Gegenseitige Beeinflussung von Gedanken- und Körperleben
Was ist mit Doppelnatur des Ätherischen gemeint?
Und welchen Einfluss haben unsere Gedanken auf unsere Lebensprozesse, auf unseren Stoffwechsel und unser Immunsystem?
Was geschieht beim Denken und was beim Verdauen?
Wirkdynamik der Doppelnatur des Ätherischen
Lebens- und Gedankentätigkeit als polare Qualitäten weisen nicht nur die bereits beschriebene Identität in Bezug auf die zugrundeliegenden ätherischen Kräfte auf. Es gibt einen weiteren unmittelbaren Zusammenhang: die polare Wirkdynamik des Ätherischen (vgl. Doppelnatur des Ätherischen: Zur Identität von Wachstums-, Regenerations- und Gedankenkraft) zeigt sich
- in den unbewussten Lebensprozessen köperbezogener Lebenstätigkeit einerseits
- und den bewussten Denkprozessen leibfreier Gedankenkompetenz andererseits.
Das lässt sich mit der Metamorphose von Lebenskräften in Denkkräfte erklären, wie ich sie im Folgenden darstellen möchte (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Die Metamorphose der Wachstumskräfte in Gedankenkräfte):
Am Ende der Diastole kommt unser Blut Herzschlag für Herzschlag für Sekundenbruchteile zum Stillstand. Aus den Erythrozyten und den Kraftzusammenhängen des Blutes, die von Milz und Leber abgebaut wurden, lösen sich nun Kräfte von Ich-Organisation, Astralleib und Ätherleib aus dem Kreislaufsystem heraus, werden leibfrei und verwandeln sich in unser Denkvermögen, das sich an unserem Gehirn reflektiert. Der Sauerstoff, den wir einatmen, sorgt dafür, wenn er zum Herzen gelangt, dass nicht das ganze Blut ätherisch wird. Die abgebauten Lebenskräfte werden jedoch Herzschlag für Herzschlag leibfrei. Dazu gehören auch all die Kräfte im Blut, die in jungen Jahren dem Wachstum dienen und später als solche nicht mehr gebraucht werden. Sie lösen sich nach und nach auf diese Weise aus dem alternden Organismus.
Durch diese Kräfte entfalten wir
- über unsere Ich-Organisation den Willen zu denken,
- mithilfe unseres Astralleibes ein Gefühl für unsere Gedanken
- und aus unserem Ätherleib die „Substanz“, mit der wir denken.
Die Kräfte, die unseren Gedankenorganismus bilden, sind uns bewusst – ganz im Gegensatz zum unbewussten Wirken der Wesensglieder im Körper beim Stoffwechsel. Es handelt sich aber um dieselben Kräfte.
Zusammenhang zwischen Denken bei Tag und Regeneration bei Nacht
In der Nacht spalten wir uns nicht auf in ein bewusstes und ein unbewusstes Leben. Vielmehr begibt sich der Ätherleib beim Einschlafen ganz und gar hinein in unseren physischen Leib zur Regeneration insbesondere des Nervensystems, während der Astralleib und die Ich-Organisation das Nerven-Sinnes-System verlassen. Solange dieser Zustand währt, schlafen wir.
Die Art jedoch, wie wir tagsüber gedacht haben, behindert oder fördert nachts im Schlaf die Regeneration unseres Organismus. Zu den erschütterndsten Ausführungen für uns Ärzte im „Pastoral-Medizinischer Kurs“1 gehört die hier sinngemäß wiedergegebene Aussage Rudolf Steiners: „Die meisten Menschen denken, sie schlafen sich gesund – die wenigsten wissen, dass sie sich auch oft krank schlafen.“ Mit anderen Worten: Wir werden nachts physiologisch beeinflusst von unseren Irrtümern und unseren Problemen, von unserem nicht lebens- und wahrheitsgemäßen Denken.
