Ernährung und Gedankenleben
Wie wirkt sich unsere Ernährung auf unser Denken aus?
Welche Faktoren müssen dabei berücksichtigt werden?
Materialistisches Denken als Ernährungsproblem
Im Folgenden seien ein paar Aspekte zur Bedeutung der Ernährung für das Gedankenleben hervorgehoben: Gesund gewachsene Pflanzen, die selber starke Wachstums- und Bildekräfte enthalten, verlangen dem Menschen eine stärkere Anstrengung der Verdauungsarbeit ab als überzüchtete, mit Pflanzenschutzmitteln behandelte, weniger robuste Individuen. Gesunde, vielseitige Ernährung bewirkt so eine differenzierte Anregung aller Verdauungsvorgänge. Dies hat jedoch nicht nur leibliche Gesundheit zur Folge, sondern wirkt sich auch aus auf die Aktivität und Disposition zum schöpferischen Denken.
Rudolf Steiner wurde einmal von Ehrenfried Pfeiffer gefragt, warum es so schwer sei, die materialistischen Denkgewohnheiten in unserer Zeit zu überwinden. Seine Antwort war: „Das ist ein Ernährungsproblem.“ Leicht verdauliche, einseitige Kost führt nicht nur zu einer gewissen Trägheit der Verdauungsorgane, sondern veranlagt auch zur Trägheit des Gedankenlebens. Wer nur denken kann, was sich durch die Sinneswahrnehmungen gleichsam wie von selber aufdrängt und den Verstand ausschließlich zum Kombinieren von Sinneseindrücken verwendet, kommt an die schöpferischen Möglichkeiten seines Denkens nicht heran.
Wer ein aktives, von der Sinneserfahrung losgelöstes Denken praktizieren möchte, muss sich innerlich mehr anstrengen – was durch bereits in frühen Jahren gut aktivierte Verdauungsprozesse gefördert werden kann. Und so kann deutlich werden, in welch hohem Maße die bewusste Pflege des wachsenden, sich entwickelnden Körpers durch Ernährung, einen guten Schlaf-Wach-Rhythmus und angemessene hygienische Bedingungen die spätere seelisch-geistige Entwicklung unterstützen kann.
Regeneration durch geistige Ernährung
Andererseits geben in der zweiten Lebenshälfte ein aktives Geistesleben und eine gleichsam „geistige Ernährung“ die notwendige Anregung, um die nachlassenden Regenerationsprozesse im Körper zu unterstützen. Schon in der Lebensmitte ist die Art und Weise, wie wir denken und wie wir uns selbst erziehen, entscheidend dafür, wie stabil unser Gesundheitszustand ist (vgl. Gesundheit: Gesundheit und Denken). Dafür sind nicht allein die leibliche Versorgung und das Essen ausschlaggebend. Man kann sogar die Ernährung vorübergehend vernachlässigen oder infolge starker Beanspruchung durch die tägliche Arbeit über längere Zeiten überhaupt auf regelmäßige Mahlzeiten verzichten, wenn genügend Begeisterung und innere Motivation für die Arbeit da ist.
Im letzten Lebensdrittel muss allerdings ein neues Gleichgewicht zwischen körperlicher und seelischer Anstrengung gefunden werden, damit nicht das eine auf Kosten des anderen zu sehr in den Vordergrund tritt und eines der beiden beeinträchtigt wird. Je älter man jedoch wird, umso mehr ist die „geistige Ernährung“ entscheidende für die Gesundheit.
Je mehr die Gedanken eines Menschen über sich selbst und die Welt den inneren und äußeren menschlichen Entwicklungsgesetzen folgen, umso gesünder wird er sein (vgl. Denken: Wahrheit als Grundlage für Körperaufbau und Denken).
Je unmenschlicher und lebensfremder die Gedanken eines Menschen sind, umso stärker kränken sie den natürlichen Lebenszusammenhang, zu dem sowohl das Körperleben als auch das Gedankenleben gehören.
Beide sind letztlich ganz auf das Menschliche hin orientiert. So gesehen hat jede Krankheit einen doppelten Aspekt, dem man mit folgenden Fragen auf die Spur kommt:
Wie konnte der Leib diese spezifische Kränkung erfahren, warum reichten die Regenerationskräfte nicht aus?
Und welche Gedanken, welche bewussten Tätigkeiten sind jetzt nötig, um den Heilungsverlauf entsprechend zu unterstützen?
Sie geben dem Gespräch zwischen Arzt und Patient eine über das Physische hinausgehende Dimension und eröffnen neue Möglichkeiten, Entwicklung zu begleiten (vgl. Krankheit: Krankheit, Heilung und die Frage nach dem Sinn).
Vgl. Kapitel „Zusammenhänge der menschlichen Denktätigkeit“, Elternsprechstunde, Verlag Urachhaus, Stuttgart