Neue Strategien in der Gesundheitsvorsorge

Inwiefern wirkt sich die salutogenetische Sichtweise auf die Gesundheitsvorsorge in der Schulmedizin aus?

Das Prinzip der Salutogenese hat und hätte für die gesamte Impfpolitik, für die Fieber-behandlung und für den Umgang mit dem kindlichen Immunsystem weitreichende Folgen. Es wirft neue Fragen auf und stößt neue Strategien in der Gesundheitsvorsorge an. Auf jeden Fall legt es nahe, dass man bestimmte Maßnahmen stärker individualisieren und nicht generell jedes Kind nach dem gleichen Schema impfen oder antibiotisch behan¬deln sollte. Glücklicherweise hat sich die kinderärztliche Reflexhandlung der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, beim Auftreten von Fieber umgehend mit einem Zäpfchen Abhilfe zu schaffen, bereits in die richtige Richtung gewandelt, indem in neue¬ren Lehrbüchern zu lesen ist, dass das nur noch der unerfahrene Kinderarzt praktiziert. Zu überzeugend sind die Nachweise der immunstimulierenden und Viren und Bakterien schädigenden Wirkungen des Fiebers.1

• Kinderkrankheiten und Impfen

Das salutogenetische Prinzip geht auch konform mit dem Gedankenansatz der Anthroposophischen Medizin, dass durchgemachte Kinderkrankheiten die kindliche Entwicklung unterstützen, indem sie die Entwicklung des Immunsystems, die Fähigkeit zu Selbstregulation und Selbstheilung und damit die körperliche Individualisierung und „Inkarnation“ fördern. Selbstverständlich sollte im echten Bedarfsfall weiterhin geimpft bzw. nach fiebersenkenden oder antibiotisch wirksamen Substanzen gegriffen werden. Dies sollte jedoch nur bei gegebener Indikation erfolgen – wie körperliche Schwäche, Herzfehler und Ähnliches – oder bei Hunger, mangelnder Hygiene und Pflege, wie dies z.B. in Afrika der Fall ist.

So ist bei jedem Kind die Frage zu stellen, ob es stark genug ist für die Auseinandersetzung mit der Krankheit. Das zu beurteilen ist vornehmlich ärztliche Aufgabe. Ist ein Kind in seiner Konstitution so schwach, dass ihm die Auseinandersetzung mit einer Kinderkrankheit oder hohem Fieber nicht zugemutet werden kann oder fehlt die nötige Unterstützung aus dem sozialen Umfeld, so ist es natürlich auch sinnvoll, das Kind zu impfen und im gegebenen Fall mit fiebersenkenden Mitteln und Antibiotika zu behandeln.

Grundsätzlich gilt, dass man nicht durch unreflektierte Massenimpfungen die Auseinandersetzung mit sämtlichen Kinderkrankheiten verhindert sollte und damit den Kindern die Chance nehmen, neue weitreichende Widerstandskräfte zu entwickeln. Auch wird in der Diskussion immer wieder vernachlässigt, dass z.B. Masern viel häufiger zu Komplikationen führen, wenn fiebersenkende Mittel gegeben wurden und damit der Körper seiner Waffe gegen das Masernvirus beraubt wurde.2,3

• Umgang mit Antibiotika

Durch die zunehmende Resistenzentwicklung im Bereich der Antibiotika hat sich glücklicherweise an dieser Front bereits ein Umdenken angebahnt, indem zunehmend auch Fachleute empfehlen, Antibiotika nur noch zu verordnen, wenn sie wirklich indiziert sind, d.h., wenn ein Organismus zu schwach ist, die Überwindung der Infektion aus eigener Kraft zu leisten. So kommt nun auch im Bereich der Schulmedizin in Gang, was durch Nachdenken und „physiologische Empathie“ – dem Mitdenken und Mitempfinden der Bedürfnisse des wachsenden Organismus – von Homöopathen, anthroposophischen Ärzten und anderen Komplementärmedizinern schon lange empfohlen wird.

Vgl. „Kindsein heute, Schicksalslandschaft aktiv gestalten“, Stuttgart – Berlin 2003

  1. Siehe Michaela Glöckler, Wolfgang Goebel, Kindersprechstunde, a.a.O.
  2. Wolfgang Goebel, Schutzimpfungen selbst verantworten. Grundlagen für eigene Entscheidungen, aethera, Stuttgart 2002.
  3. Ilene Claudius, Larry J. Baraff, Pediatric emergencies associated with fever. Emergency Medicine Clinics of North America 28: S. 67 - 84, 2010.