Rhythmus und Leben studieren

Inwiefern hängen Rhythmus und Lebensprozesse zusammen?

Wie lassen sie sich studieren?

Laut der anthroposophischen Menschenkunde ist der Ätherleib (ätherischer Organismus) „Sitz“ unseres Körpergedächtnisses, das auch einen unbewussten organbezogenen Anteil hat. Unser ätherischer Organismus ist die Summe aller Vitalitäts- und Selbstheilungskräfte. Er ist ein wunderbar komplexes System, dessen Charakteristik ich mit dem folgenden Beispiel veranschaulichen möchte:

Wo alles mit allem zusammenhängt

Als Schulärztin in Witten gab ich vor langer Zeit als Vertretung in einer zwölften Klasse die große Biologieepoche zum Thema "Evolution der Arten". Der schönste Moment in dieser Epoche war, als ich die jungen Leute fragte, was denn der Unterschied zwischen etwas Lebendigem und etwas Totem wäre. Nach einer halben Stunde Rätselraten wurden Vorschläge gemacht, die aber alle nicht so recht „ins Schwarze“ trafen. So eine Klasse von Zwölftklässlern, etwa 35 junge Leute, ist auch ein Resonanzkörper. (Auch wenn ich euch jetzt so gegenüberstehe, sind wir in Resonanz, je nachdem, was ihr aufgreifen könnt von dem, was ich sage. Das lässt sich gar nicht vermeiden. Wo immer Menschen in Beziehung treten, entsteht sofort Resonanz, nehmen wir uns gegenseitig wahr.)

Der Resonanzkörper in der Klasse machte sich so bemerkbar, dass eindeutig spürbar war, wie ein Vorschlag von allen angenommen wurde. Ein Vorschlag folgte dem anderen und fand kaum Beifall, bis plötzlich eine junge Frau sagte: „Ich glaube, der Unterschied zwischen etwas Lebendigem und etwas Totem ist der, dass etwas Lebendiges immer einen Umkreis braucht, aus dem und für den es lebt. Das Tote braucht das nicht.“ Nach ihren Worten herrschte eine wortlose, aber deutlich spürbare Zustimmung in der Klasse. Dabei bekam ich Gänsehaut. Niemand sagte etwas, aber alle waren sich einig, dass es so ist. Besser kann man es nicht sagen, auch nicht kürzer.

Tatsache ist: In der Schöpfung hängt alles mit allem zusammen. Wir nennen das heute ökologisches Gleichgewicht. Nicht nur, was wir der Erde antun, hat seine Auswirkungen. Die Menschen, die Tiere, die Pflanzen, die Mineralien, die Technik, alles hat eine Wirkung, alles bewirkt etwas, wird Teil unseres Evolutionsprozesses. Träger dieses ganzheitlichen Evolutionsgeschehens ist das Ätherische, ist die Lebenswelt.

Rhythmus trägt Leben

Als der Chemiker Hauschka Rudolf Steiner die berühmte Frage stellte: „Können Sie mir erklären, was Leben ist? Wie kann man das Leben studieren?“, sagte Steiner ganz lapidar: „Studieren Sie die Rhythmen. Rhythmus trägt Leben.“ Das Leben zwischen dem ersten und dem letzten Atemzug läuft rhythmisch ab, nach zeitlichen Rhythmen gegliedert.

Das Vorbild für alle Rhythmen ist nicht auf der Erde, sondern am Himmel zu finden: Sonne und Mond sind unsere Zeitgeber für Tag, Woche, Monat, Jahr, durch das Dreiecks-Verhältnis, das Triangulum, von Sonne, Mond und Erde. Die Planeten-Rhythmen mischen bei unseren Biorhythmen auch noch mit. Das heißt, nicht nur bildlich gesprochen, dass das Leben, das Ätherische, aus der Planetensphäre, also vom Himmel, stammt, und eben nicht der Erde und den Genen zu verdanken ist. Erde und Gene sind „nur“ in Resonanz mit diesen wunderbaren rhythmischen Gesetzen. Da Rhythmen Lebensträger sind, wirken auch alle Behandlungen, die wir durchführen, umso kraftvoller, je bewusster wir mit den Rhythmen umgehen. Konkret wäre es sinnvoll, wenn Therapeuten sich fragen:

Was mache ich zwei Monate lang, was mache ich ein Jahr lang, was mache ich ganz intensiv mal nur eine Woche?

Je nachdem, wie tief unser Rhythmusverständnis als Therapeut und unser menschenkundlicher Bezug dazu ist, können wir unser fachspezifisches Vorgehen ganz gezielt unter diesen Aspekten einsetzen. Die ätherische Organisation, das Leben selbst, können wir nicht sehen. Wir können nur die Lebensäußerungen studieren in ihrem rhythmisch, zeitlich, prozesshaften Ausdruck. All diese Prozessqualitäten zusammengenommen mitsamt ihrer komplexen Zeitstruktur bilden den ätherischen Organismus.

Vgl. Vortrag zum Chirophonetik-Treffen in Erlangen, März 2019