Die geistige Signatur von Krebs

Lässt sich das Kränkende an unserer Zeit ausschließlich auf Umwelteinflüsse und die Gene zurückführen?

Könnte Krebs nicht DIE Krankheit sein, die die Auswirkungen des Materialismus am besten spiegelt und die erst gehen kann, wenn auch die spirituellen Ursachen der Krankheit dem Menschen zugänglich geworden sind?

Welche Möglichkeiten der Heilung bzw. der Prävention gibt es?

Zeitkrankheiten können als Entwicklungsbegleiter angesehen werden, die die Verhaltensweisen der Menschen spiegeln. Tatsache ist, dass der Mensch noch nie so vielen Kanzerogenen ausgesetzt war. Dennoch erkrankt nicht jeder an Krebs – manche kommen sogar mit schwersten Umweltbelastungen zurecht: Bei einer meiner Japanreisen kam ich mit einem Taxifahrer aus Hiroshima ins Gespräch, der mit fünf Jahren den Abwurf der Atombombe überlebt hatte.

Entstehung und Symptome der Krebserkrankung

Was bedingt nun die Krebserkrankung?

Was bildet sich in ihr und durch sie körperlich ab?

Welchen Wirkprinzipien folgt sie?

Jede Krebserkrankung hat eine lange Vorgeschichte. Meist bleibt der Übergang zwischen Gesundheit und Krankheit im Dunklen. Oft dauert es lange, bis der Primärtumor entdeckt wird, manchmal sind es auch erst die Metastasen. Generell gilt, dass Krankheitsverläufe, Remissionen und Heilungen sich sehr individuell gestalten und sehr unberechenbar sind. In alledem drückt sich jedoch eine enorme Entwicklungskompetenz aus, ein Willenspotential, das sich entgegen allem Geordneten Bahn bricht. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Blut. Man könnte sagen, dass sich auf den Bahnen des Blutes Eigenwilliges entwickelt. So gesehen könnte man Krebs als Somatisierung des individuellen Freiheitspotentials des Menschen ansehen. Der Krankheitsverlauf weist mehrere Stadien auf:

• Verlust der Differenziertheit

Krebs beginnt, indem irgendeine Zelle anfängt, sich aus ihrer Differenziertheit in irgendeinem Organgebiet zurück in die embryonale Form zu entwickeln, als die Zellen noch omnipotenter und nicht so spezialisiert waren. Normalerweise erkennt das Immunsystem solche Zellen und tötet sie ab.

• Entstehung eines Primärtumors

Wenn aber jetzt die Immunität nachlässt oder eine bestimmte Krankheitsdisposition für diese Krebsart sich bereits durchgesetzt hat, beginnt der Krebs lokal zu wachsen. Er durchbricht die Basalmembran und fängt an, infiltrierend zu wachsen.

• Metastasierung und Verschlechterung des Allgemeinzustandes

In einem nächsten Stadium kommt es zur Metastasierung: Einzelne Zellen sondern sich ab und beginnen im Organismus zu wandern. Parallel dazu verändert sich der Gesundheitszustand insgesamt. Krebs ist eine Allgemeinerkrankung. Der Appetit ändert sich, das Lebensgefühl ändert sich, das Schlaf/Wach-Verhalten ändert sich, die Rhythmen von Herz und Atmung ändern sich, die Temperaturkurve wird in der Regel flach, manchmal sogar starr, ohne Morgen/Abend-Differenz. Lässt man all dies zu sich sprechen, so kann man sagen, die Körperfunktionen machen im Grunde, „was sie wollen". Fast alles läuft aus dem Ruder.

Es bilden sich durch die Metastasierung Ansätze zu neuen Organbildungen, irgendwo, willkürlich. Ordnung, Kontrolle und Integrationsfähigkeit schwinden und weichen der Entdifferenzierung, Schrankenlosigkeit, „Willkür". Keine zwei Krebsverläufe sind einander gleich. Man kann bei keinem voraussagen, wo genau die Metastasen hingehen und wann sie auftreten werden. Wir kennen zwar die bevorzugten Orte – es kann aber im individuellen Einzelfall gerade anders sein.

