Vorbeugung und Behandlung von COVID-19 durch Anthroposophische Medizin

Welche alternativen Behandlungsmöglichkeiten von COVID-19-Infektionen gibt es?

Und wie kann man einer Infektion vorbeugen?

Was kann jeder selbst dafür tun?

Behandlungskonzept der Anthroposophischen Medizin

Anthroposophische Medizin versteht sich als Integrativmedizin, die ihre Behandlungsansätze auf allen Ebenen menschlicher Existenz den jeweils individuellen Gegebenheiten anpasst. Bereits am 9. März stellte die Medizinische Sektion am Goetheanum den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen aller Länder ein erstes, integratives Behandlungskonzept der Anthroposophischen Medizin vor, das auf Basis der jahrzehntelangen Erfahrung Anthroposophischer Kliniken und Ärzte in aller Welt und in enger Kommunikation untereinander bei der Behandlung von Lungenentzündungen ohne bakterielle Ursache entwickelt worden war1 Im Laufe des Jahres wurden COVID-19-Patienten aller Krankheitsstadien mit großem Erfolg nach diesen Richtlinien behandelt.

Die anthroposophischen Krankenhäuser in Berlin/Havelhöhe, Herdecke/Ruhr und die Filderklinik bei Stuttgart sind Teil der Regionalversorgung. Berlin/ Havelhöhe hat unmittelbar zu Beginn der Krise eine Corona-Ambulanz eingerichtet,2 und alle Häuser haben ihre intensiv-medizinischen Kapazitäten erweitert. Neben den Möglichkeiten der schulmedizinischen Behandlung kommen dort auch die supportiven Arzneimittel der Anthroposophischen Medizin zum Einsatz, die die Selbstregulation des Körpers unterstützen.

Bedeutung der Komplementärmedizin bei COVID-19

Ende März kam es bei einer WHO-Konferenz, die sich für Behandlungsmöglichkeiten der Komplementärmedizin interessierte, zu einem gegenseitigen Austausch mit chinesischen Kollegen, die damals 91,5 % aller COVID-Patienten ergänzend mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) behandelt hatten und von einer deutlichen Senkung der Rate schwerer und fataler Krankheitsfälle berichteten. China wie auch die Anthroposophische Medizin hatten die Erfahrung gemacht, dass eine konsequente frühe Behandlung, also bereits in der ersten Krankheitsphase, mit Naturarzneimitteln sehr wirksam und geeignet ist, ein Fortschreiten der Erkrankung bzw. Komplikationen abzuwenden. So können Bitterstoffe die Infektabwehr des Organismus verstärken und die Genesung einleiten, während Antipyretika und Schmerzmittel das Immunsystem schwächen schwächen.

In Klinik und ambulanter Praxis kommt der Fieberbehandlung dabei eine zentrale Bedeutung zu. Viren reagieren nicht nur an der Luft empfindlich auf Sonnenlicht und Wärme, sondern auch im Organismus. Der Körper entwickelt deshalb Fieber, um die Viren abzutöten. Dabei sind eine fröhlich-helle Stimmung und liebevolle Versorgung und Begleitung äußerst hilfreich für den Genesungsprozess.3 Fiebersenkende Arzneimittel (Antipyretika) werden nur dann erwogen, wenn die Selbstregulation des Kranken zu schwach ist. Ansonsten wird der Körper mit physikalisch-physiologischen Maßnahmen (z. B. Wadenwickel) in seinem Bestreben, durch Erhöhung des Wärmezustands die Viren zu bekämpfen, positiv unterstützt und das Fieber in gesundenden Grenzen gehalten aber nicht unnötig gesenkt.

