Sprechen über die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft

Wie lädt man Menschen richtig ein, Mitglied der Hochschule zu werden?

Wie erreichen wir die jüngere Generation?

Den Weg zur Hochschule finden

Jahrzehntelang hat man über die Existenz der Hochschule geschwiegen, weil man Angst hatte etwas Falsches zu sagen. Ich kann das sehr gut verstehen. Das Ergebnis ist jedoch, dass bei unseren Hochschul-Treffen derzeit fast nur grau- und weißhaarige Menschen zu sehen wären, würde sich ein Teil der Frauen nicht die Haare färben. Die ältere Generation hat den Weg zur Hochschule gefunden, aber schon die nächste Generation, der Nachwuchs, weiß zu großen Teilen – abgesehen von ein paar Ausnahmen – nicht einmal von der Existenz der Hochschule.

Man könnte jetzt mit Recht sagen: Jeder, der wirklich will, findet den Weg dorthin. Und sei es, dass er darüber liest. Es wurde ja vieles darüber publiziert. Ich meine, dass es nicht so einfach ist. Denn die Hochschule ist aus Liebe und Sorge um den Menschen und seine Geistsuche auf der Erde begründet worden (vgl. Freie Hochschule für Geisteswissenschaft: Freie Hochschule für Geisteswissenschaft als-Michael-Schule). Es braucht die Begegnung von Mensch zu Mensch, damit sich jemand wirklich angesprochen fühlt.

Beispiel von Heinz Hartmuth Vogel

Einige von euch haben sicher Heinz Hartmuth Vogel gekannt. Ich kannte ihn natürlich von früher, von den Ärztetagungen, wir waren befreundet. Als ich Sektionsleiter wurde, besuchte ich ihn bei der Wala. Ich erzählte ihm, dass ich kürzlich an alle 850 Mitglieder eine handschriftliche Einladung geschrieben hatte, wobei ich jeden mit Namen angeschrieben und auch persönlich unterschrieben hätte, doch er wäre nicht dabei gewesen. Er gehörte zu den Personen, die ich unter den Hochschulmitgliedern vermisste. Ich frage ihn also geradeheraus: „Warum bist du nicht Hochschulmitglied?“ Worauf er mich ganz groß anschaute und sagte: „Mich hat nie jemand eingeladen“ . Für ihn war es eine klare Sache, dass man dazu eingeladen werden musste.

Seitdem lebe ich mit der Frage, wie man Menschen richtig einlädt. Ich mag euch jetzt alle wie damals Heinz Hartmut Vogel fragen:

Warum seid ihr nicht Hochschulmitglieder?

Vielleicht könnten bei dieser Gelegenheit alle Mitglieder aufstehen. Ich gehe davon aus, dass sie alle einen Grund haben, warum sie Mitglied werden wollten. Das bedeutet in keiner Weise, dass sie bessere Menschen sind, als die anderen hier Anwesenden. Anthroposoph zu sein ist keine Belohnung für gutes Benehmen und Hochschulmitglied zu sein auch nicht. Es ist vielmehr eine Willensbekundung.

Mein Weg in die Hochschule

Bevor ich Hochschulmitglied wurde, kannte ich bereits die drei Bedingungen. Ich leitete in Tübingen eine Studentengruppe und fühlte mich deshalb als Repräsentant der Anthroposophie. Wenn man sich damals öffentlich zur Anthroposophie bekannte, folgte wie selbstverständlich der Schritt in die Hochschule. Soviel zu meiner Motivation. Ich wusste auch, dass ich zuvor mit jemandem ein Gespräch führen musste. Ich wollte dazu nach Dornach fahren und Rudolf Grosse, den ich von einer Lehrertagung her kannte, um dieses Gespräch bitten. Ich besorgte mir also einen Termin bei ihm, in der Hoffnung, von ihm zu erfahren, ob ich reif für diesen Schritt wäre und ob mein bescheidenes Motiv reichte.

Ich hatte keine Ahnung, worum es bei den Klassestunden geht. Ich wusste nur, dass meine Mutter da immer hinging, ohne je ein Wort darüber zu verlieren. Für uns Kinder bedeutete Klassenstunde nur Eines: Mama ist weg. Und man muss sehr pünktlich sein. Mehr wusste ich nicht.

Rudolf Grosse war damals auch noch ganz jung und meinte, das müsste ich schon selbst entscheiden. Nur Rudolf Steiner wäre in der Lage gewesen zu beurteilen, ob jemand reif für die Hochschule war. Er fragte mich, ob ich das Grundlagenbuch „Wie erlangt man Erkenntnisse…“1 kennen würde, überließ mir aber die Entscheidung, Mitglied zu werden oder nicht. Ungefähr so ist es bis heute geblieben.

Miteinander ins Gespräch kommen

Meine eigenen Erfahrungen sind als Überleitung zu Ihren Fragen gedacht, die Sie mir im Anschluss stellen können. Es wäre schön, wenn wir miteinander darüber ins Gespräch kommen könnten, warum die einen sitzen geblieben und die anderen aufgestanden sind. Dafür gibt es keine logischen Kriterien. Es gibt auch kein „moralisches Thermometer“ oder eine Messlatte, die irgendwo hängt und über die Mitgliedschaft entscheidet.

Es wäre schön, wenn wir nach dem heutigen Abend mehr darüber wissen, warum einige von uns Mitglieder der Hochschule sind und andere nicht. Das ist für jeden von uns interessant. Indem wir einander davon erzählen, findet eine wesentliche Begegnung statt – dafür möchte ich Ihnen jetzt schon danken.

Vgl. „Offenes Gespräch über die Hochschule“ an der Jahreskonferenz der Medizinischen Sektion, Dornach 2009

  1. Rudolf Steiner, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?, GA 10.