Auswirkungen elektronischer Geräte (ICT) im Unterricht

Sollten Kinder im Unterricht ihren eigenen elektronischen Geräten überlassen werden?

Was spricht dafür, was dagegen?

Argumente gegen Medien in Klassenzimmern

Tom Butler1 argumentiert gegen den Mythos, dass die generelle Anwendung von Computern für Lernzwecke zum Vorteil von Schülern sei. Der Gebrauch von Smartphones, Tablets und Computern durch Kinder zeigt wie nie zuvor den Generationssprung, der im digitalen Zeitalter vollzogen wurde und wird.

Die heutigen Eltern bemühen sich, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten – wozu auch der bedenkenlose Gebrauch von Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) im Unterricht seitens ihrer Teenager gehört. Das wurde von Lehrern und Schuldirektoren am Festival of Education in Learning and Teaching Excellence (Féilte) mit Sorge beobachtet, das 2015 in Dublin stattfand.

Die Sorge der Lehrer wurzelte im fehlenden Verständnis der Eltern in Bezug auf die Auswirkungen von Bildschirmzeit auf ihre Kinder und die mangelnde Kontrolle darüber. Diese Sorge ist schon allein deshalb besonders angebracht, weil traditionelle Lehr- und Lernansätze vermindert zum Tragen kommen oder sogar komplett ersetzt werden durch die Benutzung von IPads, Tablets und Notebooks – und das alles, ohne dass es den Funken eines wissenschaftlichen Beweises in Bezug auf die Lernergebnisse durch ICT gibt.

Kinder als Opfer eines unhaltbaren Mythos

In allen Schichten der Gesellschaft werden immer mehr Kinder buchstäblich ihren eigenen Geräten überlassen – sei es dem Smartphone, dem iPad oder dem Computer – mit teilweisen desaströsen Konsequenzen für ihre Bildung, ihr physisches und geistiges Wohlbefinden und die dadurch zu erwartenden zukünftigen Herausforderungen für ihr Leben.

Der utopische Mythos über ICT hinsichtlich seines Bildungswertes wird durch den generellen Mangel, ICT und seine Leistungsfähigkeit zu verstehen, am Leben gehalten; etwas, das sich Smartphone-, Tablet- und Computerproduzenten sowie pädagogische Technologieentwickler bei ihrer Produktwerbung weltweit zunutze machen.

Die Opfer davon sind letztendlich die Kinder, die unverantwortlichen politischen Entscheidungsträgern sowie naiven Lehrern und Eltern ausgeliefert sind, weil diese enthusiastische Befürworter der nicht ausreichend getesteten und überwiegend unwissenschaftlichen Unterrichtsmethoden sind, die ICT in erster Linie begünstigen.

Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungsstudien

Wissenschaftliche Forschungsstudien haben eindeutig bestätigt:

  • ICT-Bildschirme führen zu Schlafstörungen und Schlafentzug, welcher das Lernen beeinflusst und in Verbindung mit Fettleibigkeit und anderen physikalischen Störungen wie beispielsweise das Computer Vision Symdrom gebracht werden kann.

  • Der Gebrauch von Computer in Klassen stört den Lernprozess und verschlechtert die Lernergebnisse von Nutzern und Nichtnutzer gleichermaßen

  • Das Lernen mit Büchern und Papier ist dem Lernen mit E-Books vorzuziehen. Praktischer Beweis für diese Erkenntnis ist, dass Waterstones vom Vertrieb der Kindle Reader abgesehen hat, als der Verkauf der E-Books dramatisch zurückgegangen ist. Zudem fand Nielsen Book Research heraus, dass 75 % der Leser gedruckte Bücher bevorzugen, von denen 35 % das Lesen von E-Books komplett ablehnen.

  • Notizen mit Blatt und Stift im Gegensatz zu Notizen zu tippen, führt zu besseren Lernerfolgen.