Der anthroposophische Kinderarzt Prof. David Martin hat die Grundprinzipien einer physiologischen Fieberbehandlung auf seiner Website und in einem Video erläutert und viel dazu beigetragen, die Angst vor dem Fieber zu nehmen. Auch gibt es von ihm zwölf Interviews zu allen Fragen rund um Fieber, Allergie und Immunsystem.4 Wichtig sind aber auch ausreichender Schlaf, gesunde Ernährung und regelmäßige körperliche Bewegung und Spaziergänge an der frischen Luft. Die bisherigen Erfahrungen zur anthroposophischen Behandlung von Atemwegsinfekten finden sich im Vademekum ausführlich dokumentiert.5

Behandlungsansätze der Schulmedizin

Im Gegensatz zur klassischen Lungenentzündung, die antibiotisch behandelt werden kann, hat die Schulmedizin keine spezifischen Medikamente, die die Aktivitäten des Virus stoppen könnten. Es gibt zwar sogenannte antivirale Medikamente – diese sind jedoch nicht Covid-19-spezifisch und haben erhebliche Nebenwirkungen. Daher setzt man bei der Behandlung virusbedingter Erkrankungen auf Impfungen und, so vorhanden, auf Behandlung mit spezifischen Antikörpern, den sogenannten Hyperimmunglobulinen, die die Viren deaktivieren können. Da werden aus Organismen gewonnen, auch von Menschen, die die Krankheit bereits überwunden haben, und die durch die Überwindung der Krankheit die entsprechenden Immunglobuline bilden konnten. Diese Behandlungsmöglichkeit wird es wohl in Zukunft vermehrt geben, sie stand im Jahr 2020 aber nicht ausreichend zur Verfügung.

Umso interessanter ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in China die meisten Krankenhäuser und Patienten in der Krise auf die Traditionelle Chinesische Medizin gesetzt haben,6 und sich auch in Europa in zahlreichen Fällen die supportiven Therapieverfahren der Homöopathie und Anthroposophischen Medizin bewährt haben. Insofern kann man auf die Auswertungen der Krankengeschichten nach der Krise gespannt sein.

Immunabwehr durch gesunde Gefühle und Gedanken

Hauptanliegen der Anthroposophischen Medizin ist es, den Menschen auf allen Ebenen zu stärken und so seine Immunabwehr zu verbessern – als Prävention wie auch als Therapie. Welche Möglichkeiten es neben der medikamentösen Behandlung gibt, möchte ich hier kurz erläutern.

Da die Atemwege bei COVID-19 besonders betroffen sein können, bis hin zur lebensbedrohlichen Pneumonie, ist es besonders wichtig, sich bewusst zu machen, wie stark positive Gefühle uns helfen, gesund zu bleiben. Unsere Gefühle nehmen sehr stark Einfluss auf die Art und Weise, wie tief oder wie oberflächlich wir atmen, wie regelmäßig und entspannt oder angespannt und stockend. Das kennt jeder aus eigener Erfahrung.

Wie aber kann man positive Gefühle erzeugen, wenn man Angst vor Ansteckung hat?

Wenn man mit Stress und Wut zu kämpfen hat aufgrund der beengten häuslichen Verhältnisse?

Wenn man Sorgen hat um Kranke oder alte Familienangehörige, mit denen man nur noch telefonisch Kontakt aufnehmen und die man nicht besuchen kann?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: An erster Stelle steht sicher Musik, die man liebt. Hört man sie und kann sich auf sie einlassen, so erlebt man unmittelbar, wie sich die Seelenstimmung, der Gefühlszustand und das Atmungsverhalten ändern. Auch die Besinnung auf Momente im Leben, in denen man dankbar, zufrieden und glücklich war, können einem deutlich machen, dass dies zwar jetzt eine Krise ist, aber sicher auch wieder andere Zeiten kommen werden.

  • Immun-Booster auf seelischer Ebene: Gebet, Meditation, gute Gespräche

Hinzu kommen Gebete und Meditationssprüche, die man sich vornehmen kann. Zum Beispiel ein solcher von Rudolf Steiner, der hilft, innere Ruhe wiederherzustellen:

Ich trage Ruhe in mir,
Ich trage ihn mir selbst
Die Kräfte die mich stärken.
Ich will mich erfüllen
Mit dieser Kräfte Wärme,
Ich will mich durchdringen
Mit meines Willens Macht.
Und fühlen will ic
wie Ruhe sich ergießt
Durch all mein Sein,
Wenn ich mich stärke,
Die Ruhe als Kraft
In mir zu finden
Durch meines Strebens Macht.

