Grundlegendes zu den formgebenden Kräften

Welche Kräfte geben den Pflanzen ihre Form?

Nach welchen Zahlengesetzen differenzieren sich die Blätter?

Wie hängt der große Makrokosmos aus Sonne, Planeten und Fixsternen mit den Erscheinungen auf der Erde zusammen?

Suche nach den Meistern der Formgebung

Diesen Fragen können wir uns annähern, wenn man ernst nimmt, was Paracelsus, der erste große neuzeitliche Arzt, sagte: Wer eine Pflanze verzehrt, isst das ganze Weltall. In der genetischen Forschung der letzten 40 Jahre wurde immer nach dem Gen gesucht, das für die Gesamtgestalt verantwortlich ist bzw. das die Gestaltbildung steuert. Man hat es nicht gefunden. Was man aber gefunden hat, waren Regulator-Gene für bestimmte Teilaspekte. Um es bildlich auszudrücken: Man hat die Orchesterspieler gefunden, aber nicht den Dirigenten, die Mitarbeiter der Fabrik, aber nicht den Chef.

Insofern beschäftigen wir uns mit einem enorm relevanten Thema, wenn wir uns fragen:

Wo sind die Gestaltbilder, die Vorbilder für die Gestaltbildungen von Pflanze, Tier und Mensch?

Wo kommen die formgebenden Konzepte her?

Was wir an den Pflanzen in der Natur sehen können, sind ganz bestimmte Formen und Gesten. Formen haben eine Physiognomie, haben einen Ausdruck. Wir versuchen durch die goetheanistische Betrachtung an die Instanz heranzukommen, die den Pflanzen diesen Ausdruck gibt.

Im „Kursus für Heileurythmie“1 sagt Rudolf Steiner: „Jede Form ist zur Ruhe gekommene Bewegung.“ Denn eine Form muss sich ja erst bilden und erscheint als solche erst, wenn sie sich aus der Bewegung heraus fertig gebildet hat. Nach den bildenden und gestaltenden Prozessen, den „Meistern der Formgebung“ zu fragen, fand Goethe so faszinierend, dass er ein Meister der Beobachtung von Bildungs- und Umbildungs- bzw. Metamorphose-Prozessen wurde.

Entsprechung von Pflanze und Weltall

Wenn Paracelsus nun sagt, dass man mit dem Verzehr einer Pflanze das ganze Weltall mit aufnimmt, so lebt in dieser Aussage ein ganz tiefes Prozessverständnis.

Die Tierkreisbilder, u.a. der Wassermann, die Waage, die Fische, die wir alle kennen, entstanden in früheren Zeiten, indem man bestimmte Sternbilder mit Linien verband. Man könnte aber auch ganz andere Formen darin sehen, wenn man will und wenn man andere Verbindungen herstellt. Es lassen sich die unterschiedlichsten Form- und Gestaltprinzipien dabei finden: z.B. ganz runde Formen, die meist Corona genannt werden; Formen mit und andere ohne Mittelpunkt.

Ich las vor langer Zeit in einem Vortrag von Rudolf Steiner, dass es auf der Erde keine Form gibt, die man nicht auch am Himmel als Sternkonfiguration finden könnte. Ich verbrachte daraufhin meine Sommerferien mit meinem Mann zusammen im Gebirge, um dieser Aussage auf den Grund zu gehen – zum Glück hatten wir schönes Wetter. Wir schauten uns tagsüber alle möglichen Formen an, Stühle, Tische, runde Fenster, aber auch unsere Organe und andere Körperteile, und schauten, ob wir sie nachts am Firmament wiederfanden. Wir suchten nach Entsprechungen zwischen dem Makrokosmos, dem Mikrokosmos und dem „Mezzokosmos Natur“ (vgl. Natur und Kosmos: Lebensvorgänge und kosmische Rhythmen).

Vgl. Ausführungen vom IPMT in Santiago di Chile 2010

  1. Rudolf Steiner, Kursus für Heileurythmie, GA 315.