  • Die Nutzung von Smartphone, IPad und Laptop in der Klasse führen bei den Schülern zu Ablenkung und Multitasking, welche zu schlechterem Lernen und zu neuralen Suchtproblemen führt, beispielsweise zu internet addiction disorder und anderen psychischen Erkrankungen

  • Es gibt Erfolgsmomente in einem Meer von Misserfolgen ICT und Bildungstechnologien betreffend. Forscher argumentieren, dass es zu wenige Hinweise gibt, welche die Behauptung untermauern, dass ICT und/oder EdTech die Lernergebnisse verbessern.

Keine dieser Bedenken werden jedoch von den Entscheidungsträgern, Lehrern oder Eltern, ernst genommen, wenn sie ICT zur Bildung ihrer Kinder in Betracht ziehen und fordern.

ITC-freie Umgebung für gesunde Entwicklung der Kinder

Anders die CEOs und Senior-Führungskräfte der ICT Unternehmen in Silicon Valley: Viele von ihnen schicken ihre Kinder auf Internet- und ICT-freie Waldorfschulen. Warum? Weil sie das Paradoxon verstanden haben, dass an Grundschulen eine ICT-beeinflusste Bildung kontraproduktiv ist für den Erwerb von ICT-Fertigkeiten. Das gilt zum Teil auch noch für die weiterführenden Schulen: Zur Entwicklung der nötigen Basiskomponenten, die für Berufe im 21sten Jahrhundert erforderlich ist, braucht es grundlegende soziale, literarische, mathematische, zwischenmenschliche und kreative Fähigkeiten. Diese sind entscheidend für die menschliche Entwicklung im Kindes- und Jugendalter und können nur in einer ausgesprochen ICT-freien Lernumgebung wirklich gefördert werden. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass ICT einen negativen Einfluss auf die Entwicklung von Fähigkeiten hat, die für Innovationen notwendig und ausschlaggebend sind.

Dies ist einer der Gründe, weshalb ICT keinen Platz im Lehrstoff der Waldorf-Grundschulen einnimmt. Erst in der Mittelstufe wird ICT an Waldorfschulen als ein weiterer Zugang zu Informationen eingesetzt.

Vorbereitung bei weiterführendem Schulwechsel

Allerdings gewährleisten die Waldorflehrer, dass die Schüler vor der weiterführenden Schule entsprechend vorbereitet und befähigt werden, die benötigten Fertigkeiten zu entwickeln, um

  • ITC bewusst zu verwenden,

  • dabei auf das Wichtige fokussiert zu bleiben,

  • an Problemlösungen in einer durchdachten, engagierten und konzentrierten Art und Weise heranzugehen.

„Probieren geht über studieren“, heißt es. 94 % der Waldorfschul-Absolventen studieren an US-Top Universitäten. Das ist weit mehr als der Landesdurchschnitt.

Dennoch glaube ich als Informatikwissenschaftler, dass ITC auf der Lehrerseite eine Rolle im Unterricht spielen sollte. Denn ICT ermöglicht es dem Lehrer, den Schülern komplexe Zusammenhänge übersichtlich darzustellen, was wichtig und hilfreich ist als Teil einer Grundstrategie, in Grund- und weiterführender Schule das Selbstbewusstsein der Schüler mit Blick auf ihren Abschluss zu verstärken.

Fazit: Diverse wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse belegen, dass Kinder und Jugendliche nicht durch Bildschirmnutzung lernen sollten, weder bei Tag, noch bei Nacht. Auch im Zeitalter von smarten Geräten sollte jeder und jede noch per Hand schreiben und nicht nur auf einer Tastatur tippen können. Das handschriftliche Notieren beim Erarbeiten von Konzepten hilft dabei, diese effizient vorzubereiten, darzulegen und nachhaltig abzuspeichern. Kinder und Jugendliche brauchen außerdem einen tiefen Schlaf, um die Erinnerung an das Gelernte zu festigen – und ICT ist bekannt dafür, diesen Prozess zu beeinträchtigen.

Vgl. Online-Fortbildung für Indien zum Thema entwicklungsfreundliche Mediennutzung, 2016

  1. Dr. Tom Butler ist Professor für Geschäftssnformations-Systeme an der Universität in Cork.