Michael, der Bezwinger des Drachen, als Inspirationsquelle für das Ich
Inwiefern ist der Erzengel Michael eine Inspiration für das Ich?
Was verhalf ihm zum Sieg über den Drachen?
Michaels Sieg über den Drachen und seine Folgen
Rudolf Steiner schrieb auf seinem Krankenlager die sogenannten Michael-Briefe,1 die in der Wochenschrift des Goetheanum publiziert wurden. Dort beschreibt er, wie sich die Aufgabe des Erzengels Michael nach seinem Sieg über den Drachen mit Anfang der fünften Kulturepoche verändert hatte. Bis zum Ende der vierten Kulturepoche war Michael der Verwalter der kosmischen Intelligenz gewesen, die in der Apokalypse mit dem Drachen gleichgesetzt wird. Nach seinem Sieg über diesen verlor er diese Aufgabe, da der Drache danach auf die Erde geworfen wurde, wo er seither seinen Wohnplatz hat.2
Seitdem steht die ehemals kosmische Intelligenz nicht mehr unter der Führung der göttlichen Wesen, die die Menschheitsentwicklung begleiten, was sich im Aufkommen des Materialismus zeigt. Jetzt will die erdgebundene Intelligenz die Menschen materialistisch inspirieren und vom göttlichen Ursprung abschnüren.
Spiritualisierung des Denkens
Deshalb versammelt Michael seit dem 15. Jahrhundert Menschen in einer Schule im Vorgeburtlichen, um sie über das Geheimnis dieses intellektuellen Sündenfalls aufzuklären. Diejenigen, die diesen Impuls vorgeburtlich aufnehmen konnten, suchen dann auf der Erde nach Wegen, ihr Denken zu spiritualisieren. Das befähigt sie dazu, geistig Wesenhaftes unmittelbar im eigenen Denken zu erleben.
Das von Michael inspirierte Anliegen der Spiritualisierung des Denkens ist der Ur-Impuls der anthroposophischen Bewegung und der von Rudolf Steiner begründeten anthroposophischen Geisteswissenschaft. Mit der Neubegründung der „Freien Hochschule für Geisteswissenschaft“ (vgl. Freie Hochschule für Geisteswissenschaft: Aufbau der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft) konnte sie als „Michael-Schule auf der Erde“ das soziale Gefäß werden, das durch die Arbeit der Sektionen die Spiritualisierung der verschiedenen Berufsfelder und Lebensgebiete in eine weite Zukunft hinein anstrebt.
Michael als Inspirator für das Ich
Das Ich des Menschen kann als männlicher Pol angesehen werden und das Seelische als weiblicher Pol. Der Michaels-Impuls wirkt seit der 5. Kulturepoche in der Ich-Sphäre, wo jetzt der Drachenkampf stattfindet. Der Drachenkampf ist das treffendste Bild für das, was das Ich zu tun hat: Es muss gegen die Drachen der niederen Menschennatur kämpfen und sie besiegen. Das bedeutet, es muss alle möglichen biografischen Altlasten aufarbeiten – und dabei seine Lebensfreude behalten. Das ist lebenslang die Aufgabe des Ich. Denn man ist als Mensch ständig mit kleinen Drachen konfrontiert, die das Ich gefährden und es verführen wollen. Dabei tun sich diverse Kriegsschauplätze auf. Es braucht sozusagen eine Ritternatur, für die der Erzengel Michael steht.
Dabei ist es enorm hilfreich, sich seine Taktik anzueignen. Im Kampf mit dem Drachen blickte er immer auf das Gute, schaut nie den Drachen selbst an. Den Sieg über denselben errang er, weil er sich am Guten orientierte, weil er das Antlitz Christi schaute. Man kann sogar sagen: Michael lebt im Antlitz Christi. Er ist der Erzengel des Erkenntnisweges, der leuchtende Gedankenfürst.
Vgl. Seminargruppe „Die fünf Inspirationsquellen der Anthroposophie“, Witten 2010
- Rudolf Steiner, Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie. Das Michael-Mysterium, GA 26.
- Neues Testament, Apokalypse 12. Kapitel.

