Entwicklung und Lernen

Inwiefern hängen die Entwicklungsphase und die Lernfähigkeit eines Kindes zusammen?

Welche Lerngebiete und -inhalte eignen sich für welche Entwicklungsräume?

Bedeutung von altersentsprechendem Lernen

Es ist von größter Bedeutung, dass sich die Pädagogik an den altersentsprechenden Ent¬wicklungsschritten orientiert und die Lerninhalte darauf abstimmt (vgl. Erziehung: Stadien der menschlichen Entwicklung).

  • 1. Jahrsiebt – Die Welt ist gut

so wird man in der Kindergartenzeit das Denken nicht mit Urteilen und Argumenten belasten, sondern vielmehr die Kinder nachahmend im gemeinsamen Alltag mitleben lassen und ihm die Möglichkeit geben, körperliche Geschicklichkeit zu erwerben und seine Sinne gut auszubilden.

Das nötige Entwicklungsvertrauen rufen in dieser Zeit die Worte „die Welt ist gut“ hervor. Sie sind deshalb das Entwicklungsmotiv der Waldorfpädagogik für das erste Jahrsiebt.

  • 2. Jahrsiebt – Die Welt ist schön

In der Grundschulzeit hingegen wird man alles daransetzen, das ästhetische Urteilsvermögen, insbesondere durch künstlerisch gestalteten Unterricht, zu pflegen.

Die nötige Entwicklungslust rufen in dieser Zeit die Worte „die Welt ist schön“ hervor. Sie sind deshalb das Entwicklungsmotiv der Waldorfpädagogik für das zweite Jahrsiebt.

  • 3. Jahrsiebt – Die Welt ist wahr

Erst nach der Pubertät im Oberstufenunterricht wird das eigenständige kritische Denken gefördert.

Das nötige Entwicklungsideal rufen in dieser Zeit die Worte „die Welt ist wahr“ hervor. Sie sind deshalb das Entwicklungsmotiv der Waldorfpädagogik für das dritte Jahrsiebt (vgl. Erziehung: Erziehung und Vorbild).

Identität von Wachstums- und Gedankenkräften

Wer über längere Zeit mit dem Konzept der Identität von Wachstums- und Gedankenkräften (vgl. Doppelnatur des Ätherischen: Denktätigkeit und Lebenstätigkeit im Kontext von Krankheit und Gesundheit) arbeitet, für den werden eine Fülle von Tatsachen verständlich, die für das menschliche Leben Bedeutung haben. Es wird verständlich, warum beispielsweise in der Pubertät, wo noch einmal ein deutlicher Wachstumsschub erfolgt, ein sogenannter „Leistungsknick“ zu verzeichnen ist: Wenn der Körper überwiegend mit Wachstum beschäftigt ist, kann er zur selben Zeit nicht geistige Hochleistungen vollbringen.

Das gilt auch für Zeiten von Krankheit, insbesondere, wenn sie mit Fieber verbunden ist. Hier sollte alles getan werden, um den Wachstums- und Regenerationskräften die volle Ruhe für ihre Arbeit am Leib des Kindes zu geben. Es wird auch verständlich, warum in der zweiten Lebenshälfte, wenn ein Mensch gesund alt wird, das geistige Wachstum weitergehen kann, obgleich der Körper in seine natürliche Involutionsphase, das heißt in den Altersabbau aller Organe, eintritt: Die nachlassende Regenerationskraft des Körpers führt zu einer Stärkung der Gedankenkraft, vorausgesetzt, dass der Mensch gelernt hat, diese aus dem Leib freiwerdenden Gedankenkräfte schöpferisch zu verwenden (vgl. Entwicklung: Alterungsprozess in Bezug zur Entwicklung in Kindheit und Jugend). Das ist allerdings eine Frage der Erziehung.

Altersgerechtes Lernen und Gesundheit

Wer von Jugend auf gewöhnt ist, in altersgerechter Beanspruchung seiner geistigen Möglichkeiten tätig zu sein, für den wird sich die geistige Entwicklung wie selbstverständlich fortsetzen durch das ganze Leben hindurch.

Bleiben diese Wachstumskräfte jedoch im halbbewussten Bereich zwischen Leib und bewusstem Gedankenleben gleichsam stecken, weil sie nicht in das bewusste Gedankenleben integriert werden, so können auch sie eines Tages zu Krankheitstendenzen, insbesondere zu krankhaften Wachstumswucherungen führen.

Vgl. Kapitel „Zusammenhänge der menschlichen Denktätigkeit“, Elternsprechstunde, Verlag Urachhaus, Stuttgart