Im Zwischenmenschlichen hilft sehr, wenn man bewusster zuhört, was der andere sagen will, und, anstatt sofort zu reagieren, einen Moment überlegt, wie man die Antwort so formuliert, dass sie gut aufgenommen werden kann.

Der Salutogenese-Forscher Aaron Antonovsky (1923–1994) fand drei Gefühlsqualitäten heraus, die den Menschen innerlich sicher und widerstandsfähig (resilient) machen können7 Übt man diese im zwischenmenschlichen Dialog zu Hause und am Arbeitsplatz (wenn dies wieder möglich ist), so kann man sich und anderen helfen, freier zu atmen und sich gesünder zu fühlen. Es entsteht ein Gefühl von Kohärenz, wenn man etwas versteht, es als sinnstiftend erlebt und schließlich Freude daran hat es umzusetzen. Dieses dreifache Kohärenzgefühl der Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit und Handhabbarkeit spielt im zwischenmenschlichen Bereich eine zentrale Rolle. Sich verstanden zu fühlen tut gut, beim Denken und Tun Sinn zu erleben, ebenfalls – und schließlich die Erfahrung zu machen, dass man mithilfe der erworbenen Fähigkeiten helfen kann.

Andersherum ist nichts kränkender, als sich unverstanden, sinnlos und ohnmächtig zu erleben. Es sind eben Gefühle, durch die wir uns mit uns selbst und der Welt im Zusammenhang erleben. Kein Lebewesen könnte ohne den Bezug zur Umwelt überleben. Aus dem Zusammenhang herauszufallen und Isolation zu erleben sind lebensfeindliche und kränkende Umstände, die bis zum Tod führen können, wenn sie zu lange anhalten.

  • Immun-Booster auf geistiger Ebene: gute Gedanken und Motivation

Auf geistiger Ebene wirken gute Gedanken und Motivationen immunstimulierend, die auf das Wesentliche gerichtet sind und uns spüren lassen, dass wir nicht nur aus einem physischen Leib bestehen, sondern auch eine dem Denken zugängliche geistige, unzerstörbare Identität haben. Jeder kennt die Kraft, die man plötzlich hat, wenn man sich für etwas begeistert. Wenn man ein Ideal hat, für dessen Realisierung man sich einsetzt. Gute Gedanken verbinden die Menschen geistig und erzeugen so eine Verbundenheit, die uns in Zeiten der Isolation geistig stärken können. Wie stark wird es oft von Kranken erlebt, wenn Menschen gute Gedanken schicken!

Eine einfache Überlegung macht deutlich, woher diese „Macht der Gedanken“ kommt: Letztlich wird das Leben, wird unsere Mitwelt – einschließlich der technischen Instrumente, die wir erschaffen – von Gesetzmäßigkeiten bestimmt. Jeder Gesetzmäßigkeit liegt aber ein Gedanke zugrunde. Gedanken sind sozusagen selbst wirkmächtige Gesetzmäßigkeiten.

Auch in der Selbsterziehung ist dies tägliche Erfahrung: Ich entwickle mich in der Richtung, wie ich es mir zunächst einmal gedanklich vornehme und dann übend realisiere. Wer z.B. Ehrlichkeit im täglichen Leben übt, wird irgendwann einmal ein echt ehrlicher Mensch. Und so ist es auch mit dem Glauben und dem Vertrauen: Ich kann nur an etwas glauben, auf etwas vertrauen, was ich es denken kann – selbst, wenn ich es noch nicht voll verstehe. Im Griechischen werden Glauben und Vertrauen mit demselben Wort ausgedrückt: Pistis. Vertrauen ist das Grundgefühl, das wir dem Denken gegenüber haben. Die beiden gehören zusammen. Denn wir vertrauen unserem Denken bedingungslos – weswegen Gedanken des Zweifels uns so quälen können. Würden wir ihnen keinen Glauben schenken, hätten sie diese Macht nicht über uns. Das ist die Schattenseite.

