Schmerz- und Wärmeempfinden

Wie hängen Schmerz und Wärmeempfinden mit unseren Sinnen bzw. mit der Repräsentationszone im Gehirn zusammen?

Wie lässt sich das individuelle Empfinden von Schmerz und Wärme erklären?

Hinten tastempfindlich, vorne schmerzempfindlich

Das Rückenmark hat eine Vorderseite und eine Rückseite. Zur Vorderseite hin werden Schmerz- und Wärmeempfindungen geleitet und zur Hinterseite hin die eigentliche Tastwahrnehmung:

  • Am Rücken sind wir besonders tastempfindlich,
  • während wir zum Bauch hin eher schmerzempfindlich sind.

Das ist insgesamt stimmig, die Rückenmarksleitung ist völlig sinngerecht nach vorne und hinten angeordnet, denn

  • nach vorne hin sind wir auch seelisch und bewusstseinsmäßig offener,
  • nach hinten schirmen wir uns seelisch eher ab, bilden wir vom Bewusstsein her eine spürbare Grenze.

Das Interessante ist nun, dass die Schmerz- und Wärmewahrnehmung keine besondere Repräsentationszone am Cortex, an unserer Großhirnrinde, hat. D.h. dort, wo unser Bewusstsein entsteht, enden diese Sinnesreiz-Leitungsbahnen diffus. Wärme strahlt also auf unspezifische Art ins Gehirn aus. Wenn Nervenleitungsbahnen in die Großhirnrinde münden, können wir die entsprechenden Sinneserlebnisse voll bewusst modifizieren und erfassen. Münden sie in die tiefer liegenden Hirnareale, läuft das Ganze mehr träumend, unterhalb des wachen, gedankennahen Vorstellungslebens, ab. Daher werden Wärme und Schmerz auch so individuell unterschiedlich erlebt und können über das Bewusstsein so stark modifiziert und beeinflusst werden. So haben Menschen, die wir untersuchen, oft auch kalte Hände und Füße oder auch kalte Beine und merken es nicht. Sie halten dies für normal und sagen: Das ist bei mir so! Die Tatsache, dass sie leicht frieren, gelangt nicht in ihr Wachbewusstsein.

Wärmeempfinden bewusst machen

Ich dachte früher immer, dass man die Kälte doch spürt, weil sie unangenehm ist. Die physiologischen Tatsachen zeigen jedoch, dass die Kälteempfindungen aufgrund ihrer diffusen Ausstrahlung im Großhirn bewusst modifiziert werden (können) und es deshalb zu sehr unterschiedlichen Wahrnehmungsintensitäten kommt. Rudolf Steiner hat immer wieder empfohlen, den Ätherleib mit seiner Wärmeäther-Qualität durch eine Kopfbedeckung zu unterstützen – was viele Menschen jedoch nicht beherzigen. Eine Kopfbedeckung hilft uns, Wärme bewusster zu empfinden. Denn im Kopfbereich haben wir über die vielen Haare nicht nur eine sehr starke Sensorik, sondern dort ist auch unser Sinn für Wärme besonders stark.

Der Hinweis von Rudolf Steiner, das Wärmemilieu des Kopfes „zu behüten“ – was von den Priestern der Christengemeinschaft am konsequentesten befolgt wird –, sehe ich darin begründet, dass man dadurch wärmeempfindlicher und wärmeempfänglicher wird und die gesunde Wärmeregulation unterstützt. Die Wärme ist aber auch die Brücke zur geistigen Welt: Unser Ich lebt in der Wärme, die geistige Wärme geht über in seelische Wärme und diese in körperliche Wärme (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Begabungen der Ich-Organisation). Das ist ein Wärmestrom, der nicht physisch ist und deshalb keine Grenzen hat, denn auch physische Wärme hat keine Substanz, strahlt unbegrenzt aus.

Vgl. Vortrag „Tastsinn und Gleichgewichtssinn in Diagnostik und Therapie“, gehalten am 7. Januar 2016 an der Kunsttherapietagung