Zusammenarbeit mit den Toten
Wie kann man mit Verstorbenen zusammenarbeiten?
Was macht ihre Sicht so anders und hilfreich?
Angemessenes Verhältnis zu den Toten
Ich möchte eine Stelle aus dem Werk Albert Steffens1 zitieren, die das Gralsmotiv deutlich macht, das mit der Zusammenarbeit mit den Toten zu tun hat:
- Einerseits mit dem überpersönlich ätherischen Geschehen,
- zum anderen mit dem persönlich Charakterologischen des Verstorbenen.
- 1. Aspekt der Verbindung zum Ätherischen als Äther-Gralswesen
Das Ätherische wird am besten gepflegt, wenn wir uns selbst mit unserem Leben in den größtmöglichen Zusammenhang bringen. Denn das Ätherische ist der Zeitenstrom, der alles umfasst, was in unserem vergänglichen Kosmos dem Zeitenstrom unterliegt. Es umfasst die Welt der Toten und die Welt der Lebenden, es ist das ganz umfassende Äther-Gralswesen.
- 2. Aspekt der Verbindung mit der Individualität des Verstorbenen
Das Beispiel ist aus der Welt des Lebendigen genommen: „Der Acker des Lebens verwildert, wenn man nicht bei einem gewissen Alter Halt macht und Ernte hält. Das heißt nicht nur zurückschauen, sondern auch vorwärts, über den Tod hinaus, auf das, was nachher kommt. An diesem Wendepunkt merkt man, dass man nicht nur zu den Lebenden, sondern auch zu den toten Menschen in einem Verhältnisse steht. Jenen, den Lebenden, vermag man auszuweichen“ – man merke auch diesen Humor. Es gibt Leute, die sagen, Steffen hätte keinen Humor gehabt. Das sehe ich anders: Da steckt so viel Humor drin – man muss nur aufpassen, dass man ihn bemerkt, weil er so dezent ist.
„Jenen, den Lebenden vermag man auszuweichen, diesen nicht. Die Seele, die abgeschieden ist, sagt dem Herzen, das in sich hineinhorcht, dass sie sich nach universellen Gesetzen richtet und man vernimmt ihre Sprache, als wäre es die eigene. Der Gestorbene lehrt den Lebenden die Stimme des Gewissens. Was er nach dem Tode erfährt: Verzicht, Entbehrung, Aushöhlung, die zur Schale wird, in welche Erfüllung fließt – das verlangt er im Grunde von dem Lebenden, der ihn sucht. Das ist Gralsgemeinschaft.“
In der Gegenwart stehen durch Perspektive der Verstorbenen
Das Bild ist ganz aus dem Lebendigen genommen: Der Acker des Lebens verwildert, wenn man nicht innehält und in der Zeit zurück und nach vorne schaut. Vorne der Tod, die Verbindung mit den Verstorbenen. Meine Zukunft muss ich unter diesem Blickwinkel mit den Verstorbenen gemeinsam von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Monat zu Monat, beraten. So kann ich ganz anders in der Gegenwart stehen, als wenn ich mir meine Impulse für die Zukunft nur aus meinen Erfahrungen von gestern und vorgestern hole.
Die zukunftsweisende Sicht der Verstorbenen beruht auf ihrer vollkommen anderen Perspektive. Das nachtodliche Erleben des Toten im Kamaloka, der erlebte Verzicht, die gefühlte Entbehrung, das Sich-ausgehöhlt-Fühlen, hat damit zu tun, dass da, wo der Egoismus lebte, plötzlich ein Loch entstanden ist: Da der Ego-Träger, der physische Leib als Bewusstseinsträger, fehlt, bildet sich ein Hohlraum, der jetzt zur Schale wird, die das wahre Höhere Selbst empfangen kann. Es tritt etwas anderes an die Stelle des Egoismus. Klarer, knapper kann man das Gralsmysterium und die Ätherquelle der Heilung, das Amfortas-Problem und das Parzivalsgeschehen,2 nicht schildern.
Vgl. Vortrag „Das Therapeutische in der Dichtung von Albert Steffen“ anlässlich der Steffen-Ausstellung am Goetheanum, Neujahr 2010
- Albert Steffen (1884-1963) war ein Schweizer Dichter. Sein reiches Werk umfasst über 70 Bände aller Literaturgattungen: Dramen, Romane, Lyrik, Essays zu verschiedenen kulturellen und historischen Themen, poetische Miniaturen. Nach dem Tode Rudolf Steiners, dem Begründer der anthroposophischen Geisteswissenschaft, war Albert Steffen von 1925 bis zu seinem eigenen Tod 1963 Erster Vorsitzender der Anthroposophischen Gesellschaft, die ihren Sitz am Goetheanum in Dornach nahe Basel hat. (ges. 11.04.2025 https://albertsteffen-stiftung.ch/)
- Amfortas oder auch Anfortas ist eine Sagengestalt aus dem Versepos Parzival des Wolfram von Eschenbach, das zwischen 1200 und 1210 entstand. Er ist der König des Grals, durch einen vergifteten Speer schwer verwundet, zu jammervollen Leiden verdammt, bis ihn die mitleidige Frage Parzivals erlöste.