Über- und Unternatur des Menschen

Was ist mit Übernatur und was mit Unternatur des Menschen gemeint?

Inwiefern gehören sie zur menschlichen Natur?

Die folgende Gegenüberstellung soll aufzeigen, welche Eigenschaften, Möglichkeiten und Herausforderungen der Mensch dem Zusammenwirken von Unter- und Übernatur verdankt. Indem sich die Geistgeschenke von den Hierarchien sowie die Geschenke der Naturreiche im Sinne des Scotus Erigena im Menschen durchdringen, befähigen sie ihn zur freien Urteilsbildung. Und vom frei und selbständig errungenen Urteil des Menschen hängt ab, wie er mit den ihm anvertrauten Fähigkeiten und Lernaufgaben umgehen will und in wessen Dienst er sie stellen möchte.

Die neun Hierarchien und ihre Wirkung auf den Menschen – Übernatur

Hier nun eine Zusammenstellung der geistigen Hierarchien, die man sich im oberen, auf dem Kopf stehenden Dreieck des Salomonischen Siegels vorstellen kann, von unten nach oben aufsteigend. Sie werden in ihrer Gesamtheit auch als Übernatur bezeichnet. Jeder Hierarchie verdanken wir eine menschliche Eigenschaft (vgl. Engel: Engelhierarchien und Schöpfungsprozess):

  1. Sphäre der Engel: Denkbefähigung
  2. Sphäre der Erzengel: Gefühls- und Sprachbefähigung
  3. Sphäre der Archai:Willensfähigkeit
  4. Sphäre der Geister der Form:Atemtätigkeit
  5. Sphäre der Geister der Bewegung:Blutbewegung
  6. Sphäre der Geister der Weisheit:Stoffwechsel/Substanzverwandlungsimpulse
  7. Sphäre der Geister des Willens: Trieb zur Menschwerdung
  8. Sphäre der Geister der Harmonie: Gewissensstimme
  9. Sphäre der Geister der Liebe: Schicksalseinsicht

Die neun Schichten des Inneren der Erde und ihre Wirkung auf den Menschen – Unternatur

Entsprechend folgt hier eine Zusammenstellung der Kräfte aus den Schichten des Inneren der Erde, die man sich im unteren, auf der Basis stehenden Dreieck des Salomonischen Siegels vorstellen kann, von oben nach unten absteigend. Sie werden in ihrer Gesamtheit auch als Unternatur bezeichnet. Jeder dieser Kräfte aus einer Erdschicht verdanken wir eine menschliche Untugend oder Schwäche, die hier nur kurz genannt werden kann:

  1. Mineralische Schicht: Sinneswahrnehmung isoliert von der Geistesanschauung
  2. Leben ertötende Schicht: Neid
  3. Gefühle verkehrende Schicht: Eifersucht
  4. Formen ins Negativ verwandelnde Schicht:Taten verhindern oder verkehren
  5. Schicht wuchernden Lebens: Gedankliches und verbales Ausufern
  6. Willensfeuer-Schicht (z.B. Vulkanismus):Sich in Emotionen hineinsteigern
  7. Erdspiegel-Schicht: Doppelgängerhaftes Sich-Spiegeln
  8. Schicht des Zersplitterers: Missverstehen, Atomisieren, Hass, Zorn
  9. Schicht der Gegenmoral, Zentrum der Schwarzen Magie: Gelerntes in den Dienst des Egoismus stellen

Vergangenheitskräfte aus den Erdentiefen

Allgemein kann gesagt werden, dass alle im Alltag beobachtbaren „natürlichen“ menschlichen Schwächen auf alte Evolutionsreste und Widerstände aus der Unternatur zurückgehen, die unsere Entwicklung herausfordern. Denn in den Erdentiefen lagern sich auch viele der negativen Seeleneigenschaften der Menschen ab, die diese in der Läuterungszeit nach dem Tode ablegen. Diese Seelenkräfte warten darauf, künftig durch die Menschen wieder zum Guten verwandelt zu werden. Sie sind es daher, die uns immer wieder den Anreiz geben, zu einer neuen irdischen Verkörperung herabzusteigen, um an dieser Verwandlung zu arbeiten.

In je tiefere Schichten der Erde man geistig blickt, desto mehr sieht man auch in die Vergangenheit unseres Erdplaneten zurück. Es sind seelisch-geistige Kräfte der fernen Vergangenheit, die in den Erdentiefen wirken – Kräfte, die heute nicht mehr zeitgemäß sind und daher zu einer Quelle des Bösen werden. Rudolf Steiner hat wiederholt darauf hingewiesen, dass das Böse ein zeitversetztes, also ein zur Unzeit wieder auftretendes, ehemaliges Gutes ist. Kräfte, die einmal ihre volle Berechtigung hatten, bewirken, wenn sie sich heute entfalten, Böses.

