Engel und Gedankenleben

Warum sind Engel so zurückhaltend?

Wie kann der Mensch ihnen nahe kommen?

Engel sind unsichtbar und nur dem denkenden Erleben zugänglich (vgl. Engel: Den Engel sehen). Diese Art des Erlebens drängt sich dem Menschen jedoch nicht auf, sondern muss von ihm aktiv gesucht werden. Hierin spricht sich der Wille des Engels aus, nichts zu tun, was die menschliche Entwicklung zur Freiheit stören könnte. Es ist dem Menschen selber überlassen, ob er sich an die Spitze der sinnlichen Welt stellt und nach seinem Willen einfach nur schaltet und waltet, oder ob er sich als unterstes Glied einer Welt erhabener Geistwesen aufzufassen lernt mit der Aufgabe, sich seiner eigenen Geistnatur bewusst zu werden und einem höheren Ganzen zu dienen (vgl. Engel: Engelhierarchien und Schöpfungsprozess).

Wir erleben gegenwärtig sehr deutlich, dass das Leben auf der Erde davon abhängt, welche Aufgaben und welche Entwicklungsziele wir uns als Menschheit setzen. Diese Möglichkeit zu wählen, diese Freiheit, verdanken wir der Tatsache, dass sich die Wesen der höheren Welten nur dem Unsichtbaren in uns, dem Gedankenleben zuneigen. Es ist wichtig für das menschliche Gemüt, sich klarzumachen, dass das Gedankenleben im Grunde nichts anderes ist als ein Leben in der geistigen Welt, ein Leben mit den Wesen der geistigen Welt selber (vgl. Gedankenkraft: Ätheraura der Erde kräftigen). So wie wir mit unseren Gedanken Naturgesetze erfassen können, die als Unsichtbares jedem sichtbaren Naturgeschehen zugrunde liegen, so können wir mit unseren Gedanken auch die moralischen Qualitäten, die Eigenschaften geistiger Wesen, erfassen und mit ihnen leben (vgl. Ideale: Die besondere Natur der Ideale).

Durch das Gedankenleben machen wir uns das Unsichtbare in der sichtbaren Welt bewusst. Dadurch wird aber auch das Unsichtbare der unsichtbaren Welt erlebbar. Es durchdringt alles, lebt in den Gesetzen und in dem Geist, der in der Welt wirksam ist. Sich auf das eigene Gedankenleben zu besinnen, bringt den Menschen der geistigen Welt auf sachliche und natürliche Art nahe.

Im Denken dem Engel begegnen

Mit Hilfe des Denkens können wir die gesamte sichtbare Welt begreifen. In den Ideen und Idealen können wir auch die Welt des Religiösen, die unsichtbare geistige Welt, erfahren. Wer die Beschaffenheit seiner Ideale näher untersucht, lernt eine Seite des Gedankenlebens kennen, die ihm normalerweise verborgen bleibt: dass Gedanken Kräfte sind und nicht bloße schattenhafte Vorstellungsbilder.

Woher kommen diese Kräfte?

Wer die beiden Ideale des Christentums, Freiheit und Liebe, ernst nimmt, kann erleben, dass alles im Menschenleben zu diesen beiden Idealen in Beziehung steht. Wer ihnen nachstrebt, ist allen Lebenslagen gewachsen, ist gleichsam unschlagbar und fühlt sich von einer großen Kraft getragen. Diese Kraft geht von den Wesen aus, die sich durch diese Ideale dem Menschengeist offenbaren. Lebt ein Ideal in einem Menschen, dann lebt auch das Wesen, das mit diesem Ideal verbunden ist, in ihm. So geht die Kraft der Ideale von den Wesen der geistigen Welt selber aus (vgl. Krise als Chance: Sieben Schritte aus der Krise).

Welche Qualität macht es möglich, dass ein Engel uns von seiner Kraft schenken kann?

Es ist die Qualität der Selbstlosigkeit. Diese Eigenschaft können wir am stärksten mit dem Engel selbst identifizieren: Er ist immer da, immer hilfsbereit, immer wach, begleitet uns durch alle Höhen und Tiefen der Entwicklung, ohne jemals etwas für sich zu fordern. Er bleibt uns treu, er wartet, er geleitet uns, immer zur Verfügung stehend.

Dadurch kann sich der Mensch in völliger Freiheit und Bewusstheit der unsichtbaren Welt nähern. Wenn man die höheren Wesen zunächst nur denkt, ist das wie eine erste zarte Berührung. In dem Augenblick jedoch, in dem man sich entschließt, einen Gedanken so wesentlich werden zu lassen, dass man sich ganz mit ihm verbindet und identifiziert, dass man sich bemüht, so zu werden, wie es dem Ideal entspricht, kann man die Kraft und Realität des geistigen Wesens erleben, das sich durch diesen Gedanken offenbart. Wird man einem solchen Ideal später wieder untreu, kann man deutlich empfinden, wie diese Kraft von einem geht. Dann fühlt man sich möglicherweise „von allen guten Geistern verlassen“. Beginnt man jedoch die Beziehung wieder aufzunehmen, kommt einem die geistige Welt wieder näher. Die Wesen der geistigen Welt sind ständig in uns und um uns – der Grad ihrer Wirksamkeit und Hilfe hängt jedoch davon ab, inwieweit wir uns mit ihnen verbinden wollen (vgl. Geist und geistiges Wesen: Geisterkenntnis und Freiheit).

In jedem Augenblick, in dem wir eine Idee zu einem Ideal erheben, können wir uns durch diese Identifikation mit einem Wesen der geistigen Welt in Beziehung setzen. Da gibt es viele Qualitäten: Treue ist etwas anderes als Selbstlosigkeit, Liebe etwas anderes als Mut, Friede etwas anderes als Stille. Sobald man sich einem solchen Ideal hingibt, wird man von der Kraft berührt, die in ihm lebt und in uns wirken kann, die von einem geistigen Wesen ausgeht.

Vgl. Kapitel „Vom Wirken der Engel im Leben von Kindern und Erwachsenen“, Elternsprechstunde, Verlag Urachhaus, Stuttgart**