Monatstugenden und Tierkreiszeichen
Welche Monatstugenden werden in den jeweiligen Monaten gepflegt?
Was bewirkt dieses Üben?
Mit welchen Organen hängen die Tierkreiszeichen und die dazugehörigen Monatstugenden zusammen?
Tierkreiszeichen, Organe und Monatstugenden
Zur Pflege des Monatsrhythmus eignen sich die sogenannten Monatstugenden, die im Zusammenhang mit dem Tierkreis stehen. Diese Monatstugenden sind auch außerhalb der Anthroposophie bekannt. Den Hinweisen Rudolf Steiners aber ist es zu verdanken, dass sich beim Üben noch eine zweite Qualität entwickelt, wenn man diese Charaktereigenschaften bzw. Tugenden aus Freude und Dankbarkeit darüber, dass es sie gibt, um ihrer selbst willen übt.
Gemäß alten Überlieferungen werden den Tierkreiszeichen bestimmte Organzusammenhänge bzw. Bereiche der menschlichen Gestalt zugeordnet. So kann durch das Üben der entsprechenden Monatstugend auch ein heilsamer Einfluss auf das betreffende Organ erreicht werden.1
- 1. Widder: Devotion wird zu Opferkraft
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Gehirn und Sinnesorgane.
Devotion, d.h. Andacht, Wertschätzung und Verehrung sind seit Urzeiten die Ur-Tugenden des inneren Weges. Sie helfen uns, eine Lebenshaltung zu entwickeln, die jedem Lebewesen das Recht auf Dasein zugesteht und ihm Respekt und Anerkennung zollt. Das ist ein durch und durch positives Gefühl, das die Seele befriedet und ernährt. Denn was ich schätzen kann, kann ich auch als Bereicherung erleben. Wer diese Tugend um ihrer selbst willen übt, erlebt, wie sich daraus Opferkraft entwickelt – d.h. die Fähigkeit, andere in ihrem So-Sein aktiv zu unterstützen und zu fördern, anstatt in den Beziehungen primär auf den eigenen Vorteil zu schauen.
- 2. Stier: Gleichgewicht wird zu Fortschritt
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Kehlkopf und Schilddrüse.
Das Sprechen bildet sich in der frühen Kindheit durch Nachahmung heraus: durch das Zuhören, wie die Menschen im Umkreis sprechen. Übt der Erwachsene die Tugend des Zuhörens dadurch, dass er seine eigene Meinung zurückstellt, innerlich ruhig wird, sich ins seelische Gleichgewicht bringt, was nötig ist, um gut zuhören zu können, so lernt er nicht nur bewusster und sinnvoller zu sprechen, sondern pflegt auch die Kehlkopfregion, einschließlich der Schilddrüse, deren Funktion vom Seelischen aus reguliert und gestärkt wird, wenn man an seinem inneren Gleichgewicht arbeitet. Dieses innere Gleichgewicht fördert aber auch die Tugend der Entwicklungskompetenz, d.h. des Weiterschreitens, des Sich-lösen-Könnens, des Fortschreitens in der Entwicklung.
- 3. Zwillinge: Ausdauer wird zu Treue
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Arme.
Die fleißigen Hände und Arme sind Urbild von Ausdauer und Zuverlässigkeit. Nichts zu versprechen, was man nicht halten kann – an einer Sache aus Liebe zu ihr dranbleiben, bis sie getan ist – fördert die Befähigung zur Ausdauer, aber auch die Gesundheit von Armen und Händen.
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Brustkorb.
