Das Herz als Sinnesorgan und Ausstrahlungsort der Vokale in der Eurythmie

Inwiefern kann das Herz als Sinnesorgan gesehen werden?

Was haben die Vokale konkret mit dem Herzen zu tun?

Das Herz ist neuen physiologischen Erkenntnissen und Rudolf Steiners Hinweisen gemäß ein hochkomplexes und vielseitiges Sinnesorgan.(vgl. Herz(chakra): Das menschliche Herz) Es nimmt nicht nur den Sauerstoffgehalt und die chemische Blutbeschaffenheit wahr, sondern auch die Blutmechanik und die Wärmeregulation mittels einer Fülle differenzierter Chemo- und Mechanorezeptoren, sowie Fühlern für den Durchblutungsgrad von Herz und Kreislauf. Im Herzen finden wir aber auch hormonähnlich wirkende Substanzen, die den gesamten Stoffwechsel über das Herz abstimmen und damit die Nährstoffversorgung der Organe regeln. Das Herz ist außerdem eine Art zentrales Sinnesorgan für den Lebenszustand des Organismus und ist zuständig für die Koordination des Flüssigkeitshaushalts.

Der Bezug zu den Vokalen ergibt sich sowohl aus dem anatomischen Aufbau des Herzens – das etwa so gross ist, wie die zwei aneinander gelegten Fäuste beider Hände – als auch aus seiner Funktion:

  • Es ist geformt wie ein Becher, ein Kelch, ein A.
  • Seine Funktionsdynamik ergibt eine Vertikale, ein I: Bei jeder Kontraktion springt es in der Brust in die Vertikale. Dabei muss man sich vorstellen, dass es sich beim Springen in die Vertikale noch schraubenförmig verdreht – wie entlang den Schlangenumwindungen des Merkurstabs. Es tanzt so auf und ab, gleichsam spielerisch um sein Gleichgewicht bemüht.
  • Das E ist ihm wie eingepflanzt, indem sich die großen Arterienstämme - der zur Lunge führende Truncus pulmonalis und die den Körper versorgende große Schlagader, die Aorta, im Herzen kreuzen. Sie stellen dort sowohl ein anatomisches als auch funktionelles E dar.
  • Dem Herzen als Hohlorgan ist das O direkt eingeschrieben. Seine wundervolle Rundung, die sich nach jedem Herzschlag in der Diastole neu mit Blut füllt, ist ein archetypisch schönes O.
  • Betrachtet man jedoch den Gesamtaufbau des Herzens, so sieht man wie sich die Parallelität und Symmetrie dieses Organs während der Embryonalentwicklung aus einer zweischlauchigen Anlage durch Aneinanderlagern und Verdrehen zweier paralleler Gefässabschnitte bildet – den sogenannten Herzschläuchen. Das vierkammerige Hohlorgan Herz bildet sich so aus einer symmetrisch-paarigen Anlage als ein besonders komplizierter, sich spiralig verdrehender Blutgefässabschnitt. Es entsteht also aus der U-Geste heraus und behält den symmetrisch-parallelen Aufbau zeitlebens bei.
  • Es ist nicht nur so, dass die Vokale eurythmisch ansetzen im Herzen - das Herz IST klingender Vokalismus. Die vokalischen Urlaute sind dem Herzen anatomisch und physiologisch eingeschrieben und führen zur 'Verselbstung', indem sie als zentrale Strömungen des Ätherleibes den gesamten Blut- und Flüssigkeitsmenschen regulieren.

Mit dem Herzen ist aber auch alles rhythmische und eurythmische Geschehen verbunden (vgl. Heileurythmie: Heileurythmie - Herz der anthroposophischen Medizin): Diese Rhythmen ergeben sich aus der genauen Koordination von Atem und Herzschlag: In unseren Gefäßabschnitten sind sämtliche Rhythmen vorhanden, die in der Afro-Amerikanischen Musik vorkommen, auch synkopische Rhythmen - alles ist dort in sich überlagernden Gefäßpulsen veranlagt und wird im Herzen synchronisiert.

Diese Synchronisation ergibt, dass drei Rhythmen vom Arzt wahrgenommen werden, wenn er das Herz auskultiert. Es sind dies – zusammen mit dem Atmungsrhythmus – die klassischen Tempi und Rhythmen der europäischen Musik.

Das Herz ergießt sein Blut in die Lunge über einen speziellen Kreislauf, der über den truncus pulmonaris das gesamte Körperblut in die Lunge leitet und somit den Gesamt-Kreislauf erweitert. Wenn wir alle feinen Alveolen der Lunge aufsplitten würden, hätten wir einen See von 90 bis 100 m² Fläche, der mit jedem Atemzug belüftet wird – ein Blutsee, der sich der Umgebung öffnet, die über den Bronchialbaum wie eingestülpt ist in unsere Lungen, die so genannte 'Bluttafel', die sich als Riesenfläche der äußeren Luft der Atmung anbietet. Über die Atmung kann nun der Konsonantismus heranbranden, die Außenwelt, und dem Herzen begegnen. Diese wundervolle Atemaktivität, die wir über die Konsonanten noch verstärken können, indem wir uns ausdehnen und große Weiten über die Konsonanten heranholen, wird Herzens-Lungen-Schlag genannt: Er macht das Wesen des Menschen aus.

Vgl. Vortrag „Vom Wesen der Heileurythmie als Herzorgan der Anthroposophischen Medizin“,
1. Weltkonferenz für Heileurythmie am Goetheanum, 30. Mai 2008