Engel, Erzengel und Archai

Welche Bedeutung haben Beziehungen zwischen Mensch und Engel aus anthroposophischer Sicht?

Welche Engel haben direkten Einfluss auf die menschliche Entwicklung?

Mit Christus verbundene Wesen lassen uns frei

An dieser Stelle möchte ich den engen Zusammenhang des Christentums mit der Qualität der Freiheit erwähnen. Die geistigen Wesen, mit denen der Christus verbunden ist, lassen uns frei, so wie auch ER uns frei lässt. Das erleben wir an der Tatsache, dass wir so unendlich viele Probleme haben, dass wir uns orientierungslos fühlen, so isoliert im Denken, beziehungslos oder gefangen in der Schwere einer Beziehung, unglücklich und unzufrieden in dem, was wir wollen. Das weist direkt darauf hin, dass es von uns abhängt, ob wir höhere Kräfte in die verschiedenen Bereiche unseres Lebens hereinlassen wollen oder nicht (vgl. Macht: „Die letzte Freiheit des Menschen“ und die Macht-/Ohnmacht-Frage).

Kinder, die aus der vorgeburtlichen Welt kommen, stehen noch ganz unter dem Schutz der dritten Hierarchie. Sie sind noch ganz in der Aura der Christuswesenheit und lernen den Weg, die Wahrheit und das eigene Leben durch das Erlernen des Gehens (vgl. Die ersten drei Jahre: Gehen – Sprechen – Denken: Gehen - freies Handeln – Schicksalsgestaltung), Sprechens (vgl. Die ersten drei Jahre: Gehen – Sprechen – Denken: Sprechen – Zuhören – Liebefähigkeit) und Denkens (vgl. Die ersten drei Jahre: Gehen – Sprechen – Denken: Denken – Selbstbewusstsein – Geisterkenntnis) kennen. Sie erleben eine unbewusste Christusbegegnung, indem diese drei menschlichen Fähigkeiten erlernen. Sie fühlen sich ganz anders angenommen, wenn der Erwachsene als Entsprechung dazu bewusst die Beziehung zu dem Höheren Selbst sucht.

Dieses gesamte Thema, diese Fragen und Zusammenhänge, haben direkte Auswirkungen auf die Gesundheit in allen Lebensabschnitten. Sie wirken sich nicht nur im Erwachsenenleben aus, sondern auch im Leben der Kinder und Jugendlichen.

Rudolf Steiner schildert uns diesen Zusammenhang in den Vorträgen, die er am 28. und 29. April 1923 in Prag1 hielt. Er schildert da, wie die Engel, die Erzengel und die Archai nachts warten, was der Mensch, wenn er eingeschlafen ist, mitbringt in die geistige Welt. Doch nicht nur höhere Wesen warten auf das Einschlafen des Menschen, es warten auch unterschiedliche Klassen ahrimanischer Elementarwesen.

1. Engel und Denken

Jeder Gedanke, der sich nur auf rein Materialistisch-Sinnliches bezieht, der die übersinnliche Natur des Denkens und den Geist verleugnet, jeder derartige Gedanke kann sich nur in Beziehung zu den ahrimanischen Elementarwesen setzen und wird von ihnen gierig aufgesaugt. Jeder Gedanke hingegen, der sich zu einem höheren Geistigen in Beziehung setzt – das betrifft jeden idealistischen Gedanken – kann aufgenommen werden von den Engeln und wird dankbar angenommen. Denn Ideale sind eine rein geistige Angelegenheit (vgl. Ideale: Ideale als Kraftquelle). Die Engel können dadurch den Menschen in der Nacht mit ihrer Kraft beschenken, einer Kraft, die das Menschen-Ich in seinem Denken erweckt und festigt.

2. Erzengel und Sprache

Jedes böse, ungnädige, verurteilende Wort, das wir sprechen, tritt in der Nacht in Beziehung zu ahrimanischen Elementarwesen, die noch stärker sind als die zuvor genannten. Jedes Wort, das aus einer gütigen menschlichen Gesinnung heraus gesprochen wurde und einen heilsamen, tröstlichen oder erhellenden Charakter hat, kann aufgenommen werden von den Erzengeln, die sich mit ganzen Menschengruppen beschäftigen. Sie helfen den Menschen, Qualitäten in ihr Fühlen aufzunehmen, die sie bei Tage befähigen, das richtige soziale Klima zu schaffen, die sie inspirieren zu den richtigen Einfällen, zum richtigen Wort zur richtigen Zeit.

Wie kommt es, dass dem einen immer das richtige Wort einfällt und der andere ständig „daneben redet“, sodass das Unheil noch vergrößert wird?

Die Erzengelwesen helfen uns in diesem Bereich – oder können es eben nicht. Sie spinnen Fäden von Mensch zu Mensch. Ihr Aufgabenbereich liegt in dem „Sprachweben“ zwischen Menschen und in der menschlichen Gefühlswelt. Sie wollen die Menschen in diesen Bereichen unterstützen, aber nur im christlichen Sinne, d.h. wenn die Menschen es wollen. Und wenn sie bei Tage von sich aus daran arbeiten (vgl. Engel: Engelhierarchien und Schöpfungsprozess).

3. Archai und globales Handeln

Als Drittes warten die Archai Nacht für Nacht auf die tagsüber vollbrachten Taten der Menschen. Das sind die „Boten des Anfangs“ oder die Ur-Kräfte. Sie haben die ganze Menschheit „im Blick“. Das weist uns auf die schwere Aufgabe hin, die wir erfüllen müssen, wenn unser Handeln in allen Einzelheiten menschenfreundlich werden soll. Es geht dabei um gewaltige Ideale, die die Menschheit als Ganzes betreffen:

  • Solange wir nur etwas für uns selbst tun, ist es noch lange nicht für die Menschheit getan.

  • Solange wir etwas nur aus Liebe zu unseren Familienmitgliedern tun, ist es auch noch nicht für die Menschheit getan.

  • Erst wenn wir einen Gesichtspunkt finden, der unser Handeln mit der Menschheit als Ganzes verbindet, können uns diese Ur-Kräfte ihren Segen und ihre Kraft geben (vgl. Bewusstseins(seelenzeitalter: Entwicklung von Selbst- und Weltbewusstsein).

Das äußert sich in einer existenziellen Lebenssicherheit, einer tiefen Hoffnungskraft, die im Willen wirkt und von den Wesen des Anfangs kommt, in denen wir fest und ursprünglich verwurzelt sind. Wenn wir unsere Handlungen bei Tage auf die oben genannte Weise in Beziehung setzen zum Menschheitsganzen, bestärken sie uns jede Nacht in dieser Verwurzelung.

Wenn uns die Beziehung zur Engelwelt fehlt, haben wir als Folge mit Isolation, Beziehungsstörungen und existenziellen Angstzuständen zu kämpfen. Diese Probleme sind jedoch direkter Ausdruck unserer heutigen Freiheit. Deswegen sollten wir sie auch nicht wegwünschen: Wir brauchen den Zweifel, die Angst und die Unsicherheit, um uns unserer Freiheit mehr und mehr bewusst zu werden. Nur in der Einsamkeit der Isolation, wenn niemand mehr nach uns fragt, werden wir ganz selbstständig.

Vgl. Vortrag „Der therapeutisch-heilende Auftrag der Mutter“, Dornach, 16. und 17.05.1992

  1. In: Rudolf Steiner, Die menschliche Seele in ihrem Zusammenhang mit göttlich-geistigen Individualitäten, GA 224.