Selbstbewusstsein und Wegzehrung im Nachtodlichen

Was bedeutet es, Selbstbewusstsein über den Tod hinaus zu entwickeln?

Wie kann uns das gelingen?

Spirituelles Selbstbewusstsein entwickeln

Der einzige Sinn eines Erdenlebens ist, einem spirituellen Wesen die Möglichkeit zu geben, ein individuelles autonomes Bewusstsein zu bilden. Aus diesem Persönlichkeitsbewusstsein heraus, das wir am und im Leib entwickeln, können wir ein individuelles, persönliches Weltbewusstsein entwickeln, so dass unser Selbstbewusstsein nach dem Tod immer kraftvoller wird (vgl. Selbstbewusstsein: Selbstbewusstsein über den Tod hinaus). Im Gegensatz dazu wissen wir aus vielen Berichten, dass die Seele die Sehnsucht haben kann, zu verschwimmen, zu verschweben, sich aufzugeben. Es gibt spirituelle Schulungswege, die nur das Aufgehen im kosmischen Bewusstsein lehren und gar nicht auf den oben genannten Sinn der Verkörperung hinarbeiten – ein spirituelles Selbstbewusstsein zu entwickeln – weil sie diesen Sinn gar nicht anerkennen.

Als Medizinstudentin las ich auf einem Friedhof in Tübingen auf Hölderlins Grabstein folgendes Gedicht, das der Dichter als 21-Jähriger geschrieben hatte. So stellte er sich den Tod vor:

„Im heiligsten der Stürme falle
Zusammen meine Kerkerwand,
Und herrlicher und freier walle
Mein Geist ins unbekannte Land.
Hier blutet oft der Adler Schwinge.
Auch drüben wartet Kampf und Schmerz.
Bis an der Sonnen letzte ringe,
Genährt vom Siege dieses Herz.“

Ruhe ist eine Qualität, die wir uns hier auf Erden erarbeiten müssen und dürfen, um Tüchtigkeit zu erlangen: Wir brauchen Ruhe, um zu uns zu kommen, um herauszufinden, wer wir sind, um anderen Menschen souverän gegenüber treten zu können. Wir brauchen Ruhe, um arbeitsfähig zu sein, um charakterlich standfest zu werden. Ruhe sollten wir uns jedoch nicht als Endstation der Entwicklung vorstellen, als Ziel, das es zu erreichen gilt. Im Gegenteil – auch im Nachtodlichen wartet Arbeit auf uns (vgl. Nachtodliches und vorgeburtliches Leben: Nachtodliche Begleitung durch die dritte Hierarchie).

Die Kraft geisterfüllter Worte und Gedanken

Nun noch eine Krankenmeditation, die Sterbenden, gerade wenn sie unruhig oder von Schuldgefühlen geplagt und sehr ängstlich sind, trösten kann. Rudolf Steiner schrieb diese Worte ursprünglich für Klara Smits:

„Ich bin jetzt von Gottes weiser Wesenheit umgeben und eingetaucht in den Heiligen Geist des Lebens, der Liebe und der Wahrheit. Ich erkenne deine Macht und Wesenheit an, segnender Geist, lösche jetzt in deiner göttlichen Weisheit meine sterbenden Irrtümer aus und bringe aus der Macht der Wahrheit meine Welt ins Dasein gemäß deinem vollkommenen Gesetz.“

Gedanken, die sich mit der Wahrheit des Sterbens und des nachtodlichen Lebens auseinandersetzen, tragen eine Kraft in sich, die man, wenn man sich in einer solchen Situation befindet, auch ganz deutlich erleben kann. Die Kraft solcher Worte kann eine Art Wegzehrung sein, weil Gedanken spirituelle Kräfte sind, die sich dem Menschen mitteilen und die er als Geistberührung erleben kann (vgl. Gedankenkraft: Engel und Gedankenleben).

Vgl. Vortrag „Die Spirituelle Dimension der Todesnähe“ vom 14.09.2007