Wechselwirkung zwischen Stoffwechsel und Denken
Auch folgende Zusammenhänge zwischen Stoffwechsel und Denken betreffen uns zutiefst (vgl. Ernährung und Verdauung: Stoffwechsel und Denken):
Der körpergebundene Ätherleib baut auf uns nicht bewusste Weise über den Stoffwechsel unseren Leib auf und arbeitet dabei ganz immunsystemorientiert und auf unser biologisches Ego fixiert, ist also ganz auf unseren unverwechselbaren, individuellen, persönlichen Organismus hin ausgerichtet – das hält uns gesund.
Der leibfreie Ätherleib arbeitet in Form unseres bewussten Denkens polar dazu: Unser Denken sollte sich so sehr an der Wahrheit orientieren, dass man die eigenen persönlichen Standpunkte den Tatsachen der Wahrheit und ihren Gesetzen selbstverständlich unterordnet – das hält uns ebenfalls gesund.
Die mittelalterlichen Alchemisten kannten dieses polare Wirkgeheimnis und nannten es Opfer der Natur – „sacrificium naturae“ und Opfer des Intellektes – „sacrificium intellectus“.
- 1. Opfer der Natur – „sacrificium naturae“
„Sacrificium naturae“ nennt man die Tatsache, dass die Stoffe aus den Naturreichen über die Verdauung in menschliche Substanz verwandelt werden. Die Nahrung wird dabei in ihre kleinstmöglichen Bestandteile zerlegt. Sie opfert sich gleichsam ganz und gar an den Menschen hin unter totalem Verzicht auf ihre Eigenheit. Nur dadurch kann der Mensch aus diesen Nahrungsstoffen sein ganz individuelles Körpereiweiß aufbauen, seine spezifische biologische Identität bilden. An die Stelle der Natur tritt sozusagen der Mensch: Die Natur lässt sich von den Lebens- bzw. Stoffwechselprozessen verwandeln in menschliche Substanz .
- 2. Opfer des Intellektes – „sacrificium intellectus“
Umgekehrt verhält es sich mit der Denktätigkeit. Wollen wir die Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten oder andere Menschen verstehen, müssen wir bereit sein, Irrtümer zu überwinden, einseitige Standpunkte und persönliche Meinungen aufzugeben, bis wir wirklich verstehen, was ein anderer Mensch meint und sagen möchte. Oder welchen Regeln die Mathematik und die Naturgesetze folgen, wie die Logik arbeitet. Dazu ist es nötig, alles Selbstbezogene, Eigene zu überwinden, die eigenen Sinneswahrnehmungen und Erkenntnismöglichkeiten ganz in den Dienst des Erkennens und Verstehens der Dinge und Vorgänge dieser Welt zu stellen, d.h. das eigene Denken „hinzuopfern“.
„Sacrificium intellectus“, bedeutet demnach, dass der Mensch, indem er die Welt denkt, sich selbst geistig verwandelt, indem er sich in seinem Denken zunehmend der Erkenntnis der Wahrheit annähert und im höchsten Sinne des Wortes Altruismus übt, diese wunderbare Qualität, die mit dem Begriff „Selbstlosigkeit“ umschrieben wird. Zur Selbstlosigkeit ist man fähig, wenn man in seinem Selbst so stark und gefestigt ist, dass man sich selbst loslassen kann, ohne Angst sich zu verlieren, wenn man von sich absehen kann.
Goethe sagte: Man lernt nur kennen, was man liebt. Oder: Wenn man etwas wirklich verstehen will, muss die Art der Betrachtung der Art des zu Betrachtenden angleichen: Der Mensch wird beim Erkennen zur Welt, muss sich in das verwandeln, was er verstehen möchte, muss sich dem ähnlich machen. Nur durch diese Selbsterfahrung am anderen, an diesem Anders-werden-Können, kommt man der Wahrheit näher.
Vgl. Vom Sinn der … Krankheiten, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016
- Rudolf Steiner, Das Zusammenwirken von Ärzten und Seelsorgern. Pastoral-Medizinischer Kurs, GA 318.