Fragwürdiger Einsatz von Medien bei Kindern
Was sind die Hintergründe für die Einführung digitaler Medien in Krippen und Kindergärten?
Wem, außer der Wirtschaft und dem Markt „Kinder“, nützt es, wenn der Computer schon im Kindergarten bzw. in der Grundschule Einzug hält?
Digitale Angebote für Kinder mit ungeahnten Folgen
Digitale Medien sind ein Novum für die Menschheit. Es gibt keine Langzeitstudien, nur Hypothesen in Bezug auf die Langzeitwirkungen auf Mensch und Gesellschaft. Nicht ein großer Erfinder aus der Branche saß als Kind vor dem Bildschirm. Und wer nachdenkt, weiß, dass er dieser Technologie seine Kreativität nicht verdankt, sondern diese mitbringen muss, um kompetent und innovativ damit umzugehen.
Heute werden bereits wenigen Monate alten Kindern von ihren Eltern Handys in die Hand gedrückt und in den Einrichtungen Tablets zur Verfügung gestellt. Ältere Kinder können sich am Computer mit Rechenaufgaben, Quizfragen und Buchstabenratespielen beschäftigen. Die Spielzeugfirma VTech aus Hongkong verkaufte 2003 bereits über zehn Millionen Kinderrechner in alle Welt. Auch der große PC wird immer „kindgerechter“: Solche Programme reagieren schon, wenn das kleine Kind mit seinen Patschhänden auf die Tastatur langt.
Die US-Firma Knowledge Adventure hat ihre erfolgreiche Lernspielreihe namens „Jumpstart baby“ erweitert. Ihre Zielgruppe sind Säuglinge ab neun Monaten.1 Grellbunte Plastikgeräte mit kleinen Bildschirmen werden als „animierte Spielgefährten“ angepriesen, „mit denen Kinder sich anfreunden, lernen und Spaß haben können“ . Dabei betonen die Spielzeughersteller ihren „hohen Anspruch: Unsere elektronischen Produkte müssen den Talenten der Kinder entsprechen, sie vereinen altersgerechte Lerninhalte mit modernster Technik.“2 In dem Moment, in dem Kinder den Blick fixieren und gezielt tasten können, lassen sich am Bildschirm schon farbige Effekte hervorrufen – und der begeisterte Papa steht daneben und ist stolz. Hier zu meinen, das sei die Intelligenzförderung von morgen, ist ein echtes Problem.
Fähigkeiten verkümmern vor dem Bildschirm
So findet sich im „Spiegel“ (21/ 2002) aus der Hirnforschung die interessante, aber nicht überraschende Feststellung, dass entgegen aller Euphorie der Befürworter die Kreativität der Kinder durch den Umgang mit dem Computer nicht gefördert wird, im Gegenteil (vgl. Medienpädagogik: Negative Folgen einer zu frühen Gewöhnung an digitale Medien):
Abstraktionsvermögen, Vorstellungskraft, Phantasie und die Gabe zum Querdenken versiegen, weil die Nervenzellen von Kindern, die in frühen Jahren viele Stunden vor dem Fernseher oder dem Computer sitzen, sich anders verknüpfen.
Auch der aktive Wortschatz verkümmert offenbar vor dem Bildschirm: In den fünfziger Jahren hatte ein vierzehnjähriger Amerikaner noch 25 000 Worte parat – heute sind es nur noch 10 000.
So sieht die Zukunft düster aus, wenn sich das Kind nicht durch eine mitgebrachte Resilienz und gesunde pädagogische Einflüsse aus dieser Technokonditionierung befreit (vgl. Medienpädagogik: Goldene Regel für den Umgang mit Technik und Medien). Da sind vernünftige Eltern und Bezugspersonen gefragt, die die beschriebenen gesundmachenden Kräfte in ihnen mobilisieren und nicht auf das raffinierte Werbemanagement der Software-Giganten hereinfallen.
Vgl. „Kindsein heute, Schicksalslandschaft aktiv gestalten“, Stuttgart – Berlin 2003
- Der Spiegel 42/1999, zit. bei Der Spiegel 42/1999, zit. bei Roswitha v. dem Borne, Einfach fallen lassen. Der Rausch nach Grenzerfahrungen, Stuttgart 2001.
- „Toys. Das Magazin der Branche“, 2/2000, zit. bei R. v. dem Borne, a.a.O.