Selbstsicherheit und Konfliktfähigkeit

Wie gehen wir im Alltag miteinander um?

Wie „loben“ und „tadeln“ wir uns in Gedanken, Gefühlen und Worten?

Was können wir durch mehr Wachheit, Sorgfalt und Ehrlichkeit auf diesem Gebiet zur Stabilisierung der sozialen Verhältnisse beitragen?

Wie wirkt sich Selbstsicherheit im Umgang mit Konflikten aus?

Wie wird Selbstsicherheit veranlagt und gefördert?

Selbstsicherheit und Zuversicht sind wichtige Eigenschaften bei der Konfliktbewältigung. Sie werden entwickelt und gefördert durch sachgerechten Umgang mit Lob und Tadel (vgl. Wille(nsschulung): Strafe und Belohnung). Das kindliche Selbstbewusstsein wird geschwächt, wenn es im Laufe eines Tages mehr getadelt als gelobt wird.

Lob muss Tadel ausgleichen oder überwiegen

In der kinderärztlichen oder schulärztlichen Sprechstunde kommt es immer wieder vor, dass ein „schwieriges Kind“ vorgestellt wird und man genauestens erfährt, wo überall die Probleme sitzen. Fragt man dann nach den Fähigkeiten und Möglichkeiten dieses Kindes, nach dem, was es an Positivem bieten kann, herrscht meist erst einmal Schweigen. Die positiven Eigenschaften eines schwierigen Kindes leben oft längst nicht so lebhaft im Bewusstsein der Eltern und Erzieher wie die Probleme, an denen man sich täglich sorgt und reibt. Man muss sich nur einmal in die Lage eines solchen Kindes hineinversetzen: Kein Erwachsener würde eine derartige Situation über längere Zeit ertragen. Er würde entweder den Arbeitsplatz wechseln oder ausziehen – je nachdem, wo ihm solch ein Psychostress zugemutet wird. Ein Kind kann jedoch nicht davonlaufen – es kann nur verhaltensauffällig werden, immer mehr provozieren, um deutlich zu machen, dass hier etwas nicht stimmt.

Beim Umgang mit Lob und Tadel gibt es eine goldene Regel, die unbedingt zu berücksichtigen ist: Wenn man an einem Kind etwas kritisiert, muss man auf der anderen Seite auch eine Fähigkeit hervorheben, über die man sich freut. Wenn man an einem Kind oder Schüler in der Schule nur drei positive Eigenschaften entdeckt, darf man auch nur drei negative tadeln – alle anderen muss man „übersehen“. Denn nur wenn Lob und Tadel im Gleichgewicht sind, ist die Voraussetzung geschaffen, dass die Freude und die Kraft, die durch das Lob hervorgerufen werden, ausreichen, um den Schmerz auszuhalten, der durch den Tadel entsteht. Es gibt aber auch Kinder – insbesondere aus belasteten Familien –, bei denen das nicht reicht: Bei ihnen muss der Tadel an einem Fehler aufgewogen werden mit dem Loben von mindestens drei lobenswerten Ereignissen oder Verhaltensweisen, um ihnen das Gefühl zu geben, dass es in Ordnung ist so, wie es ist.

Man muss sich als Erzieher in die Situation eines „schwierigen“ Kindes versetzen, muss in Gedanken neben ihm stehen und alles, was es erlebt, aus seinem Blickwinkel heraus betrachten. Oft wird sein Name zu Hause oder in der Schule zornig-emotional oder ermahnend gerufen.

Wie würde man sich selbst fühlen, wenn man ständig widergespiegelt bekäme, dass man so, wie man ist, nicht annehmbar ist?

Wird ein solches Kind z.B. morgens besonders lieb geweckt und das Zu-Bett-Gehen bewusster gestaltet und gelingt es zusätzlich, weniger zu ermahnen und manche Dinge schlicht zu übersehen, kann das bereits einiges zur Verbesserung der Situation beitragen. Wenn dieses Kind auch in der Schule fröhlich begrüßt und – egal, wie der Unterricht verlief, – auch wieder freundlich verabschiedet wird, kann es sich plötzlich entspannen und wird durch das ebenfalls viel bewusster gehandhabte Lob deutlich ruhiger und sicherer.

Geschwister als Konfliktpartner

Begegnet man Menschen, die eine gute Frustrationstoleranz haben und in schwierigen Situationen die Ruhe bewahren können, stammen diese häufig aus einer größeren Familie. Geschwister, mit denen man gemeinsam die verschiedensten Konflikte zu durchleben und bewältigen gelernt hat, sind eine wesentliche Unterstützung bei der Erziehung zur Konfliktbewältigung.

Besonders wertvoll ist die Gewohnheit, Streit nicht mit in die Nacht zu nehmen. Dann gewöhnt man sich daran, Konflikte bis zum Abend so weit zu beizulegen, dass man sich friedlich gute Nacht sagen kann. Es genügt oft am Abend vor dem Schlafengehen kurz zu fragen:

Was war heute besonders schlimm?

Seid ihr euch inzwischen wieder gut?

An die Antwort schließt sich vielleicht das eine oder andere Gespräch an. Man merkt es Kindern an, ob wahr ist, was sie sagen. Wenn es nicht wahr ist, kann man gemeinsam überlegen, was getan werden muss, damit Verstehen und Versöhnung herbeigeführt werden können.

So wichtig es ist, dass Eltern solche Prozesse begleiten, so wichtig ist es auch, dass sie in die kindlichen bzw. geschwisterlichen Konflikte nicht richtend eingreifen – umso mehr lernen die Kinder selbst daraus (vgl. Aggression: Fragen zum Thema Aggressivität).

Vgl. „Macht in der zwischenmenschlichen Beziehung“, 10. Kapitel, Verlag Johannes M. Mayer, Stuttgart – Berlin 1997**