Den Mutterberuf bejahen lernen
Wie kann eine Mutter ihr Mutterdasein bejahen lernen, auch wenn sie sich nicht bewusst dafür entschieden hat?
Wie findet sie zu einem gesunden Selbstbewusstsein?
Wenn Mütter unter ihrem Dasein leiden
Mütter, die den Mutter-Beruf nicht aufgrund eines Kinderwunsches oder einer bewussten Entscheidung für die Familie ergriffen haben, erleben und benennen eine Fülle von Konflikten und Problemen: Sie empfinden ihre Kinder oft als lästig, leiden unter der Arbeit, die sie machen. Es gibt Zeiten, in denen diese Mütter nur das Negative sehen können und ihre eigentlichen Lebenswünsche als nicht erfüllt betrachten.
Sie sind mit der Schwierigkeit konfrontiert, eine Lebenswende, die sie nicht bewusst herbeigeführt haben, im Nachhinein bejahen zu müssen. Eine Frau, die gegen ihren Willen oder ganz ungeplant ein Kind bekommt und sich entschließt, es zu behalten, braucht Zeit, bis dieser Entschluss wirklich ihr eigener geworden ist. Sie wird immer wieder Phasen erleben, in denen sie denkt, dass sie es schon geschafft hat, um dann doch wieder verzweifelt dazusitzen und sich zu fragen, wie sie alles bewältigen soll. Das als Beispiel für die Schwierigkeit, sein Schicksal anzunehmen (vgl. Schicksal und Karma: Ich-Erleben und Schicksalsgestaltung).
Man kann Mutter sein, ja sogar mehrere Kinder haben, ohne diese Situation innerlich anzunehmen. Schafft man es jedoch, zu der Situation, in der man sich befindet, wirklich ja zu sagen, so gelingt der Mutter-Beruf und die Kinder finden die Geborgenheit und die warme und herzliche Atmosphäre, in der sie am besten gedeihen können.
Den Zwiespalt in der Seele überwinden
Sich mit den Lebensrealitäten zu identifizieren und daraus das Beste zu machen, ist das Schwerste, aber auch das Schönste, was man im Leben erreichen kann (vgl. Herz(chakra): Nebenübungen für die Charakterschulung). Dichter wie Goethe haben dies als die „sauerste aller Lebensproben“ bezeichnet und die Selbstüberwindung, den inneren Sieg, als den höchsten menschlich-moralischen Wert dargestellt. Gelingt es, den Zwiespalt in der Seele durch einen solchen inneren Sieg zu überwinden, bekommt das Kind von einem Tag auf den anderen eine neue Mutter. Jetzt ist sie nicht nur leiblich die wirkliche Mutter des Kindes, sondern auch seelisch und geistig. Kann sie so zu ihrem Kind stehen, spielen andere Faktoren wie Berufstätigkeit oder Partnerlosigkeit für das Kind eine untergeordnete Rolle. Denn es hat, was es braucht: einen Menschen, der es bejaht und es im wahrsten Sinne des Wortes beim Namen ruft, der es haben will. Aber auch die Mutter hat, was sie zum Leben braucht: Sie ist eins mit sich selbst und daraus resultiert ein gesundes Selbstbewusstsein.
Viele Menschen haben heute ein gekränktes Selbstbewusstsein (vgl. Selbstbewusstsein: Gekränktes Selbstbewusstsein). Das äußert sich darin, dass sie mit sich uneins sind und dadurch wie gespalten sind in ihrer Identität: Die Identität, die sie haben, empfinden sie als wertlos und diejenige, die sie gerne hätten, wird in ihren Wunschvorstellungen überbewertet. Das wirkliche Selbst ist zwischen diesen beiden Möglichkeiten in einer tiefen Verunsicherung befangen. Im Hin- und Herpendeln zwischen Wunsch und Wirklichkeit regt sich das eigentliche Selbst, das nach einer wirklichen Identifikationsmöglichkeit sucht. Zustände dieser Art können durch eine ungewollte Schwangerschaft, durch das Auseinandergehen einer Partnerschaft, durch eine plötzliche Krankheit oder durch ein anderes Schock-Erlebnis ausgelöst werden.
Wertvolle Bejahung des eigenen Schicksals
Diese schweren Erlebnisse sind jedoch oft der Beginn eines Prozesses, den man zu allen Zeiten „zweite Geburt“ genannt hat (vgl. Biographiearbeit: Die zweite Geburt in der Biografie). Man lernt, sich selbst zu akzeptieren und sich dadurch noch einmal neu hervorzubringen. Denn mit der Bejahung des eigenen Schicksals beginnt ein zweites Leben.
Damit sind wir noch einmal bei dem Gedanken, der eingangs erwähnt wurde: dass alles, was leiblich geschieht, seelisch und geistig durch einen freien Entschluss, den jeder nur selber fassen kann, nachgeholt und gelernt werden muss. Dieser Prozess der notwendigen zweiten Geburt im späteren Leben zeigt, dass der Mutterberuf eigentlich der Ur-Beruf ist, durch den man das Menschwerden lernen kann. Hierin liegt die überpersönliche, allgemein menschliche Botschaft des Mutterberufes: aufgerufen zu sein, sich seelisch und geistig weiterzuentwickeln, sich selbst neu hervorzubringen und zu verwirklichen.
Vgl. Kapitel „Die alleinerziehende Mutter“, Elternsprechstunde, Verlag Urachhaus, Stuttgart