Charakteristika der neuen Mysterien
Woran erkennt man die neue Mysterienkultur?
Inwiefern unterscheidet sie sich von der alten Mysterienkultur?
Was die neuen Mysterien auszeichnet
- 1. Direkte Geistberührung
Hauptcharakteristikum einer Mysterienkultur ist, dass man den direkten Anschluss an die geistige Welt sucht, die direkte Offenbarung ohne einen Priester oder einen anderen Menschen als Vermittler: Es geht um authentische, individuelle Geistberührung. Wir sprechen heute von „Spiritualität“. Es gibt verschiedene Übungswege zur individuellen spirituellen Erfahrung. Das wichtigste Kriterium ist aber immer der Mut, sich ohne Guru, ohne Vermittlung, ohne, dass einen jemand fest an der Hand hält, der geistigen Welt gegenüber zu stellen (vgl. Geist und geistiges Wesen: Geisterkenntnis und Freiheit).
Man sucht sich zwar Weggefährten und möglicherweise auch einen Lehrer – aber einen solchen, der Hilfe zur Selbsthilfe gibt und seine Schüler nicht von sich abhängig macht. Ich spreche jetzt von den christlichen Mysterien. Wahrhaft christliche Lehrer werden ihre Macht und ihr Wissen nie missbrauchen, sondern alles in ihrer Macht Stehende im Dienst von Freiheit und Liebe zum anderen tun.
- 2. Bedingungslose Brüderlichkeit
Das setzt bedingungslose Brüderlichkeit voraus, durch die die so viel zitierte „Augenhöhe“ erst entstehen kann – denn wir Menschen sind im Grunde alle unterschiedlich, sind einander nie gleich und damit auch nicht „auf Augenhöhe“.
Das schönste Beispiel dafür finden wir in der christlichen Mysterienkultur selbst. Bevor Johannes, der Evangelist, das Johannesevangelium schrieb, verfasste er die Apokalypse (vgl. Apokalypse: Die Apokalypse als Entfaltungsgeschichte), als junger Literat sozusagen. Das Johannesevangelium ist sein Alterswerk, sein Jugendwerk die Apokalypse, die auch ganz jugendlich-visionär engagiert geschrieben ist. Darin stellt er sich vor als der Repräsentant einer neuen Mysterienkultur, die von Freiheit und Liebe lebt und nicht von Angst und Geheimnis. „Apokalypsis“ heißt Enthüllung, Offenbarung – das Gegenteil von Geheimnis, Verhüllung und Geheimhaltung.
Die Willens-Mysterien können sich nur ereignen, wenn ich weiß, was ich will, und dafür muss sich mir erst einiges offenbaren. Dafür brauche ich eine Orientierung, sonst kann ich gar nicht richtig wissen, was ich will. Im besten Fall höre ich von zwanzig Optionen und suche mir eine aus. Ich brauche viele Informationen, viel „Offenbarung“, um dann sagen zu können: Jetzt mache ich für die nächsten zehn Jahre das, dann kann ich wieder neu schauen.
- 3. Starkes Ich und Aushaltekraft
Johannes, der Apokalyptiker, stellt sich also mit folgenden Worten vor1 und charakterisiert damit auch die neuen Mysterien: „Ich“, (man merkt, ganz selbstbewusst, ganz authentisch, ganz stark!), „Johannes, euer Bruder und Schicksalsgefährte, sowohl in allen Prüfungen, als auch im inneren Königtum und in der ausharrenden Kraft, die wir als die Mit-Jesus-Verbundenen besitzen, war auf der Insel Patmos.“
Ich war auf der Insel Patmos, – wie? – als euer Bruder und Weggefährte, ich war für euch da.
Und wodurch sind wir seine Brüder und Gefährten?
Dadurch, dass wir alle unser inneres Königtum suchen und unseren Willen in Geduld und ausharrendem Mühen üben und stählen in dieser Welt. Diese Aushaltekraft haben wir, weil wir mit Jesus verbunden sind.
Charakteristika der christlichen Mysterien
Die Charakteristika der christlichen Mysterien sind also:
Ein starkes Ich im Aushalten und Tun,
Bruder sein allen, die suchend sind,
und das Leben so gestalten, dass es mit der höchsten Geistesführung, mit dem Jesus-Christus-Prinzip, verbunden ist (vgl. Christus heute: Christusbewusstsein entwickeln lernen).
Eine neue Mysterienkultur zu pflegen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen für das Leben und die Entwicklung. Das, was früher die Pharaonen gemacht haben, muss heute jeder einzelne übernehmen. Die menschliche Kultur entwickelt sich heute nur über den einzelnen Menschen weiter: Durch viele Wassertropfen entsteht ein Fluss, der die Wüste wieder zum Erblühen bringen kann, der in die Abgründe der Kulturlosigkeit wieder Menschlichkeit sät.
Vgl. Vortrag von Dr. med. Michaela Glöckler am Pflegekongress 2010
- Neues Testament, Offenbarung 1, 9.