Wer den Brustkorb und dessen Hauptorgansysteme Herz, Lungen, Speise- und Luftröhre studiert, bekommt ein Wahrbild der Tugend der Selbstlosigkeit: Denn was zeigt sich dabei? Dass Selbstlosigkeit nichts mit Selbstaufgabe bzw. mit einer Opferrolle zu tun hat. Vielmehr wird genau das Gegenteil ins Bild gebracht: Wer selbstlos ist, selbstlos etwas leisten kann, hat bereits, was er braucht für seinen Eigenbedarf - weshalb der größte Teil dessen, was er leistet, dem Wohl des Ganzen dienen kann. Er nimmt lebhaften Anteil daran und freut sich am Wohlergehen desselben, fühlt sich davon beschenkt. In diesem Sinne besteht die Hauptarbeit dieses Organgebietes in der Vermittlung dessen, was die anderen Organe brauchen. Deswegen wird es auch gestärkt, wenn man sich seelisch der Pflege dieser Tugend zuwendet. Vollzieht man diese Übung immer wieder, bildet sich auch die zweite Tugend heraus: Läuterung der Seele von zu starkem Selbstbezug.
- 5. Löwe: Mitleid wird zu Freiheit
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Herz und Kreislauf.
Empathie und Mitleid sind die Tugenden des Herzens – aber auch die seelischen und charakterlichen Qualitäten, die das Herz und die Kreislauftätigkeit stärken. Freiheitsfähigkeit entsteht durch die Hinwendung zum anderen um seiner selbst willen. Nur dann ist man frei von Eigennutz oder den Projektionen persönlicher Sympathien und Antipathien im Sinne von: Ach du armer…, wie schlecht geht es dir doch, das würde mir auch nicht gefallen etc. Frei zu werden von sich selbst und frei zu werden für das, was man um der Sache willen möchte – das sind die beiden Aspekte der Tugend, die aus echtem Mitgefühl und Mitleid erwächst.
- 6. Jungfrau: Höflichkeit wird zu Herzenstakt
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Verdauungsorgane.
Höflichkeit ist die Tugend freundlicher Zurückhaltung, die sich um das jeweils passende Verhältnis zu einem bestimmten Menschen oder einer gesellschaftlichen Situation bemüht. Genau das aber machen die Verdauungsorgane, wenn sie den Nahrungsmitteln die Menge an Enzymen und Verdauungssäften entgegenbringen, die gebraucht werden, um die ankommende Nahrung bestmöglich zu verarbeiten. Wird dies geübt, so kann eine neue Form von Taktgefühl entstehen, das nichts mit Berechnung oder Konvention zu tun hat, sondern Ausdruck echter Herzlichkeit ist: der Herzenstakt.
- 7. Waage: Zufriedenheit wird zu Gelassenheit
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Hüften.
„Zufrieden – da wäre ja geholfen, wo selbst ein Gott nicht helfen kann“ - so schreibt der Dichter Friedrich Hölderlin in seinem Werk „Hyperion“. Zufriedenheit ist eine besonders schwierige Tugend, weil es so vieles gibt, woran Menschen leiden, so vieles, was schief läuft unter Menschen, um nicht zu sagen katastrophal. Und man selber hat ja auch oft Grund mit Goethes Faust zu sagen: „O glücklich, wer noch hoffen kann, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen … Was man nicht hat, das eben brauchte man – und was man hat, kann man nicht brauchen …“ Wer jedoch übt, Zufriedenheit zu empfinden an Stellen, wo im Kleinen etwas gelingt, z.B. indem man wach und dankbar darüber ist, dass man frei atmen darf, genug zu essen hat, ein Dach über dem Kopf – oder zur rechten Zeit einen guten Einfall bekommt – einen Zug nicht verpasst hat, keinen Autounfall hatte usw. usf., der entwickelt auch die Tugend der Gelassenheit den Wechselfällen des Lebens gegenüber. Dadurch erfährt das Organsystem der Hüften Stärkung, das das körperliche Gleichgewicht beim Gehen ermöglicht und stabilisiert.
- 8. Skorpion: Geduld wird zu Einsicht
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Fortpflanzungsorgane.
Welche Tugend unterstützt einen menschenwürdigen Umgang mit der Sexualität?
