediale Begleitung der Pandemie mit dem Impfparadigma im Zentrum vonstattengeht.

Warum kommen Stimmen namhafter Fachleute aus Psychologie, Soziologie und Philosophie allenfalls im Gastkommentar der Leitmedien zu Wort, wohingegen sie in den Entscheidungsgremien keine Stimme haben?

Warum riskieren nicht wenige Ruf und berufliche Stellung, wenn sie sich öffentlich kritisch gegenüber den Pandemie-Maßnahmen äußern?

Typisches Beispiel für solches Vorgehen ist der Wissenschaftler und Allgemeinmediziner Andreas Sönnichsen in Österreich, der sich vehement gegen die dort bereits beschlossene Impfpflicht eingesetzt hat. Er ist inzwischen auch von seiner leitenden Funktion als Leiter der Abteilung für Allgemeinmedizin an der Medizinischen Universität in Wien entbunden worden. 1111

Selbst Gabor Steingart, der sonst erstaunlich konsequent das Mainstreamnarrativ vertritt, schreibt am 16.11.21 in seinem Morgenbriefing sinnierend: „Mit den Infektionszahlen steigt der Druck im Kessel der Demokratie. Vielerorts wird nicht mehr gesprochen, es wird gegiftet. Die Tyrannei der Ungeimpften, schimpfen die einen. Von der Corona-Diktatur sprechen die anderen. Die Impfgegner und ihre Antagonisten sind einander zuweilen ähnlicher als sie wahrhaben wollen. (…) Die aggressive Uneinsichtigkeit der einen ist das Problem, das durch das demonstrative Unverständnis der anderen verstärkt und nicht gemildert wird. Private Angst trifft auf staatliche Autorität, so oft und so heftig, bis wir von beidem mutmaßlich mehr erleben werden: mehr Angst und mehr Autorität“.

Ein am Menschen und an der Lebenswirklichkeit orientiertes Denken würde für gegenseitiges Verständnis sorgen und das berechtigte der beiden polaren Ansichten als Beitrag zum Ganzen unterstreichen. Es würde Mittel und Wege finden, dass sich die Meinungsvielfalt konstruktiv im gesellschaftlichen Diskurs zur Lage artikulieren kann. Wohingegen unilaterales Denken Feindbilder braucht, um sich zu legitimieren und die eigene Durchsetzungsfähigkeit zu stärken.

Umso erfreulicher sind vereinzelte Gastkommentare großer Zeitungen wie zum Beispiel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 30. Oktober 2021 in dem Beitrag von Kristina Schröder und Andreas Rödder „Für eine bürgerliche Renaissance. Offene Gesellschaften sind innovativer, leistungsfähiger und humaner. Aber wie könnten neue Konzepte bürgerlicher Politik ohne Denkverbote aussehen?“. Darin heißt es: „Eine neue bürgerliche Politik reagiert auf alle genannten Herausforderungen weder mit retro-nostalgischer Ignoranz noch mit der ideologischen Versuchung, eine neue Welt zu formen. Eine nachhaltige und zukunftsfähige bürgerliche Politik sucht vielmehr nach neuen Antworten aus den bewährten Prinzipien, die seit der Aufklärung ein beispielloses Maß an Freiheit und Lebensqualität begründet haben: Selbstverantwortung und Subsidiarität, Freiheit und Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit, Ordnungspolitik und soziale Marktwirtschaft, Wettbewerbsorientierung und Technologieoffenheit. Sie alle sind keine Selbstverständlichkeiten gegenüber staatlich gelenkter Transformation und neuer Ständegesellschaft, Einzel-Couch und Twitter-Mobs, nationalistischen Ressentiments, Fake News oder angeblichen pandemischen Imperativen.“

Die beiden Autoren sind Mitbegründer der Denkfabrik R21: „Wir wollen auf einen breiten respektvollen öffentlichen Diskurs ohne Denk- und Sprechverbote hinwirken, indem die aufklärerische Errungenschaft wieder gilt: es kommt nicht darauf an, wer etwas sagt, sondern darauf, was er oder sie zu sagen hat.“ Und: „Denn Bürgerinnen und Bürger sehen sich nicht als Gefangene übermächtiger äußerer Kräfte, sondern als Gestalter ihres eigenen Glücks“. Da kann man gespannt sein, welche Denkweisen dort diskutiert werden und in welcher Form die Ergebnisse medial aufgegriffen werden.

