Wirken des Ätherleibes bei Tag und bei Nacht

Was ist mit Ätherleib gemeint?

Welche unterschiedlichen Kompetenzen hat er?

Wie wirkt er bei Tag und wie bei Nacht?

Wie ermöglicht er zusammen mit Astralleib und Ich unser Seelenleben?

Allgemeines zum Wirken des Ätherischen

Rudolf Steiner bezeichnet den individuell organisierten Gesamtzusammenhang von Denk- und Lebens- bzw. Stoffwechseltätigkeit als Ätherleib. Das griechische Wort aither/Aether steht für den durchsonnten blauen Himmel und macht dadurch deutlich, dass Sonne und Leben zusammen gehören. Ist doch das Leben auf der Erde maßgeblich durch die Sonne und ihre 24-Stunden-Tag-und-Nacht-Rhythmik bestimmt (vgl. Natur und Kosmos: Lebensvorgänge und kosmische Rhythmen). Die Pflanzen brauchen dieses Himmelslicht, um ihre ätherische Lebenstätigkeit auf der Erde vollziehen zu können: Ohne Sonnenlicht gäbe es keine Chlorophyllbildung, durch die die Pflanzen grün werden und ihren Aufbaustoffwechsel bewerkstelligen könnten, indem sie Kohlensäure/CO2 aufnehmen und den für Mensch und Tier lebensnotwendigen Sauerstoff/O2 abgeben.

Beim Menschen wirkt der Ätherleib deutlich unabhängiger von der Sonneneinstrahlung als bei den Pflanzen. Dennoch sehen wir an der vom Sonnenlicht abhängigen Bildung von Vitamin D3 sowie an der Synchronisierung unserer 24-Stunden-Biorhythmik mit dem Sonnenstand der Zeitzone, in der wir leben, dass auch unser individuelles Menschenleben angeschlossen und mitgetragen ist von dem umfassenden Lebenszusammenhang dieser Welt und ihren Gesetzen (vgl. Lebensrhythmen: Pflege des Tagesrhythmus).

• Ätherleib-Tätigkeit bei Tag

Tagsüber arbeitet der Ätherleib polar (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen des Ätherleibes):

  • Einerseits wirkt er in den Stoffwechselprozessen des Leibes und seiner Organe,
  • andererseits außerkörperlich in der Denk- und Sinnestätigkeit.

Zwischen beiden besteht ein inniger Zusammenhang, worauf im Folgenden näher eingegangen werden soll.

Parameter der Denktätigkeit

Ein Teil der Kräfte von Ich-Organisation, Astralleib und Ätherleib verlassen im Herzen gegen Ende der Diastole, wenn das Blut für einen Moment, für Bruchteile von Sekunden, zum Stillstand kommt, unseren Körper, wobei der Sauerstoff, den wir einatmen und zum Herzen führen, dafür sorgt, dass nicht das ganze Blut ätherisch wird, sondern dass die ätherischen Kräfte sich nur aus den Erythrozyten und den Kraftzusammenhängen des Blutes lösen, die von Milz und Leber abgebaut wurden. Diese Lebenskräfte werden Herzschlag für Herzschlag leibfrei. Aber auch all die Kräfte im Blut, die in Kindheit und Jugend dem Wachstum dienten, und für die weitere Entwicklung als solche nicht mehr gebraucht werden, lösen sich nach und nach auf diese Weise aus dem heranreifenden Organismus heraus: Sie werden leibfrei, verwandeln sich und reflektieren sich an unserem Gehirn als unser Denken (vgl. Denken: Entwicklung der Organsysteme und Denken). Geisteswissenschaftlich gesehen ist der Denkprozess ein auf der untersten Ebene leibgestützter Äther-Reflektionsprozess.

Unser Denken erleben wir seinem Wesen nach wie ein inneres Licht, eine innere Sonne – wodurch sich die Verwandtschaft zu allem Ätherischen offenbart (vgl. Denken: Denken als Brücke zwischen der Sinneswelt und der Welt des Geistigen). Wenn uns „ein Licht aufgeht“, d.h., wenn wir plötzlich etwas verstehen, erleben wir dies als erhellend, ein Thema wird durchsichtig für uns, wir „durchschauen“ es, es wird leicht – wie Gedanken eben sind.

Leibfreies Denken, Fühlen und Wollen

Auf den Schwingen des Ätherischen lösen sich im Zuge der körperlichen Entwicklung auch die differenzierenden Kräfte des Astralleibes (vor allem nach dem 2. Jahrsiebt) und die integrierenden Kräfte der Ich-Organisation (vor allem nach dem 3. Jahrsiebt) sukzessive heraus, sobald sie ihre jeweiligen Aufgaben erfüllt haben, und werden frei für die seelisch-geistige Arbeit: Als unsere Seelenkräfte von Denken, Fühlen und Wollen sind sie lebenslang bei Tage außerkörperlich tätig und bleiben es auch bis zum Tode (vgl. Wesensglieder: Die Metamorphose der Wesensglieder in leibfreies Denken, Fühlen Und Wollen). Durch diese leibfrei gewordenen Kräfte entfalten wir aber auch

  • dank der Ich-Kräfte den Willen zu denken,
  • dank der astralen Kräfte ein Gefühl für unsere Gedanken
  • und dank der ätherischen Kräfte die „Substanz“, mit der wir denken.