Freiheit als geistige Imagination der Krebserkrankung

Im 7. und 8. Vortrag des Jungmedizinerkurses1 spagt Rudolf Steiner: „Krankheit ist eine physische Imagination vom geistigen Leben" bzw. von geistigen Bildekräften, die im geistigen Leben des betreffenden Menschen als Freiheitsimpuls hätten wirken sollen. Krankheit als eine im Körper angekommene Projektion geistiger, d.h. gedanklich lebendiger, Prozesse zu begreifen, ist der Erkenntnisansatz einer spirituell orientierten Medizin: Geistige Kräfte (ätherische Gedankenkräfte), die sich nicht betätigen können und nicht genützt werden, erlahmen und ermatten. Nacht für Nacht zieht nun das leibfreie ätherische Potential in den Organismus ein und bildet auf der Ebene der unbewussten Körperphysiologie ein getreues Abbild dessen, was bei Tage geistig nicht geleistet wurde. So gesehen bildet sich beim Krebs physisch-physiologisch der auf geistiger Ebene so gesunde „Freiheitsimpuls" ab – eben weil diese Freiheit im Geistigen nicht ergriffen wurde.

Spirituell gesehen ist Krebs demnach eine „Freiheitsmangelkrankheit". Damit passt der bisher noch nicht aufzuhaltende Siegeszug dieser Krankheit in unsere Zeit, wo jeder Mensch im Grunde genommen vor der Entwicklungsaufgabe steht, seine Identität als Mensch zu erfassen und seine Freiheit konstruktiv gebrauchen zu lernen. Rudolf Steiner nennt den Materialismus unserer Zeit eine Krankheit, die überwunden werden müsste. Krebs als Krankheit des materialistischen Zeitalters hat eine individuelle und eine soziale Komponente – sie betrifft uns alle: Vier Fünftel der Menschheit leiden am Verlust ihrer Spiritualität aufgrund der materialistischen „Ungeistigkeit“ unserer Zeit. Um dem beizukommen, muss es eine Art Entwicklungshilfe geben.

Therapie und Prävention mit philosophischen Mitteln

„Mithilfe von meditativen Begleittherapien können wir uns imaginativ mit Krebs befassen. In der anthroposophischen Diagnostik spricht man von der Geschwulstbildung als von einer Sinnesorganbildung am falschen Ort. Das macht Sinn, wenn man das spirituelle Paradigma der Doppelnatur des Ätherischen zugrunde legt: Denken und Wahrnehmen „verleiblichen“ sich. Die Freiheitskräfte der kanzerogenen Kompetenz wirken im Seelisch-Geistigen2 präventiv, erzeugen jedoch, wenn sie im Körper auftreten, Krebs.

• Prävention durch Denken

Im Zusammenhang damit müssen wir uns bewusst machen, dass wir, wenn wir denken und uns dabei beobachten, dort sind, worüber wir nachdenken. Indem Sie versuchen meinen Ausführungen zu folgen, sind Sie alle außerkörperlich tätig, merken es nur nicht. Bei Nahtoderlebnissen werden Leib und Bewusstsein aber als getrennt erlebt. Auch im Alltag kann es zu solchen Erfahrungen kommen: Man kann plötzlich ein Bild von einem Erlebnis vor Augen haben, das ein anderer, meist nahestehender Mensch, durchmacht. Das ist ein Indiz der Äthertätigkeit des Denkens: Erinnerungsähnlich „fällt etwas ein“, allerdings aus anderen Bereichen als der Erinnerung.

Da Krebs die Signatur des Freiheitswesens trägt, stellt leibfreies Denken somit eine Prävention mit philosophischen Mitteln dar. Wir haben die Aufgabe, das Krebsgeschwür zu durchdenken und zu durchfühlen, um etwas zur Heilung des Menschen unserer Zeit beizusteuern. Deshalb sollte man Spiritualität in der Onkologie zum Pflichtfach machen.

• Therapie durch Meditation

Um Krebs therapeutisch entgegenzuwirken, muss die leibfreie Kompetenz meditativ gestärkt werden. Rudolf Steiner sagte, in der Meditation würde man lernen, sich in Gedanken zu bewegen (vgl. Meditation auf anthroposophischer Grundlage: Allgemeines über meditatives Üben), aus eigenem Willen Gedanken im eigenen Bewusstsein zu erzeugen und so denken zu lernen, wie man im Alltag greifen oder gehen lernt, nur würde es sich dabei um einen viel intensiveren Prozess handeln.