Denn es ist außerordentlich bedrückend, wie derzeit mit mutigen Einzelpersonen aus dem Journalismus wie Ole Skambraks 12 nach seinem kritischen Beitrag 13 zu der einseitigen Berichterstattung in den Leitmedien umgegangen wird. Er schließt diese Berichterstattung und seine darin gestellten Fragen zur Coronapandemie und ihren Widersprüchen mit den Worten: „Diese Zeilen schreibend komme ich mir vor wie ein Ketzer; jemand, der Hochverrat begeht und mit Strafe rechnen muss. Vielleicht ist es gar nicht so. Vielleicht riskiere ich hiermit gar nicht meinen Job, und Meinungsfreiheit und Pluralismus sind nicht gefährdet. Ich wünsche es mir sehr und freue mich über einen konstruktiven Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.“ Leider war dies nicht der Fall.

Was hat er geschrieben?

Er hat eine Liste von Ungereimtheiten und offenen Fragen zusammengestellt – gut belegt und kommentiert – die bisher keine substanzielle Berichterstattung in den Medien erfahren haben.

Ich kann warm empfehlen, diese im Internet nachzulesen. Einige wenige füge ich hier an:

Warum steht im neuen Infektionsschutzgesetz, dass das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung fortan eingeschränkt werden kann - auch unabhängig von einer epidemischen Lage?

Warum wird über das „Event 201“ und die globalen Pandemieübungen im Vorfeld der Ausbreitung von SARS-CoV-2 nicht oder nur in Verbindung mit Verschwörungsmythen gesprochen?

Warum wurde das den Medien bekannte, interne Papier aus dem Bundesinnenministerium nicht in Gänze veröffentlicht und in der Öffentlichkeit diskutiert, in dem gefordert wurde, dass Behörden eine „Schockwirkung“ erzielen müssten, um Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die menschliche Gesellschaft zu verdeutlichen?

Warum werden Menschen mit schweren Impfnebenwirkungen nicht im gleichen Maß portraitiert wie Menschen mit schweren Covid-19-Verläufen?

Am Ende schreibt der Redakteur:

„Die Einschränkung des Diskurses geht mittlerweile so weit, dass der Bayerische Rundfunk mehrfach bei der Übertragung von Parlamentsdebatten des Landtags die Reden von Abgeordneten, die kritisch zu den Maßnahmen stehen, nicht ausgestrahlt hat. Sieht so das neue Demokratieverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus?“

Michael Esfeld, Professor für Philosophie an der Universität Lausanne und Mitglied in der Deutschen Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, hat in seinem Beitrag: „Die Rückkehr des Kollektivismus“ 1414 das Problem auf den Punkt gebracht:

„Das Wissen der modernen Naturwissenschaft kann seinem Wesen nach nicht zur Steuerung der Gesellschaft eingesetzt werden. Aus den Theorien der Naturwissenschaften folgt nur technisches Wissen, das uns sagen kann, wie man jeweils ein von außerhalb dieses Wissens stammendes konkretes Ziel verwirklichen kann. (….) Das Problem ist nun, dass es kein einheitliches Lebensziel für alle und keine einheitliche Risikoabwägung für alle gibt.“ Hingegen bemerkt der Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa zu dieser Problematik in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung vom 2. November 2020: „Der Grat zwischen vernünftigen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und Machtanmaßungen der Politik ist naturgemäß sehr schmal … Und wenn wir die Freiheit verlieren, verlieren wir auf die Dauer alles. Ohne sie ist alles nichts.“

Worauf fokussiert sich der „politische Wille“?