Die Gedanken sind unserm Bewusstsein zugänglich – ganz im Gegensatz zur unbewussten Stoffwechseltätigkeit der Wesensglieder.

• Ätherleib-Tätigkeit bei Nacht

Im Schlaf erlischt das bewusst erlebte Gedankenlicht. Wir versinken in Bewusstlosigkeit. Das kommt dadurch zustande, dass sich auch der Teil des Ätherleibes, der bei Tage leibfrei ist als wachbewusstes Denkvermögen, wieder mit dem Leib verbindet. D.h. der Ätherleib begibt sich zur Gänze hinein in unseren physischen Leib – zur Regeneration insbesondere des Nervensystems. Das erklärt, warum die Art, wie wir tagsüber gedacht haben, die nächtliche Regeneration der Lebenskräfte unseres Organismus behindert oder fördert. Dafür kommt es verstärkt zu Aufbautätigkeit und Regeneration insbesondere im Bereich des Nervensystems und der Sinnesorgane. Dadurch regenerieren sich diese Organsysteme, die im Wachzustand durch die außerkörperliche Tätigkeit des Denkens besonders strapaziert werden: Den Abbauprozessen des Tages werden aufbauende Prozesse entgegengesetzt.

Kindlicher Schlaf

Anders beim Kind: Hier wirken Ich-Organisation und Astralleib auch noch herein, weil sie nachts gar nicht wegkönnen – aus dem einfachen Grund, weil sich diese Wesensglieder noch gar nicht vom Leib emanzipiert haben (vgl. Wesensglieder: Die Metamorphose der Wesensglieder in leibfreies Denken, Fühlen Und Wollen). Kinder müssen also über die Ich-Organisation und den Astralleib auf dem Umweg über die Sinne, über das Erleben im Leib, in einer Art angeregt werden, dass sich ihre Erfahrungen nachts, wenn der gesamte Ätherleib im physischen Organismus eintaucht, um regenerierend und leibbildend zu wirken, in positiver Weise in den Leib einprägen. Alles, was ein Kind an Leib und Seele erlebt, wirkt sich bei ihm noch stärker aus auf die Wachstums-, Reifungs- und Entwicklungsprozesse als beim Erwachsenen. Das heißt, wir sind als Erzieher und Lehrer durch die Art, wie wir uns bei Tage verhalten, die Mitgestalter am Leibe des Kindes in der Nacht.

Nächtliche Anbindung von Astralleib und Ich

Was machen nun Astralleib und Ich des Erwachsenen, die sein Tagesbewusstsein ausmachen, in der Nacht?

• Regeneration an den Urbildern

Astralleib und Ich-Organisation verlassen beim Schlafen den Leib und suchen einerseits den Bezug zum Kosmos, um sich an den gesundenden Urbildern aus den Sternen- und Planetensphären neu zu orientieren und sich von dem zu erholen, was sie erleiden, wenn sie unseren „kleinkarierten“ Alltagsgedanken ausgesetzt sind (vgl. Wesensglieder: Veranlagung und Struktur der Wesensglieder). Am Morgen kehren sie zurück und tauchen wieder ein in den leibfreien Anteil des Ätherleibs, sodass wir dann fühlen und wollen können, was wir denken. Astralleib und Ich als leibfreies Fühlen und Wollen bleiben ab den Geburtsmomenten, in denen sie sich erstmals aus der physisch-irdischen Konstitution herauslösen, zeitlebens außerkörperlich.

• Erleben der Wahrheit des anderen

Andererseits sind Astralleib und Ich-Organisation aber auch verbunden mit all den Menschen, mit denen wir am Tage zu tun hatten: In der Nacht tauchen Astralleib und Ich ein in den anderen und erleben die Ereignisse aus seiner Warte. Wenn man also am Tage jemanden hart angefasst hat oder ihm unfreundlich begegnet ist, erlebt man in der Nacht, wie sich das für den anderen angefühlt hat. Man erlebt dann die andere Seite der „gemeinsamen Wahrheit“.

So gesehen haben Ärzte, Pflegende, aber auch Lehrer und Erzieher einen brisanten Beruf, weil sie jede Nacht jeden Gedanken, jedes Gefühl und jede Handlung unbewusst noch einmal erleben – diesmal aus der Sicht der Menschen, die sie pflegen, unterrichten und erziehen – und empfinden jetzt deren Wahrheit. Das zu wissen, kann unsere Haltung und die Anforderungen an uns selbst verändern: Wir können uns von vornherein dafür zu interessieren beginnen, wie der andere etwas erlebt, und müssen damit nicht warten, bis es Nacht wird.

Vgl. Körperleben und Gedankenleben, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 1. Kap., Berlin 2016