Instrumente eines erfolgreichen Krisenmanagements

Inwiefern kommt dem Schularzt die Rolle des Krisenmanagers zu?

Welche Instrumente können uns helfen, dieser Rolle gerecht zu werden?

Welche Eigenschaften verhindern eine vertrauensvolle Zusammenarbeit?

Instrumente zur Bewältigung von Krisen

Krisen sind immer auch Chancen, bei deren Bewältigung wir über uns selbst hinauswachsen. Im Folgenden möchte ich aufzeigen, welche Instrumente uns dabei helfen können.

  • 1. Vertrauen aufbauen

Jeder beruflich oder lebensmäßig Spezialisierte braucht in der Zusammenarbeit mit anderen Berufsfeldern und Menschengruppen vor allem ein Instrument, wenn er seine Rolle gut spielen will: Vertrauen, dass die „Mitspieler“ es gut mit den jeweils anderen meinen. Das gilt auch im Hinblick auf Schwierigkeiten im Dreieck Eltern – Lehrer – Schüler. Das betrifft auch den Schularzt, der manchmal die Rolle eines Krisenmanagers bei Konflikten innerhalb dieses Dreiecks spielen muss.

In meiner Zeit als Schularzt an der Waldorfschule in Witten erkannte ich, dass in vielen Problemsituationen das fehlende Vertrauen zueinander das eigentlich kränkende Element ist. Angst und Misstrauen sind Promotoren von Verhaltensproblemen und Konflikten. Deshalb muss man gerade in Krisen üben, den anderen zu vertrauen und so auch ihr Vertrauen zu erringen. Denn keine Intervention kann gelingen, wenn nicht als Erstes Vertrauen zwischen den verschiedenen Parteien hergestellt würde. Wenn ein Schüler, der in Schwierigkeiten steckt, fühlt, dass man ihn sieht und ihm vertraut, wird sein Ich in einer Weise angesprochen, dass er die Kraft aufbringt, zu tun, was er vorher nicht zu tun vermochte.

  • 2. Rechtzeitig kommunizieren

Das zweite Instrument der Krisenbewältigung ist die Bereitschaft zur Kommunikation: der Wille, sich über Probleme auszutauschen, sobald sie zutage treten. Viele Probleme wachsen sich erst dadurch zu Krisen aus, dass die Betroffenen viel zu spät anfangen, darüber zu sprechen. Wenn selbst kleine Unstimmigkeiten gleich zur Sprache gebracht werden, kann man noch mit einer gewissen Lockerheit damit umgehen bei der Suche nach Lösungen.

  • 3. Aus Fehlern lernen

Das dritte Instrument, das Krisen sogar vorbeugen könnte, erlebe ich als das am schwersten Handhabbare. Auch Rudolf Steiner hat damit gekämpft. Er wollte, dass die Lehrer sich gegenseitig ihre Erfahrungen und Fehler mitteilen, um voneinander zu lernen. Damals wie heute wollte man nicht wahrhaben, wie wertvoll und effizient es sein kann, aus Fehlern zu lernen. In Witten gab es ein goldenes Buch, in das man seine pädagogischen Highlights hineinschrieb: als Inspiration für die nachfolgenden jungen Lehrer.

Aber viel wichtiger wäre für jedes Team und jedes Kollegium zu erfahren, wie jemand in einer schwierigen Situation gelitten und sie gemeistert hat. Doch sobald eine Krise bewältigt ist, spricht kein Mensch mehr davon. Jeder Fehler, jede Krise sollte evaluiert, genau angeschaut und befragt werden:

Was waren die Auslöser für die Krise?

Was lehrt uns diese Erfahrung?

Weil wir jedoch noch keine ausreichende Fehler- und Feedback-Kultur haben, tauchen dieselben Probleme immer und immer wieder auf. Rudolf Steiner wollte, dass die in den Berufsfeldern tätigen Menschen, insbesondere aber die Lehrer, „aus Fehlern lernen". Er sagte, das wäre das wichtigste Werkzeug an der Schule. Es wird jedoch viel zu wenig eingesetzt.

Destruktive Eitelkeit und Geltungssucht

Zum Abschluss eine Anekdote, die hilfreich für Kollegien und Teams sein kann. Rudolf Steiner sagte eines Morgens, als die Lehrer sich um ihn für den Morgenkreis, die Morgenbesprechung versammelten: „Liebe Kollegen, unten am Schultor sitzen zwei Damen. Sie müssen aufpassen, dass die beiden nie die Schule betreten.“. Herbert Hahn, der mir die Geschichte erzählte, ging sofort hinunter, um nachzuschauen, wer dort saß. Er kam zurück mit den Worten: „Herr Doktor, da ist niemand!“. Rudolf Steiner entgegnete sinngemäß: „Doch, doch, sie sitzen da und dürfen auf keinen Fall in das Waldorfkollegium herein. Denn sie verhindern, dass wir aus Fehlern lernen. Sie heißen Eitelkeit und Geltungssucht.“.

Über die Jahre habe ich die Destruktivität dieser beiden Eigenschaften immer besser zu verstehen gelernt. Frauen sind anfälliger für Eitelkeit, Männer eher für Geltungssucht. Bei beiden sind diese Eigenschaften unbewusst Teil der jeweiligen Konstitution. Sie sind als Anlage vorhanden, sollten jedoch im Schulzusammenhang nicht wirksam werden, will man Problemen vorbeugen. Fakt ist: Sie sind „Mutter und Vater“ nahezu aller Schwierigkeiten, mit denen zusammenarbeitende Menschen zu tun haben (vgl. Zusammenarbeit: Orientierung am gemeinsamen Ziel).

Vgl. Vortrag „Das anthroposophische Menschenbild“, Schulärztetagung 2014