Stellvertretend für andere leiden

Ein einzelner kann stellvertretend für alle einen bewussten Beitrag zum Wohl der Menschheit leisten:

  • Das kann einerseits durch bewusste geistige Schulung geschehen,
  • aber auch durch das Auf-sich-Nehmen einer schweren Erkrankung wie Krebs.

Denn so, wie es dem einzelnen Menschen möglich ist, sich „freiwillig" bestimmten Prüfungen und Schwierigkeiten auszusetzen, um einem anderen Menschen zu helfen oder Stellvertreter für ihn zu sein, so kann er auch zeitbedingte Leiden der Menschheit wie Krebs auf sich nehmen – „zum Ausgleich" und zur Entlastung anderer. Dazu passt folgender Ausspruch zur Krebserkankung, der Rudolf Steiner zugeschrieben wird, aber sich nicht im Vortragswerk findet, sondern auf mündlicher Überlieferung basiert:

„Es muss von jedem Krebskranken erlitten werden, was von der Menschheit nicht erkannt worden ist. Wir stehen vor der tragischen Tatsache, dass Menschen den Weg des Leidens für viele auf sich nehmen, um einem aus dem Gleichgewicht gebrachten Menschheitsschicksal wenigstens teilweise ein ausgleichendes Gegengewicht zu geben... Die Menschheit des 20. Jahrhunderts muss durch den Weg des Leidens den geistigen Aufstieg suchen, der die Würde des Menschen wieder herstellt und die Seele verwandelt, so dass sie neuer geistiger Bereiche teilhaftig wird, die für die Menschheit auf ihrem Wege in die Zukunft erforderlich sind."

Frage eines krebskranken Freundes

Ein Freund, dem die Ärzte nach Diagnosestellung noch ca. drei Monate gegeben hatten, sagte mir, als ich ihn besuchte: „Ich bin so froh, dass du kommst. Ich habe eigentlich nur eine Frage, die mir bisher niemand beantworten konnte: Warum habe ich diesen so rasant wachsenden Krebs?" Er verstand es nicht und wollte dezidiert meine Ansicht hören. Da er Anthroposoph war und im Prinzip das in diesem Beitrag Dargestellte kannte, war ich zunächst ratlos. Er war freiheitsliebend, glücklich verheiratet, hatte keine Angst vor dem Sterben – auch in seinem beruflichen Leben war schnell für ihn ein Ersatz gefunden worden. Er wusste einfach nicht, was er aus dieser Krankheit, die ihn Anfang 40 aus dem Leben reißen würde, lernen sollte. So erwähnte ich die Möglichkeit, stellvertretend für die Menschheit zu erleiden, was sie bisher nicht erkannt und errungen hat.

Ihn faszinierte diese Möglichkeit, dass seine Erkrankung einen „spirituellen Erkenntniswert“ für die Menschheit haben könnte: Im bewussten Erkennen der geistigen Dimension einer Krankheit und im Durchleiden derselben etwas mitzutragen und verstehen zu lernen, was so vielen Zeitgenossen verwehrt bleibt, erschien ihm als etwas Wichtiges und machte Sinn für ihn. Eine geistige Betrachtung dieser Art weist über das individuelle Menschenschicksal hinaus und bringt den Betroffenen in unmittelbare Beziehung zur gesamten Menschheit.

Vgl. „Gibt es eine Prävention der Krebserkrankung?“ Der Merkurstab, Heft 4, 2009

  1. Rudolf Steiner, Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heilkunst, GA 316, 4. Aufl. Dornach 2003, S.119
  2. Wenn ich meinen Willen in Gedanken betätige, bin ich ganz frei. Über die Freiheit des Willens wird viel disku-tiert – das muss so sein: Denn wenn die Existenz der Willensfreiheit bewiesen werden könnte, gäbe es sie nicht mehr. Jeder Mensch muss selbst auf die Tatsache dieser Freiheit stoßen, muss sie sich selbst erarbeiten, das liegt im Wesen der Freiheit.