Salutogenetisch ausgerichtete Projekte als Beispiele
Gibt es bereits salutogenetisch ausgerichtete Projekte in Deutschland und Europa?
Was zeichnet sie aus?
Mit welchen Gegebenheiten und Strukturen haben sie zu kämpfen?
Auf Gesundheit ausgerichtete Strukturen
Ich möchte an dieser Stelle zwei Beispiele anführen, eines in Deutschland, eines in den Niederlanden, die zum Teil international Beachtung finden. Sie zeigen, dass es sich lohnt, die Gesundheit zur Leitlinie zu machen und dadurch in den Gesundheitssystemen der Länder neue Strukturen zu schaffen.
- 1. Therapeutisch orientiertes Senioren-Pflegeheim
In Mülheim an der Ruhr wird seit 2022 ein therapeutisch orientiertes Senioren-Pflegeheim wissenschaftlich begleitet, dass bestrebt ist, pflegebedürftige ältere Menschen durch intensive therapeutische Maßnahmen (Ergotherapie, Physiotherapie, künstlerische Therapien und viel Bewegung) wieder in die Selbstständigkeit nach Hause zu entlassen. Das Pflegekonzept soll in naher Zukunft bundesweit in zwölf weiteren Einrichtungen zur Anwendung kommen.1
Warum das so langsam geht und erst ausgedehnter Forschungen bedarf, die dann wissenschaftlich belegen sollen, dass es den Menschen wirklich guttut, wenn man sie in ihrer Lebenssituation ernstnimmt und aktivierend behandelt, dafür sind nach Aussagen von Fachleuten systemimmanente Gründe wie Finanzierungsfragen, Fachkräftemangel sowie Unvereinbarkeiten zwischen Kranken- und Pflegeversicherungen verantwortlich.
- 2. Positive-Health-Konzept in den Niederlanden
Umso erfreulicher ist es, dass sich in den Niederlanden bereits im letzten Jahrzehnt ein sehr erfolgreiches Konzept mit dem Namen „Positive Health“ etabliert hat, das inzwischen auch international Resonanz findet.2
Vorausgegangen waren ausgedehnte Forschungen in Anknüpfung an die WHO-Definition von Gesundheit.3 Die Frage war, ob und wie sich diese Definition von Gesundheit wissenschaftlich validieren und praxistauglich machen lässt. Denn mit Resultaten aus einer in diesem Sinne anerkannten Gesundheitsforschung wird es nicht nur für Behörden, sondern auch für die Krankenkassen interessant und möglicherweise überzeugend.
Diese Forschung konzentrierte sich auf sechs Kernparameter, die den aktuellen Gesundheitszustand abbilden können:
- 1. Körperfunktionen,
- 2. mentales Wohlbefinden,
- 3. Sinnhaftigkeit,
- 4. Lebensqualität,
- 5. Partizipation
- 6. tägliches Funktionieren.
Diese Parameter wurden im Rahmen des „Positive Health Konzeptes“ durch erläuternde Subparameter weiter spezifiziert, so dass sich individuelle Patienten oder soziale Gruppierungen daran für den eigenen individuellen bzw. sozialen Gesundheitszustand selbst evaluieren und herausfinden können, wo man am besten ansetzt, einen ggf. festgestellten Mangelzustand zu beheben.
Auf dieser Grundlage ist es jetzt möglich, den individuellen und/oder sozialen Gesundheitszustand zu messen, wissenschaftlich auszuwerten und gezielt an dessen kontinuierlicher Anhebung zu arbeiten. Besonders ansprechend ist dabei, dass es sich bei diesem Vorgehen auch um einen direkten Weg der Hilfe zur Selbsthilfe handelt. D.h. er kann sowohl unter fachlicher Begleitung als auch in Selbsthilfegruppen oder autonom in Eigenregie gegangen werden.
Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 20254
- Siehe https://haus-ruhrgarten.de/pflege-therapie-betreuung-1; [6.1.2025].
- Vgl. Huber u. a. (2016); Huber u. a. (2021).
- Vgl. Richter und Hurrelmann (2016).
- In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.