Für ein christliches Verständnis des Bösen ist es entscheidend herauszuarbeiten, dass diese 9fach gegliederten Gegenimpulse bzw. Gegenkräfte nötig sind, um uns Menschen gegenüber den Götterintentionen und -begabungen in die Sphäre der Freiheit zu entlassen. Um ein eigenes Urteil frei erringen zu können, muss ein Gleichgewicht der Kräfte im Weltall herrschen. Christus ist der Repräsentant dieser Gut und Böse zulassenden und damit Gleichgewicht schaffenden Schöpferweisheit. Er ist der Garant für den Freiraum in jeder Menschenseele, aus dem heraus sie zu urteilen lernt.

Bewusster Umgang mit Unter- und Übernatur

Die oben genannten Eigenschaften mögen in der Schlichtheit ihrer Formulierung deutlich machen, wie tief diese Qualitäten meist unbewusst auf das menschliche Leben einwirken und es individuell und sozial beeinflussen. Es ist deshalb überaus wichtig, auf diese Möglichkeiten und Kräfte der menschlichen Natur aufmerksam zu werden und bewusst mit ihnen umgehen zu lernen. Sonst laufen sie Gefahr sich ich-los, das heißt am eigenständigen Urteil des Menschen vorbei, Bahn zu brechen und

Das Luziferische und das Ahrimanische machen sich in der menschlichen Natur immer dann unheilvoll geltend, wenn es dem Menschen nicht gelingt, diese Einflüsse bewusst in sein Leben zu integrieren und auf gesunde Weise auszubalancieren (vgl. Das Böse - Widersachermächte: Das Geheimnis des Bösen im Spiegel der Apokalypse). Die richtig verstandene menschliche Urteilsfähigkeit und die sich daraus ergebenden Handlungen wirken als weltenverbindende, integrierende und gleichsam erlösende Taten in den Entwicklungszusammenhang von Mensch und Natur, von Erde und Kosmos ein. Diese Zusammenhänge zu verstehen und bewusst mit ihnen umzugehen, ist für jeden therapeutisch Tätigen in der heutigen Zeit nahezu unerlässlich.

Es sei in diesem Zusammenhang auch auf das lesenswerte Buch von Friedrich Glasl hingewiesen, der durch seine Arbeit als Unternehmensberater auf typische Formen von Konfliktbereitschaft und deren Eskalationsstufen aufmerksam wurde, in denen er nach und nach die Qualitäten der von Rudolf Steiner geschilderten neun Erdschichten wiederentdeckte. Dieses Wissen floss in sein ,,Handbuch für Führungskräfte und Berater"1 ein. Glasl verweist dort auf die Möglichkeit, mithilfe des Geschenks einer bestimmten Hierarchie die Kräfte aus der entsprechenden Erdschicht auszugleichen.

Merkur und das hermetische Siegel

Abschließend sei bemerkt, dass die Form, die der Merkur am Himmel zeichnet, wenn er sich um die Sonne herumbewegend mit der Sonne gemeinsam seinen Weg um die Erde geht, das hermetische Siegel ist, der Schlüssel Salomos, das Hexagramm. In 3 x 116 Tagen kommt Merkur der Erde dreimal am nächsten und ist dreimal am weitesten von ihr entfernt. Werden diese Punkte miteinander verbunden, so entstehen zwei Dreiecke, ein etwas kleineres und ein etwas größeres, die genau polar ineinandergeschoben sind, so wie beim Sechsstern, der auf der vorangehenden Skizze in seiner auseinandergezogenen Form gezeichnet ist (vgl. Natur und Kosmos: Zusammenfassung der kosmischen Qualitäten). Dieses weltenverbindende und um Ausgleich ringende Prinzip ist die Tatensprache Merkurs, dessen Wesen insbesondere in dem Erzengel Raphael2 verehrt wird (vgl. Raphael: Raphael als Quelle alles Heilenden).

Vgl. Notizen im Nachklang der Internationalen Schwesterntagung vom 9. bis 12. Mai 1996 am Goetheanum

  1. Friedrich Glasl, Konfliktmanagement – Ein Handbuch für Führungskräfte und Berater, 4. Auflage, Bern und Stuttgart 1994.
  2. Rapha-el heißt aus dem Hebräischen übersetzt: der Arzt Gottes, wo­ bei die Abkürzung -el" für Elohim= Gott steht.