Wille und künstlerisches Schaffen

Welche spezifische Dynamik liegt dem menschlichen Willensleben zugrunde?

Welches Organsystem hängt direkt mit dem Willen zusammen?

Kraftentfaltung, reine Intensität und Begierde, sind kennzeichnend für das Willensleben. Hier haben wir es mit der Kraft der menschlichen Wesenheit zu tun, die sich einerseits als Zerstörungspotential, andererseits als Kreativität und Lernfähigkeit ausdrücken kann. Im Gegensatz zur Vielfalt der Gedanken und dem Reichtum an Gefühlsstimmungen haben wir es hier mit schlichter Konzentriertheit zu tun: mit Kraftentfaltung und Tatbereitschaft schlechthin.

Organe und Willen

Im Hinblick auf den Zusammenhang von Leib und Willensleben folgt in erster Linie das Verdauungssystem der Gesetzmäßigkeit des Willens (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Frieden mit den Drachenkräften im Menschen): Hier wird verbrannt und gearbeitet und der gesamte Körper mit der Kraft versorgt, die den aus den Nahrungsstoffen gewonnenen Substanzen innewohnen.

Das Willensleben ist der Erde mit ihrer Schwerkraft innig verwandt, überwindet letztere aber im Erwerb des aufrechten Ganges. Dennoch sind die Organe des Bauchraumes und die Beine für die Erdenschwere besonders anfällig:

  • Die Nieren können abwärts wandern, der Uterus kann sich senken, auch der Magen kann mehr oder weniger stark nach unten hängen.

  • Das Herz dagegen ist im Brustraum eingebettet zwischen rechten und linken Lungenlappen und wird durch die Atemtätigkeit rhythmisch immer wieder der Schwere enthoben. Außerdem herrscht im Brustraum der sogenannte Donders-Druck.1

  • Das Gehirn schwimmt im Gehirnwasser und ist dadurch in noch höherem Ausmaß dem Einfluss der Schwere entzogen. Das besondere Empfinden von Leichtigkeit im Zusammenhang mit dem Gedankenleben ist ein Ausdruck davon.

Kunstschaffen als Arbeit am Willen

Eurythmie und Sprache, aber auch Tanz- und Schauspielkunst geben dem Menschen die Möglichkeit, seinen Willen künstlerisch zu gestalten (vgl. Kunsttherapie: Kunst als Weg zur Ergreifung des Ich ). An der Sprachbildung orientierte Bewegungen wie die Eurythmie sind reine Offenbarungen des Menschlichen und arbeiten mit dem vollen Umfang menschlicher Bewegungsfähigkeit: Wird bewusst damit gearbeitet, erfährt der Wille eine Erweiterung und Vertiefung seiner menschlichen Wesensäußerungen. Das bedeutet, Menschen, die sich willensschwach fühlen und nicht in der Lage sind auszuführen, was sie sich vorgenommen haben, können durch systematisches Üben von Eurythmie und Sprache ihr Willensvermögen neu in die Hand bekommen. Das hat sich in der Psychotherapie bei Antriebs- und Willensstörungen schon vielfach bewährt. Dabei werden hohe Anforderungen an den Therapeuten gestellt, weil bei Willensschwäche und Antriebsarmut starke Widerstände seitens der Patienten zu überwinden sind.

Wesensglieder und Kunst

Rudolf Steiner präzisiert das in seiner Darstellung des Zusammenhangs der menschlichen Wesensglieder (vgl. Wesensglieder: Die Metamorphose der Wesensglieder) mit den künstlerischen Bildeprozessen:

  • Die Gesetze der Architektur entsprechen denen des physischen Leibes;

  • die Gesetze der Plastik denen des Ätherleibes;

  • diejenigen der Malerei und Musik entsprechen dem Astralleib

  • und diejenigen der Sprache dem Ich.

Der menschliche Körper wird von den Gesetzen und Kräften dieser Wesensglieder aufgebaut (vgl. Wesensglieder: Grundlegendes zum Thema Wesensglieder). Sie bilden auch die Grundlage des individuellen Seelenlebens sowie den Quellort künstlerischen Schaffens.

Vgl. Kapitel „Wie sind Leib, Seele und Geist in Gesundheit und Krankheit verbunden?“, „Elternsprechstunde“, Verlag Urachhaus, Stuttgart

  1. www.imedo.de/medizinlexikon/donders-druck