Rudolf Steiners Forderung nach einem neuen Verständnis von Gesundheit
Welche Reformen forderte Rudolf Steiner im Bereich der damaligen Medizin?
Nötige Reformen des medizinischen Systems
Die Kapitel I–VII von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“1 befassen sich mit dem gesundheitswissenschaftlichen Ansatz der Anthroposophischen Medizin. Rudolf Steiner zeigt den methodischen Ansatz für einen Paradigmenwechsel von Pathogenese zu Salutogenese aus anthroposophischer Perspektive auf. Den ersten Kurs für Anthroposophische Medizin 1920 eröffnete er mit den Worten:
„[. . .] es ist ja ziemlich selbstverständlich, daß von dem, was Sie wahrscheinlich alle erwarten von der Zukunft des medizinischen Lebens, nur ein sehr geringer Teil in diesem Kursus wird angedeutet werden können, denn Sie alle werden ja mit mir darinnen übereinstimmen, daß ein wirkliches, zukunftssicheres Arbeiten auf dem medizinischen Felde von einer Reform des medizinischen Studiums als solchem abhängt.
Man kann nicht mit dem, was man in einem Kursus mitteilen kann, eine solche Reform des medizinischen Studiums auch nur im Entferntesten anregen, höchstens in der Weise, daß in einer Anzahl von Menschen der Drang entsteht, mitzutun bei einer solchen Reform. [. . .] Dasjenige, was in diesen Vorträgen beigebracht werden soll, das möchte ich erreichen dadurch, daß ich in einer Art von Programm verteile das zu Betrachtende in der folgenden Weise:
- 1. Sachgemäße Erfassung von Krankheit
Erstens möchte ich Ihnen geben einiges, das hinweist auf die Hindernisse, die im heutigen gebräuchlichen Studium bestehen gegen eine wirklich sachgemäße Erfassung des Krankheitswesens als solchem.
- 2. Wahre Menschenerkenntnis als Grundlage
Zweitens möchte ich dann andeuten, in welcher Richtung eine Erkenntnis des Menschen zu suchen ist, die eine wirkliche Grundlage für das medizinische Arbeiten abgeben kann.
- 3. Heilen durch Erkenntnis der Beziehungen des Menschen zur übrigen Welt
Drittens möchte ich auf die Möglichkeiten eines rationellen Heilwesens hinweisen durch die Erkenntnis der Beziehungen des Menschen zur übrigen Welt.“2
- 4. Eingehen auf Fragen der Studierenden
Als viertes wünschte er sich Fragen aus dem Teilnehmerkreis, weil er seine Ausführungen ganz nach den Bedürfnissen der anwesenden Fachleute und Studierenden richten wollte.3
Neue Therapieformen durch neues Gesundheits- bzw. Krankheitsverständnis
Seither haben sich – insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg – neben der Anthroposophischen Medizin auch andere an der ‚Ganzheit Mensch‘ und einem neuen Gesundheits- bzw. Krankheitsverständnis orientierte Therapieformen entwickelt. Beispielhaft genannt seien
- die Gestalttherapie,4
- Viktor Frankls (1905–1997) Logotherapie5
- und die humanistische Psychotherapie.6
Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 20257
- Rudolf Steiner, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27.
- Rudolf Steiner, Geisteswissenschaft und Medizin, GA 312, S. 13.
- Ebenda, S. 14.
- Vgl. Boeckh (2015).
- Vgl. Frankl (2005).
- Vgl. Kriz (2023).
- In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.