Die Antwort ist schlicht: Geduld. Geduld bedeutet, warten zu können, bis eine Situation reif ist. Wahrnehmen zu lernen, was die Situation, was der andere Mensch braucht. Dazu gehört auch ehrlich mit sich selber zu sein, zu wissen, was man vom anderen erwartet oder nicht. Dadurch erlangt man tiefere Einsicht, eine andere Haltung, mehr Verständnis. Das führt zu einer menschenwürdigeren Beziehung. Sexualität braucht die Einbettung in eine menschliche Beziehung – wird sie zum Selbstzweck, so besteht die Gefahr, dass die Beziehung früher oder später eine unmenschliche Tingierung bekommt.
- 9. Schütze: Gedankenkontrolle wird zu Wahrheitsempfinden
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Oberschenkel.
Wer auf seine Gedanken achtet, ihren Ablauf beobachtet und kontrolliert, indem er sich darüber Rechenschaft gibt, schärft zugleich sein Wahrheitsgefühl. Er erlebt jedoch auch, dass Denken anstrengend ist, Konzentration braucht. Wer sich anspannt, sich auf etwas konzentriert, der kann dabei erleben, wie sich das ganze Muskelsystem mit anspannt. Das größte und stärkste Muskelpaket ist die Oberschenkelmuskulatur.
- 10. Steinbock: Mut wird zu Erlöserkraft
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Knie.
Die Tugend des Mutes hat viele Gesichter. Menschen können auf einem Gebiet sehr mutig erscheinen und auf einem anderen extrem zurückhaltend oder sogar feige sein. Knien ist die Haltung des wahren Mutes der Demut, des Mutes zu dienen, sich einem Höheren zu nähern. Mut nach innen und außen hin entwickelt sich jedoch nur, wenn man sich aus Sachzwängen, Konventionen und Abhängigkeiten befreit. Wer diesen Mut übt, erlebt Befreiung und Erlösung.
- 11. Wassermann: Verschwiegenheit wird zu meditativer Kraft
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Unterschenkel, Waden.
Die Tugend der Verschwiegenheit bzw. der Diskretion hat ein hohes Sozialprestige. An ihr kann man sich besonders gut klar machen, dass man eine Tugend auch aus Image-Gründen üben kann, d.h. um des eigenen Vorteils und einer besseren sozialen Akzeptanz willen. Nur wenn die Motivation zum Üben in der Tugend selbst begründet ist, entwickelt sich dabei meditative Kraft. Die Waden ermöglichen und stabilisieren den sicheren aufrechten Stand. Sie sind stille Schicksalsbegleiter.
- 12. Fische: Großmut wird zu Liebe
Organzusammenhang, der dadurch reguliert wird: Füße.
Großmut ist die souveräne menschliche Haltung. Sie umfasst alles: menschliche Größe in jeder Form – aber auch den Mut, diese Haltung zu üben und zu leben. Woran kann man sich orientieren, wenn man diese Tugend lernen will? Auch hier ist das zugehörige Organgebiet ein Lehrmeister: unsere Füße. Der Fuß ist das Organ des menschlichen Körpers, das am frühesten die typische Menschenform annahm. Aus der Paläontologie wissen wir, dass die Köpfe unserer Menschenvorfahren noch tierisch-affenähnlich aussahen, als der Fuß schon seinen spezifisch menschlichen Bau hatte – erworben am aufrechten Gang. Wer bewusst aufrecht zu gehen übt, wie dies z.B. beim dreiteiligen Schreiten in der Eurythmie getan wird, erlebt sich als menschlicher. Großmütige Menschen erkennt man auch am Gang. Über die Liebe nachzudenken und darüber, warum sie erst auf dem Boden des Großmuts realisiert werden kann, ist eine andere Einstiegshilfe, diese umfassende menschliche Tugend kennenzulernen und bei sich selber zu erüben.
Vgl. Monatsrhythmus, in: Meditation in der Anthroposophischen Medizin, 2. Kap., Berlin 2016
- Rudolf Steiner, Seelenübungen mit Wort- und Sinnbild-Meditationen, GA 267, Rudolf Steiner Verlag, Dornach 2001.