Erziehungsnotstand

Worin wurzelt der heutige Erziehungsnotstand?

Was kann dagegen unternommen werden?

Gründe für den Erziehungsnotstand

Eltern und Erziehern stehen heute zahlreiche Bücher zur Verfügung, in denen nicht nur die menschenkundlichen Grundlagen und die Schritte der kindlichen Entwicklung erläutert werden, sondern die darüber hinaus auch Hinweise für die praktische Umsetzung erzieherischer Maßnahmen im Umgang mit dem Kind enthalten. Auch stehen Erziehungsberatungsstellen, Kinderpsychologen und Selbsthilfegruppen für jeden Ratsuchenden zur Verfügung, werden in jeder Hinsicht differenzierte Förderungsmöglichkeiten geboten.

Warum aber besteht dennoch ein „Erziehungsnotstand“?

Das liegt mit Sicherheit nicht daran, dass Eltern und Erzieher über ein mangelndes Wissen verfügen, sondern vielmehr an der Schwierigkeit, dieses Wissen umzusetzen. Es gibt zwar in der Praxis viele nachahmenswerte Beispiele, wie man einen Krippenalltag sinnvoll gestalten oder einen Kindergarten nach modernen Gesichtspunkten so einrichten kann, dass Sinnesentwicklung, Kreativität, Sprachvermögen, Bewegungsfähigkeit und Geschicklichkeit dort optimal angeregt und ausgebildet werden. Die Realität sieht aber zumeist doch so aus, dass die Kinder, die es am nötigsten brauchen, es nicht bekommen.

In dem aufrüttelnden Buch „Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht?“1 wird darüber hinaus noch die neue Art der Vernachlässigung kindlicher Bedürfnisse aufgedeckt: die gekonnte und bewusste Desensibilisierung gegenüber Grausamkeit und Gewalt und der Verlust von Mitgefühl und empathischer Beziehungsfähigkeit. Dabei hat sich z.B. der Anteil von Kindern an Gewaltdelikten seit 1993 mehr als verdreifacht und zeigt in Deutschland eine Zunahme bei Jugendlichen von 72 %.

Mitverantwortung für das Morgen übernehmen

Demgegenüber gibt es Versuche, sich international zum Schutz der Kindheit zusammenzutun. Hunderte von nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) und Vereinigungen zum Kampf um die Rechte der Kinder sind hier aktiv. Ein Beispiel dafür ist die „Alliance für Childhood“, die im Jahr 2000 gleichzeitig in New York, London und Stuttgart begründet wurde. Sie hat das Ziel, ein internationales Netzwerk kooperierender Organisationen, Institutionen und aktiver Einzelpersönlichkeiten aufzubauen und weltweit zu agieren.2

Dennoch steht es noch aus, dass die elementarsten Grundsätze einer gesunden Entwicklung überall Gehör finden, indem z.B. Einrichtungen geschaffen werden und dafür Sorge getragen wird, dass diese für die Menschenentwicklung so lebenswichtigen Maßnahmen vor allem denen zugutekommen, die es am nötigsten brauchen, weil hier das soziale Netz von Anfang an eine Schwachstelle hat.

Jeder – auch diejenigen, die selbst keine Kinder haben – ist heute aufgerufen sich zu bemühen, die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit zu verstehen. Das versetzt uns auch in die Lage, das eigene Menschsein umfassender zu begreifen und diese Dimension nicht im wachsenden Druck der Ereignisse zu vergessen. Es liegt an uns, Mitverantwortung für das Morgen zu übernehmen und es nicht nur „irgendwie“ kommen zu lassen, sondern aktiv mitzugestalten (vgl. Christus heute: Christusbewusstsein entwickeln lernen).

Vgl. „Kindsein heute, Schicksalslandschaft aktiv gestalten“, Stuttgart – Berlin 2003

  1. Dave Grossman, Gloria DeGaetano, Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht? Ein Aufruf gegen Gewalt in Fernsehen, Film und Videospielen, Stuttgart 2002.
  2. Alliance for Childhood: Uwe Buermann, Alte Landstr. 70, 229 49 Ammersbek. Tel. 04532/ 266410; Fax 04532/ 266411. Internet: www.allianceforchild- hood.de.