Das angeführte Interview mit Professor Drosten ist charakteristisch für das Pandemie-Dilemma, dessen Zeuge wir gegenwärtig alle sind. Die systemischen Ursachen der Pandemie lassen sich nur langsam und aufgrund wachsender Einsicht bekämpfen. Gesundheitsversorgung mit mehr statt weniger Intensivbetten und besserer Ausstattung – auch finanziell und personell – im Bereich qualifizierter Pflege ist jedoch etwas, dem der politische Wille derzeit nicht primär gilt. Im Gegenteil: der Bürgermeister aus Neuhaus am Rennweg in Thüringen gibt sogar öffentlich zu – verbunden mit einer Entschuldigung gegenüber den Bürgern seines Einzugsgebietes – dass aus ökonomischen Gründen nicht wenige Intensivbetten seit Pandemie-beginn abgebaut worden sind und die Krankenhäuser für jedes abgebaute Intensivbett einen Bonus in Höhe von 4500 bis 12000 Euro bekommen haben. 15

In solcher Sachlage bleibt natürlich nur noch das Impf-Paradigma und die Kontaktbeschränkungen als einziger Weg zur Normalisierung, um den Prozess der Immunisierung der Gesamtbevölkerung so zu verlangsamen, dass das knapp gehaltene Gesundheitswesen nicht überfordert ist. Die Konsequenzen einer solch einseitigen Prioritätensetzung trägt die Gesamtbevölkerung – mit allen schmerzhaften Einschränkungen, finanziellen Einbußen, Vernichtung von Arbeitsplätzen, und nicht zuletzt die von Schulschließungen und anderen Einschränkungen psychosozial geschädigte Generation von Schülerinnen und Schülern.

Ehrlicherweise möchte ich dazu sagen, dass ich schon als Medizinstudentin in den siebziger Jahren keine Erkältungssaison zwischen Herbst und Frühjahr erlebt habe, wo Kliniken nicht vorübergehend Aufnahmestopp hatten und Patienten in andere Kliniken verlegt werden mussten, weil vor Ort alle Betten belegt waren. Und damals gab es noch bedeutend mehr Krankenhäuser und Betten als heute! So war das Argument der Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen bei der ersten Welle durchaus nachvollziehbar, weil man die notwendigen Präventions- und Schutzmaßnahmen noch nicht genügend kannte und die ersten Annahmen davon ausgingen, dass schwere Verläufe weit häufiger sein würden, als dies dann tatsächlich der Fall war.

Warum aber dann in der Folge so viele Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte und soziales Elend in Kauf nehmen, nur weil der politisch-ökonomische Wille fehlt, sich darauf zu konzentrieren, wie man die pflegerische und stationäre Versorgungslage der Krankenhäuser verbessert und den Schutz der vulnerablen Gruppen optimiert?

Zudem war ja nach der zweiten Welle den Fachleuten klar, dass sich das Virus nicht stoppen lassen wird – allen Maßnahmen zum Trotz. Dass es selbstverständlich wie alle anderen Viren auch, sich verändert aber nicht verschwindet.

Warum also jetzt kein Strategiewechsel, der der tatsächlichen Lage gerecht wird?

Angesichts dieser Tatsachen ist die schmerzhafte Frage berechtigt, warum sich der politische Wille nach wie vor im Panikmodus befindet.

Warum bewegt sich der politische Wille nicht in Richtung eines möglichen, am realen Risiko orientierten „risikostratifizierten“ Krisenmanagement?

Diesen Begriff habe ich von Prof. Harald Mattes übernommen. Als Leiter einer großen Corona-Ambulanz und aufgestockter Corona-Intensivbettenstation in Berlin hat er sich bereits nach den Erfahrungen mit der ersten Welle im Oktober 2020 öffentlich für ein risikostratifiziertes Handeln im Pandemiegeschehen eingesetzt. Er kennt die Krankheit und ihre Risiken gut, aber auch die Tatsache, dass die große Mehrheit der Bevölkerung nichts zu befürchten hat. 16

Fazit: Demokratie und ihr Fundament, die Grund- und Menschenrechte, sind durch das chronisch gewordene Krisenmanagement in Gefahr. Die im Zuge der Pandemiebewältigung installierten Überwachungsinstrumente werden bleiben und weiterentwickelt. Die Bevölkerung soll zu regelmäßigen Impfungen gezwungen werden können. Das Krisenmanagement, was im akuten Notfall seine tiefe Berechtigung hatte, steht aber inzwischen nicht mehr alternativlos da. 17 Es braucht aber einen angstfreien Debattenraum, damit Vorschläge für ein risikostratifiziertes Handeln durchdacht und - ggf. auch regional begrenzt und wissenschaftlich begleitet – realisiert werden können. Sonst drohen die ökonomiegetriebenen wissenschafts- bzw. gesundheitsdirektorialen Verhältnisse zu persistieren, und eine Denkweise übernimmt die Herrschaft, die dem spirituellen Wesensanteil des Menschen nicht gerecht wird.

