Ich-Wesen und Wesen der Heilwirkungen
Worauf basieren die Phänomene ‚Selbstheilung und ‚Selbstregulation‘?
Wie korrespondieren das Ich-Wesen des Menschen und das Wesen der Heilwirkungen?
Inwiefern ist der Mensch direkt für den Fortgang der Evolution verantwortlich?
Ich-Organisation und Selbstregulation
In Kapitel VII von „Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst“1 wird das Wesen der Heilwirkungen in unmittelbarer Anknüpfung an das bisher über die physiologischen Prozesse und deren Steuerung durch die Wesensglieder Dargestellte beleuchtet. In Kapitel V beispielsweise wurde erklärt, inwiefern die Entwicklungspotentiale der natürlichen Evolution mit der Entstehung der ‚defizitären‘ menschlichen Konstitution an ihr Ende kommen.
In Kapitel VII nun gehen die Autoren auf eine weitere Besonderheit des Menschen ein – seine „systemimmanente Offenheit“, die eine Voraussetzung für die Entwicklung des seelisch-geistigen Potential ist: „Die menschliche Gesamtorganisation ist nicht ein in sich abgeschlossenes System von ineinandergreifenden Vorgängen. Wäre sie das, sie könnte nicht der Träger des Seelischen und Geistigen sein.“2
Die Phänomene ‚Selbstregulation‘ und ‚Selbstheilungskräfte‘ weisen auf die vielen inzwischen bekannten Einflussfaktoren, wie der Mensch die eigene Gesundheit körperlich, seelisch und geistig selbst beeinflussen kann.3 Die auch von einzelnen Krankenkassen bereits beachtete Präventionsforschung sowie die daraus resultierenden Präventionsprogramme sind dadurch inspiriert. Aus anthroposophischer Sicht ist es letztlich die Ich-Organisation, die für Art und Umfang der Selbstregulation verantwortlich ist.
Das Wesen der Heilwirkungen in Mensch und Substanz
Das im Titel von Kapitel VII angesprochene ‚Wesen der Heilwirkungen‘ bezieht sich zum einen auf das Ich-Wesen des Menschen selbst und zum anderen auf das Wesenhafte der Substanzbildung durch die Abbau- und Aufbauvorgänge, für deren Qualität die Ich-Organisation ebenfalls verantwortlich ist.
Die Begrifflichkeit ‚Substanz‘ hat im Lateinischen die Konnotation des sub, d.h. des ‚darunter‘ liegenden Materiellen. Im Griechischen hat das Wort ουσια noch die Doppelbedeutung von ‚Wesen‘ und ‚Substanz‘:
D.h. die im Nervensystem zerfallende Substanz entlässt geistige Formkraft, geistig Wesenhaftes. Hier wird die Ich-Organisation zum Träger des bewussten Geisteslebens.
Im Gewebeaufbau aus dem Blut hingegen werden gestaltende Formkräfte aufgenommen. Hier wird die im unbewussten Körperleben schaffende Ich-Organisation im Substanzstrom von Blutgewebe und Muttermilch wie getragen.
Dreifache Entfremdung der Substanz im Menschen
Im Kapitel I war das Schicksal der Substanz im menschlichen Organismus als ein dreifacher Entfremdungsprozess geschildert worden. Diese Begrifflichkeit mag zunächst erstaunen, ist aber sehr präzise gemeint. Im Zuge des Verdauungsprozesses wird die Nahrungssubstanz aus dem Lebenszusammenhang von Pflanze und Tier heraus in den abgebauten mineralischen Zustand versetzt.
1. In der Neubelebung , durch den Ätherleib des Menschen geschieht ein erster Entfremdungsschritt.
2. In dem darauffolgenden Prozess der Durchseelung durch den Astralleib wird die Substanz weiter ihrem mineralischen Zustand entfremdet.
3. Durch die Arbeit der Ich-Organisation an der Substanz erreicht sie ihre höchste Entfremdungsstufe vom Physisch-Mineralischen, indem sie Geist tragend wird.
Im Dienst der Ich-Organisation kommt die Substanz sozusagen wieder aus der Fremde ‚nach Hause‘, indem sie erneut zum Wärmezustand vergeistigt wird und nicht mehr stofflich fassbar ist.
Selbstheilungskräfte (aus dem Blut) aktivieren lernen
In Kapitel VII werden die Selbstheilungskräfte nicht mit Blick auf ihre Funktion als körperliche Schutz- und Abwehrmechanismen des Immunsystems geschildert. Vielmehr werden sie als diejenigen Kräfte dargestellt, die dem Blut innewohnen, das den dreigliedrigen Organismus versorgt:
- einerseits in Form der weißen Blutzellen , die für die körperliche Abwehr verantwortlich sind,
- insbesondere aber auch in Form der Tätigkeit der roten Blutkörperchen
- und der übrigen Bestandteile des Blutes.
Das Blut als Ganzes ist als Instrument der Ich-Organisation Träger der Selbstheilungskräfte (vgl. Anthroposophische Menschenkunde: Das Blut als Instrument des Ich).
Der Fortgang der Evolution wird maßgeblich von der Art und Weise mitbestimmt werden, wie der Mensch seine von der Natur emanzipierten ‚außerkörperlich‘ wirksamen seelisch-geistigen Potentiale handhabt – zum Segen oder Schaden seiner Mitwelt und seiner selbst. So trägt auch die Art des Umgangs mit dem eigenen Gedanken-, Gefühls- und Willenspotenzial zur Stärkung oder zur Schwächung der Regulationsfähigkeit der Ich-Organisation bei, was sich langfristig auf die gesamte weitere Entwicklung des betreffenden Menschen auswirkt.
Vgl. „Einleitung zu Band 15, Schriften zur Anthroposophischen Medizin, Kritische Edition der Schriften Rudolf Steiners“, frommann-holzboog Verlag, Stuttgart 20254
- Rudolf Steiner, Ita Wegman, Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst, GA 27, Kap. VII.
- Siehe FN 1, S. 38.
- Esch (2017).
- In Band 15 der SKA findet sich auch das umfangreiche Literatur- und Referenzverzeichnis. Wer den Inhalt weiter vertiefen möchte, kann sich dort darüber informieren.

