Selbstbewusstsein erringen als Erwachsener
Wie können wir auf seelisch-geistiger Ebene Selbstbewusstsein erringen?
Einseitige Sicht auf Selbstbewusstsein
Selbstbewusstsein zu haben bedeutet, dass man von sich weiß (vgl. Mut: Der physische Leib als Quelle von Mut). Heute arbeitet jeder mehr oder weniger stark an seinem „Outfit“. Dieses auf das Äußere gestützte Selbstbewusstsein ist jedoch sehr verletzlich, ebenso dasjenige, das sich auf den sogenannten neuesten Stand der Wissenschaft stützt.
Ich nenne nur das magische Wort „Brain-Research“, Gehirnforschung. Wenn etwas von der Gehirnforschung „belegt“ wird, wird es sofort zitiert und in Erziehungsmaximen umgesetzt; der „Wissende“ fühlt sich dadurch in seinem Selbstbewusstsein gestärkt. Er denkt jedoch oft gar nicht weiter darüber nach, fragt sich nicht, ob die zitierten Erziehungsmaximen auch wirklich sinnvoll sind. Er schaltet seinen gesunden Menschenverstand – der in den letzten Jahrzehnten ohnehin sehr gelitten hat – überhaupt nicht mehr ein. Ein solches von der physischen Welt abhängiges Selbstbewusstsein ist nicht echt und hat in der geistigen Welt keinen Bestand.
Nun gibt es aber zwei weitere Stufen des Selbstbewusstseins und der Selbsterfahrung, die wir nicht nur in uns selbst entwickeln, sondern vor allem auch bei kleinen Kindern veranlagen müssen: Selbsterfahrung auf seelischer Ebene (vgl. Waldorfpädagogik: Entwicklungsphasen und Pädagogik) und Selbsterfahrung auf geistiger Ebene durch Denken.
Viele kennen die Ausstellung „Körperwelten". Dort wird jedes Detail des menschlichen Organis¬mus gezeigt: physisch gesehen, von außen. Aber alles, was man dort sieht, jedes Präparat, das dort ausgestellt ist, ist das Ergebnis hoher gedanklicher Leistung. Das gilt für alles, was wir über die äußere Welt wissen, für die ganze auf materielle Dinge gerichtete Forschung. Normaler¬weise nehmen wir das Denken als etwas so Selbstverständliches wie das Wasser; wir verschwen¬den keinen Gedanken daran. Erst wenn wir über das Denken selbst nachdenken, merken wir, was uns damit in die Hand gegeben ist: ein flügelleichtes, helles, unzerstörbares, lichtes, nichtmaterielles Kraftsystem (vgl. Denken: Denken als Brücke zwischen der Sinneswelt und der Welt des Geistigen).
Sich als geistiges Wesen unter geistigen Wesen erleben
Menschen, die im Gefängnis saßen oder unter Folter zu leiden hatten, beschreiben, was sie am Leben hielt und ihnen half, die Traumatisierung zu überwinden: Es waren bestimmte Gedanken (vgl. Macht: Die letzte Freiheit des Menschen), Bilder, Menschen, die ihnen sehr plastisch erschienen, wie anwesend waren. Auch Verstorbene können das sein oder übersinnliche Wesen, die auf einmal in die Vorstellungswelt eintreten und Trost spenden (vgl. Umgang mit Verstorbenen: Besondere Verbindung zu Verstorbenen). Erleben wir unser Selbstbewusstsein in diesem unzerstörbaren Gedankenraum, dann erleben wir uns als geistige Wesen unter geistigen Wesen. Dann stabilisiert sich unser Selbstbewusstsein „von innen“ und ist nicht mehr abhängig von äußerer Anerkennung.
Unser geistiges Wesen können wir uns nur in dem Teil des menschlichen Wesens vergegenwärtigen, der so ewig und unzerstörbar ist wie ein Gedanke (vgl. Gedankenkraft: Gedanken als Brücke zur Geisterfahrung). Und so können wir auch nur in Gedanken und Gefühlen, diesen rein seelisch-geistigen Fähigkeiten, die Beziehung zu Verstorbenen halten, können in Bildern vor uns sehen, was physisch nicht mehr da ist.
In Gedanken und Gefühlen kann sich die geistige Welt offenbaren. Die guten geistigen Wesen können sich in guten Gedanken und Gefühlen verkörpern, während unsere hässlichen Gedanken Teufel und dämonische Wesen anziehen, die uns mit Angst, Gewissensbissen und Schuldgefühlen attackieren. Wir müssen entdecken, dass wir geistige und damit gedankendurchdrungene Wesen sind, dass wir aber auch seelische und damit gefühlsdurchdrungene Wesen sind.
Vgl. „Die Würde des kleinen Kindes“, 1. Vortrag, Kongressband Nr. 2, gelbes Heft