3. Zivilgesellschaftliche, persönliche Ebene

Auf dieser Ebene steht die persönliche Betroffenheit jedes einzelnen im Zentrum – familiär und beruflich-sozial: Angst vor der Infektion oder auch vor möglichen Nebenwirkungen der empfohlenen Impfung, existenzielle Sorgen vor wirtschaftlichem Abstieg und Armut, Angst vor der Zukunft insbesondere bei der jungen Generation. Die Gesellschaft hat sich polarisiert, Aggression und Depression belasten in noch nie dagewesenem Umfang Familien- und Arbeitszusammenhänge.

Die Impfung wird als einziger Hoffnungsträger gegenüber dem gesamten Pandemiegeschehen propagiert. Die Einführung aber einer Impfpflicht nahezu für alle mit den Mitteln von Zwang und Ausgrenzung zeigt auch hier, dass das oben charakterisierte konformistische und technokratische Steuerungsdenken unseren Alltag nicht nur erreicht hat, sondern bereits beherrscht und für menschenunwürdige Alltagsszenarien sorgt.

  1. Joseph Weizenbaum: Kurs auf den Eisberg. Die Verantwortung des Einzelnen und die Diktatur der Technik. Piper, München und Zürich 1987.
  2. Forum Publishing 2020
  3. www.youtube.com/c/ErnstWolff1/videos Ernst Wolff: Die 4. industrielle Revolution - Ende aller Demokratie? Oder Aufbruch in eine neue Welt? - YouTube Ernst Wolff: Wolff of Wall Street: Ernst Wolff erklärt das globale Finanzsystem, Wien 2020
  4. https://www.youtube.com/watch?v=083VjebhzgI
  5. Henry A. Kissinger, Eric Schmidt, Daniel Huttenlocher: The Age of AI. And Our Human Future, London 2021
  6. Nach Zoltan Istran: Huffpost vom 24.11.2013
  7. Edwin Hübner: Menschlicher Geist und künstliche Intelligenz. Die Entwicklung des Humanen inmitten einer digitalen Welt
  8. www.eliant.eu
  9. Leo N. Tolstoi: Das Leben, Bd. 7 der gesammelten Werke Diederichs Jena 1911, Kapitel 31, Seite 219 ff.
  10. https://www.welt.de/kultur/plus235506042/Corona-Politik-Das-Beispiel-England-spricht-gegen-die-Impfpflicht.html
  11. https://www.heute.at/s/corona-kritischer-professor-andreas-soennichsen-von-med-uni-wien-gefeuert-100179350 https://www.youtube.com/watch?v=RZaMxzt8cV0&ab_channel=FP%C3%96TV https://www.youtube.com/watch?v=3H-JVJ-Q2w4&ab_channel=WienerTV
  12. Ole Skambraks, Jahrgang 1979, studierte Politikwissenschaften und Französisch an der Queen Mary University, London sowie Medienmanagement an der ESCP Business School, Paris. Er war Moderator, Reporter und Autor bei Radio France Internationale, Onlineredakteur und Community Manager bei cafebabel.com, Sendungsmanager der Morgenshow bei MDR Sputnik und Redakteur bei WDR Funkhaus Europa/Cosmo. Zuletzt arbeitete er als Redakteur im Programm-Management/Sounddesign bei SWR2.
  13. https://multipolar-magazin.de/artikel/ich-kann-nicht-mehr
  14. In der Wochenschrift „Das Goetheanum“
  15. https://www.epochtimes.de/gesellschaft/ueben-wir-toleranz-appell-eines-thueringer-buergermeisters-a3655563.html
  16. S. z.B. www.berliner-zeitung.de/news/leitender-arzt-corona-massnahmen-sind-in-dieser-pauschalitaet-nicht-mehr-zu-rechtfertigen-li.108933-
  17. https://info3-verlag.de/blog/die-corona-massnahmen-sind-in-dieser-pauschalitaet-nicht-mehr-zu-rechtfertigen/ https://dasgoetheanum.com/alles-fragt-nach-dem-sinn/ https://www.anthroposophie-lebensnah.de/fileadmin/anthroposophie_lebensnah/user_upload/Memorandum_Version_4.4.pdf

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