Die lichtvolle Wirkung von Worten und Gedanken wird am Beispiel des Gebetes, das der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer wenige Monate vor seiner Hinrichtung im Gefängnis niedergeschrieben hat, deutlich. Diese Zeilen sind mittlerweile Bestandteil jeder größeren Gebetssammlung. Eine Strophe daraus möge daran erinnern:

Von guten Mächten wunderbar geborgen
Erwarten wir getrost was kommen mag
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Gedanken und Worte wie diese haben deswegen eine unmittelbar heilsame und Ich-stärkende Wirkung, weil Gedanken nicht nur als Naturgesetze die materielle Welt beherrschen, sondern auch die Brücke schlagen in die unsichtbare göttlich-geistige Welt. Wer sich mit seinem Denken auch hier beheimaten lernt und sich mit Zielen und Idealen identifiziert, die aus dieser Welt stammen, hat sich eine Gesundheitsquelle erschlossen, die nie versiegt.

Körperliche Gesundheit durch seelische und geistige Immunität

Letztlich sichert das Immunsystem unsere körperliche Identität. Es wird stärkend beeinflusst durch unsere seelische und geistige Immunität, die durch die Identifikation mit dem entsteht, was uns begeistert und unserem Leben Sinn verleiht. Goethe hat dieses Erlebnis von der Ewigkeit und Unzerstörbarkeit der Gedanken in seinem Gedicht „Vermächtnis“ zum Ausdruck gebracht:

Kein Wesen kann zu nichts zerfallen!
Das Ew`ge regt sich fort in allen!
Am Sein erhalte ich beglückt!
Das Sein ist ewig; denn Gesetze
Bewahren die lebendigen Schätze,
Aus welchen sich das All geschmückt.

Rudolf Steiner hat diese ewigen Werte und Ideale einmal für einen Schüler so formuliert:

Das Schöne bewundern,
Das Wahre behüten,
Das Edle verehren,
Das Gute beschließen.
Es führet den Menschen
Im Leben zu Zielen,
Im Handeln zum Rechten,
Im Fühlen zum Frieden
Im Denken zum Licht
Und lehrt ihn Vertrauen
Auf göttliches Walten
In allem, was ist
Im Weltenall
Im Seelengrund.

Vgl. Michaela Glöckler, „Fragen und Überlegungen zur Corona-Krise aus medizinischer Sicht“, in: „Corona – eine Krise und ihre Bewältigung, Verständnishilfen und medizinisch-therapeutische Anregungen aus der Anthroposophie“, ISBN 9 783751 917919

  1. Eine Übersicht kann abgerufen werden unter: https://www.anthromedics.org/PRA-0939-DE#list-sections-4.
  2. Vgl. www.tagesspiegel.de/berlin/neue-coronavirus-ambulanz-in-berlin-spandau-wir-sehen-eine-extreme-verunsicherung-der-bevoelkerung/25622712.html
  3. ebenda
  4. Siehe www.warmuptofever.org, www.youtube.com/watch?v=iVURD9lmteU sowie www.medsektion-goetheanum.org/anthroposophische-medizin/care-praxis-anthroposophische-medizin/umgang-mit-fieber-und-infektionserkrankungen-care-ii/.
  5. Vademecum Anthroposophische Arzneimittel, Supplement Der Merkurstab 70, Berlin 2017. Für die Selbstbehandlung zu Hause bei leichteren Formen der Infektion kann ich die Publikation von Markus Sommer, Grippe und Erkältungskrankheiten natürlich heilen, Stuttgart 2009, sehr empfehlen.
  6. Z.B. mit dem auch hierzulande immer bekannter werdenden TCM CC08 Shufeng Jiedu 18.15, das in China wesentlich zum Abklingen der Corona-Welle beigetragen hat.
  7. Aaron Antonovsky, Salutogenese – Zur Entmystifizierung der Gesundheit, Tübingen 1997.

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